„Wir brauchen mehr Cannabis-Fertigarzneimittel“

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apothekerschaft (AMK) wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Am gestrigen Donnerstag wurde das Jubiläum in Berlin in der Hörsaalruine der Charité gefeiert. Neben Grußworten und Glückwünschen von Abda-Präsident Thomas Preis, dem Vizepräsidenten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Professor Werner Knöss, und dem „Hausherren“, dem Vorstandsvorsitzenden der Charité Universitätsmedizin, Professor Heyo Kroemer, stand eine Podiumsdiskussion auf dem Programm.

Der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Armin Hoffmann, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Georg Kippels (CDU), Professor Werner Knöss und der AMK-Vorsitzende Professor Martin Schulz sprachen über die künftigen Herausforderungen in der Arzneimitteltherapie. Dabei ging es unter anderem um den Umgang mit Cannabis.

Werner Knöss hat hier eine klare Meinung: „Es gibt medizinische und pharmazeutische Expertise, die belegt, dass Rauchen und Backen und selbst die ordentliche Inhalation von Blüten nicht der beste Weg für die Anwendung sind.“ In Knöss’ Augen braucht es dringend mehr Fertigarzneimittel, denn Potenzial in der Therapie sieht er durchaus. Allerdings dann in Form von pharmazeutischen Darreichungsformen wie Extrakten oder innovativen Arzneiformen. Er räumt jedoch ein, dass es schwer ist, in diesem Bereich Patente zu bekommen. Auf jeden Fall müsse man weg von den vielen Ausnahmen, so Knöss.

Auch der AMK-Vorsitzende Martin Schulz sieht dringenden Bedarf an Fertigarzneimitteln – aus Gründen der Pharmakovigilanz. Die sei mit Blüten nicht möglich. „Wir sehen aktuell eine Mischung aus Genuss, medizinischem Gebrauch und Beikonsum“, sagte er. Außerdem ändere sich die Qualität der Blüten ständig und es gebe ein hohes Missbrauchspotenzial.

Diese Risikoabwägung könne die AMK nicht leisten und das BfArM auch nicht. „Wir brauchen Eingriffe in diesen Bereich, der ist aus dem Ruder gelaufen“, so Schulz. Knöss pflichtete ihm bei: Das BfArM bekomme im Monat etwa fünf Meldungen. Die meisten Nutzer werden diesbezüglich eher zurückhaltend sein.

„Cannabis ja, aber in geordnetem Rahmen“

Auch in Armin Hoffmanns Augen sind die gesetzlichen Änderungen dringend erforderlich: Das „Cannabisänderungsgesetz muss kommen“, sagte er. Der Zustand der „Regellosigkeit“, bzw. des Nichteinhaltens der Regeln, müsse beendet werden. Hoffmann betonte, dass die Apotheker nicht gegen den Einsatz von Cannabis in der Medizin seien. Aber in einem geordneten Rahmen, mit Studien und Fertigarzneimitteln.

Auch beim Thema Apotheke ohne Apotheker herrschte Einigkeit. Diese sei ein Gesundheitsrisiko. Hoffmann sagte: „Patienten meinen, sie hätten Gesundheitskompetenz, sie haben aber maximal Halb- oder Viertelwissen.“ Ihnen müsse die Komplexität der Therapien und der Applikationsformen näher gebracht werden. Weil die Komplexität aber zunehmen werde, erfordere die Beratung akademische Expertise, findet der BAK-Präsident.

Schulz ergänze, dass es an Basiswissen fehle. Er verwies auf Untersuchungen, wonach viele den Medikationsplan nicht verstehen und 70 Prozent nicht richtig inhalierten. „Dies zu erkennen und adressatengerecht zu vermitteln, ist eine enorme Aufgabe. Dafür brauchen wir akademisch ausgebildetes Personal.“ Der AMK-Vorsitzende sieht darin sogar die Daseinsberechtigung der Apotheke: Versorgung sicherzustellen sei eine Sache, aber auch die Anwendung müsse man verstärkt akademisch betrachten.

Hoffmann wies zum Schluss darauf hin, dass das Wissen über Technologie und Darreichungsformen ein Alleinstellungsmerkmal der Apotheker sei. Das gehe manchmal verloren. Aber vieles, was die Arzneimittelanwendung betrifft, sei nun mal Technologie. Und Hoffmann sieht ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: „Wir Apotheker sind die, die den Patienten in die Augen blicken und herauskitzeln, was sie wirklich mit den verschriebenen Arzneimitteln macht.“

Dafür müsse man um die Ecke denken. Ärzte gingen meist davon aus, dass der Patient Arzneimittel so anwendet, wie er sie verordnet wurden – dies sei aber meistens nicht der Fall.