Kassenärztliche Vereinigung warnt: Arztpraxen als Investment auf dem Vormarsch
Mancherorts wird es zunehmend schwer, eine augenärztliche oder radiologische Praxis zu finden, hinter der Ärztinnen und Ärzte stehen. Denn Private-Equity-Gesellschaften sind laut einer am 22. September veröffentlichten Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) bei der ambulanten Versorgung auf dem Vormarsch.
Laut aktuellen Analysen der KVB entfallen seit 2021 rund 90 Prozent aller Übernahmen von radiologischen Praxen auf Private-Equity-Unternehmen. Bundesweit gehören 500 augenärztliche Praxen zu internationalen Private-Equity-Ketten.
Das Ziel: Renditen von 15 bis 20 Prozent
Fremdinvestoren wie Private-Equity-Gesellschaften dürfen Arztpraxen nur dann übernehmen, wenn sie einen Umweg auf sich nehmen. Sie müssen zunächst Krankenhäuser erwerben. Im Namen dieser können sie Arztpraxen kaufen, sofern sie diese in medizinische Versorgungszentren (MVZ) umwandeln. Dieses Modell nutzt beispielsweise die Artemis-Gruppe, die Augenkliniken betreibt, die wiederum medizinische Versorgungszentren mit augenärztlichem Schwerpunkt umfassen.
Private-Equity-Unternehmen verwalten Fonds. Ihre Aufgabe ist es, Geld von institutionellen Investoren und vermögenden Privatpersonen einzuwerben. Mit diesem Geld und Krediten erwerben sie Anteile von Unternehmen – beispielsweise von Praxis-Ketten oder Arzneimittelversendern – und treiben deren Wertsteigerung voran. Laut KVB zielen sie darauf ab, Renditen von 15 bis 20 Prozent zu erwirtschaften. Zum Vergleich erwarteten Apotheken im Jahr 2023 durchschnittlich eine Rendite von 4,3 Prozent.
Sobald die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufssumme der Anteile günstig erscheint, verkaufen sie die Firmenanteile wieder.

Um ihre Gewinne steuerlich zu optimieren, übertragen Private-Equity-Firmen ihre Kredite häufig auf die von ihnen erworbenen Unternehmen. Laut Finanzexperten erhöht dies das Risiko, dass Praxiskonzerne pleitegehen und somit Versorgungslücken entstehen.
Kritiker wie die KVB argumentieren, dass sich eine langfristige, kontinuierliche Gesundheitsversorgung hoher Qualität mit diesem Geschäftsmodell kaum in Einklang bringen lässt.
Wirtschaftlich attraktive Gegenden und Fachrichtungen
„Die ambulante Gesundheitsversorgung und das Wohl der Patientinnen und Patienten […] gerät zu Gunsten von aggressiven Buy-and-Sell-Strategien ins Hintertreffen“, schreibt die Kassenärztliche Vereinigung Bayern in ihrer Mitteilung.
Die Liste der Kritikpunkte der KVB am Geschäftsmodell ist lang. So konzentrierten sich private-equity-geführte medizinische Versorgungszentren beispielsweise auf lukrative Leistungen. Insbesondere die Augenheilkunde, Radiologie, Labormedizin, Orthopädie und Dermatologie mit hohem Geräte- und Technikeinsatz stehen im Fokus. Außerdem konzentrieren sie sich auf wirtschaftlich attraktive Gegenden, insbesondere auf urbane Ballungsräume.
Weniger rentable Aspekte der Patientenversorgung blieben dabei auf der Strecke. Dazu gehören präventive Gesundheitsuntersuchungen, die kontinuierliche Betreuung chronisch kranker Patienten und die Versorgung in ländlichen Regionen. Zeitintensive Hausbesuche finden nahezu gar nicht statt.
KVB fordert Schutz vor „sachfremden Einflüssen“
Hinzu komme, dass der ärztliche Nachwuchs mit den Kaufpreisen, die diese Unternehmen den Arztpraxen bieten, nicht mithalten kann. Die jungen Ärzt*innen würden in „manchen Fachrichtungen zunehmend zur Anstellung in solchen Einrichtungen gezwungen“.
Die KVB fordert unter anderem, dass die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte in medizinischen Versorgungszentren Ärzten zustehen sollte. Zudem sollte die Therapiefreiheit „vor sachfremden Einflüssen“ geschützt werden.