Apothekertag: Gesundheitsversorgung gegeneinander gestaltet
Mehr Impfungen als bisher sowie die Abgabe bestimmter verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei bekannter Langzeitmedikation oder bei leichten Erkrankungen wie unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Diese neuen Kompetenzen für Apotheken hatte die Abda bereits in einem im April 2025 veröffentlichten Positionspapier gefordert. Nun sind sie in den Eckpunkten für eine Apothekenreform der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken enthalten.
Was der Abda noch fehlte, um einen wohlklingenden Akkord zu erzeugen, ist die Unterstützung einer Ärzteschaft, die angesichts der neuen Kompetenzen nicht Alarm schlägt. Sondern die in der Hoffnung auf Entlastung konstruktiv mitwirkt.
Dies hätte am 17. September beim Themenforum „Gesundheitsversorgung gemeinsam gestalten“ auf dem Deutschen Apothekertag geschehen können. Bei einer Podiumsdiskussion sollten alle Akteure – also Sprecher*innen von Kassen, der Ärzteschaft, Apotheken und Patienten – über das neue Modell sprechen. Der wohlklingende Akkord erklang hier jedoch nicht.
„Schwarzer Tag für die Patientensicherheit“
Sibylle Steiner, die Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), begann ihre Rede mit den Worten: Der Vortag, also der 17. September, an dem Ministerin Warken die Eckpunkte für die Apothekenreform vorstellte, sei ein „schwarzer Tag für die Patientensicherheit“ gewesen.
Die Patientensicherheit sei in Gefahr, da der in den Eckpunkten genannte „unkomplizierte Harnwegsinfekt“ in der Realität häufig kompliziert verlaufe. Dieser erfordere eine sorgfältige Indikationsstellung und einen kritischen Antibiotikaeinsatz. „Hat die Apothekerschaft das studiert?“, fragte Steiner rhetorisch.
Wenn Apotheker*innen plötzlich Arzneimittel abgeben dürfen, die „nur“ die bekannte Langzeitmedikation betreffen, drohe die Gefahr, dass die Verordnung nicht mehr allein aus medizinischen Gründen erfolge. „Dann haben Apotheker*innen natürlich ein hohes Interesse, auch teurere Medikamente abzugeben.“
Auch bei der Ausweitung der Impfangebote durch Apotheken blieb KBV-Vorsitzende Steiner klar. „Wir sind nicht dafür.“ Aufgrund des Risikos seltener, aber möglicher anaphylaktischer Reaktionen sei die ärztliche Expertise gefragt. In der Apotheke sehe sie hingegen „eine Verquickung der wirtschaftlichen Interessen“.
Kassensprecher warnt vor Doppelstrukturen
Sibylle Steiner fügte hinzu, dass sie in den Eckpunkten für eine Apothekenreform keine Entlastung für Arztpraxen sehe. Positives Beispiel für die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern sei für sie eher das Armin-Modell. Zudem sei sie der Meinung, dass die im Jahr 2026 mögliche Ergänzung der Medikationsliste um OTC-Arzneimittel durch Apotheken eine Entlastung für Arztpraxen bringen werde.
Auf dem Podium schloss sich Dirk Ruiss diesem Ton an. Er sprach für die Krankenkassen als Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen beim Verband der Ersatzkassen (vdek).
Ihn störe und irritiere eine mögliche „Vermischung von Zuständigkeiten und Aufgaben“, die hinter den Eckpunkten der Apothekenreform stecke. Es dürften keine Doppelstrukturen entstehen. Auch die Finanzierungsfrage müsse geklärt werden.
Der Saal reagiert
Die KBV-Vorsitzende Sibylle Steiner fügte hinzu, dass mit den Eckpunkten, die die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch Apotheker*innen vorsehen, eine „rote Linie“ überschritten sei.
Sie könne sich eher vorstellen, dass Ärzte in ihren Notdiensten „die Möglichkeit zur Abgabe auch einer kleinen Packung haben, weil das sind immer die gleichen Medikamente“.
Eine offensichtliche Doppelmoral: Aus der Perspektive der Apotheken betrachtet, ist die Linie rot, die mit neuen Kompetenzen überschritten wird. Aus KBV-Sicht scheint sie für Steiner aber eher grün zu sein.
Die Debatte löste bei den Zuhörenden im Saal Emotionen aus. Ironische Lacher, Gemurmel, Stöhnen und sogar Pfiffe waren immer wieder zu hören. Michaela Mann, Delegierte der Apothekerkammer Hessen, ergriff das Wort. Das Einzige, was sie bei der Podiumsdiskussion höre, sei: „Ich habe Angst, dass hier etwas ausgelöst wird und mir da etwas abgegraben wird“, sagte die Apothekerin.
Preis will kleine Gewitterwölkchen „wegpusten“
Für die Apotheken sprach auf dem Podium Abda-Präsident Thomas Preis. Er brachte erste Friedensangebote vor. So dürfe bei der Abgabe von Rx-Arzneimitteln bei Bagatellerkrankungen die Verschreibungspflicht nicht umgangen werden. Vielmehr müssten konkrete Ausnahmen von der Arzneimittelverschreibungsverordnung definiert werden.
Zudem müsse die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bei Langzeitmedikation in bestimmten Fällen an die Daten in der elektronischen Patientenakte (ePA) der Patienten gekoppelt sein.
„Es geht nur darum, jemandem zu helfen, eine kontinuierliche Verordnung oder Medikation sicherzustellen – um nicht mehr und nicht weniger“, sagte Preis. Er bezeichnete die Konflikte während dieser Podiumsdiskussion als „kleine Gewitterwölkchen“, die man nun gemeinsam wieder „wegpusten“ könne.
Gesundheit gegeneinander gestaltet
Ähnlich hoffnungsvoll gab sich Sabine Härter, Typ-1-Diabetikerin und Sprecherin der Deutschen Diabetes-Hilfe NRW, auf der Bühne.
„Momentan habe ich das Gefühl, dass jeder um seine Pfründe kämpft, mit der Begründung, es ist zum Wohl des Patienten. Aber es hapert ein wenig“, sagte Härter. „Aber ich habe das Vertrauen, dass alle Beteiligten einen Weg finden, miteinander zu reden.“
Vielleicht gibt es in Zukunft ein Szenario, in dem die Berufsorganisationen von Ärzten und Apothekern die Gesundheitsversorgung gemeinsam zum Wohle der Patienten planen. Vom Themenforum auf dem Deutschen Apothekertag 2025 bleibt der Eindruck: Noch gestalten die einzelnen Berufsgruppen Gesundheit vor allem gegeneinander.