Die Schafgarbe ist Arzneipflanze des Jahres

Die Schafgarbe (Achillea millefolium) ist eine ursprünglich in Europa, Nordasien und Nordamerika beheimatete mehrjährige Staude aus der Familie der Asteraceae. Volkstümlich ist sie auch unter den Bezeichnungen Achilleskraut oder Bauchwehkraut bekannt, die englische Bezeichnung lautet yarrow. Botanisch gesehen handelt es sich um eine morphologisch und chemisch sehr variable Sammelart, die, je nach Autor, in zahlreiche Varietäten bzw. Unterarten untergliedert wird.

Die Pflanze besitzt charakteristische, länglich-schmale, mehrfach gefiederte Blätter und relativ kleine, unscheinbare Blütenkörbchen mit weißen oder hell-rosa Zungenblüten, die in Doldenrispen angeordnet sind. Heute ist die Schafgarbe nahezu kosmopolitisch verbreitet, man findet sie auf Wiesen, Halbtrockenrasen, Weiden, aber auch an Acker- und Wegrändern.

Von Proazulen zu Chamazulen

Die Droge Schafgarbenkraut besteht aus den zur Blütezeit gesammelten und getrockneten oberirdischen Pflanzenteilen und enthält gemäß europäischem Arzneibuch mindestens 0,2% ätherisches Öl, das, ebenso wie das Öl der Kamille, dunkelblau gefärbt ist. Die Farbe beruht auf dem Vorhandensein von Chamazulen, welches während der Wasserdampfdestillation aus farblosen Vorstufen, den Proazulenen, gebildet wird. Azulen-freie Varietäten, die ebenfalls vorkommen, liefern keine offizinelle Droge. Je nach Herkunft der Pflanze kann das Öl von Monoterpenen oder Sesquiterpenen dominiert sein. Neben dem ätherischen Öl sind bitter schmeckende Sesquiterpenlactone, insbesondere vom Guajanolid-Typ, Polyacetylene, Kaffeoylchinasäurederivate, Triterpene und Flavonoide enthalten [1, 2].

Eine uralte Heilpflanze

Die Schafgarbe besitzt zweifellos eine lange Tradition als Arzneipflanze und das nicht nur im europäischen Bereich, sondern in den verschiedensten Kulturen auf der ganzen Welt. Pollen der Pflanze wurden in den Grabhöhlen von Neandertalern entdeckt, wobei allerdings umstritten ist, ob diese Funde eine tatsächlich Nutzung bereits in der Frühzeit der Menschheit belegen können. Die Gattungsbezeichnung Achillea geht dagegen auf den griechischen Helden Achilles zurück, der die Pflanze während des Trojanischen Krieges entdeckt und zur Wundheilung verwendet haben soll. Weitere traditionelle Anwendungen sind dyspeptische Beschwerden, Appetitlosigkeit oder Menstruationsbeschwerden.

Im ayurvedischen Arzneischatz findet sie Anwendung zur Wundheilung und gegen Fieber [3, 4]. Auf der Basis langjähriger Erfahrung stuft der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur die Schafgarbe als traditionelles Arzneimittel ein, das bei Appetitlosigkeit und zur Behandlung kleinerer, oberflächlicher Wunden sowie zur symptomatischen Behandlung von dyspeptischen Beschwerden und leichten krampfartigen Beschwerden im Zusammenhang mit der Menstrua­tionsblutung geeignet ist.

Angewendet werden kann eine Teezubereitung (1 bis 2 g Droge in 250 ml kochendem Wasser zwei- bis dreimal pro Tag) oder ein vergleichbarer Trockenextrakt (DEV 5-10:1, Extraktionsmittel: Wasser, Dosierung: 250 mg zwei- bis dreimal pro Tag). Da keine Untersuchungen zu Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren vorliegen, werden Zubereitungen aus Schafgarbe bei dieser Altersgruppe nicht empfohlen [5].

Extrakte aus Schafgarbenkraut besitzen sowohl in vitro als auch im Tiermodell entzündungshemmende, spasmolytische und choleretische Wirkungen, was ihre Verwendung bei dyspeptischen Beschwerden plausibel erscheinen lässt. Entzündungshemmend wirken hierbei wohl in erster Linie die Sesquiterpenlactone, während insbesondere die in der Pflanze enthaltenen Flavonoide für die krampflösenden Eigenschaften verantwortlich seien dürften und Kaffeoylchinasäurederivate choleretisch aktiv sind [6, 7].

Auch antibakterielle Eigenschaften verschiedener Schafgarben-Extrakte sind nachgewiesen worden. Diese können einerseits auf die im ätherischen Öl vorhandenen Terpenoide zurückzuführen sein, andererseits konnte in einer aktuellen Untersuchung gezeigt werden, dass auch flavonoidreiche
Extrakte in der Lage sind, insbesondere grampositive biofilm-bildende Bakterien in ihrer Entwicklung zu hemmen [8].

Antibakteriell, entzündungshemmend und wundheilungsfördernd

Die wundheilungsfördernden Aspekte der Schafgarbe sind ebenfalls bereits in verschiedenen Modellen untersucht worden. In vitro förderten ethanolische Extrakte beispielsweise die Proliferation humaner Hautfibroblasten und stimulierten den Wundverschluss. Zusammen mit den bereits erwähnten antibakteriellen und entzündungshemmenden Eigenschaften bieten sich Zubereitungen aus der Schafgarbe daher möglicherweise als Bestandteile von Dermatika oder auch kosmetischen Präparaten an. Gerade in diesem Zusammenhang spielt natürlich auch die Verträglichkeit eine große Rolle. Prinzipiell sind kontaktallergische Reaktionen nicht auszuschließen, insbesondere bei vorhandener Korbblütler-Allergie, worauf in der HMPC-Monographie ausdrücklich hingewiesen wird. Allerdings wurden in kleineren Humanstudien zur Verträglichkeit von Schafgarbe-haltigen kosmetischen Präparaten in dieser Hinsicht keine Auffälligkeiten beobachtet [9].

Evidenzbasierte Medizin?

Praktisch existieren bisher keine klinischen Studien zur innerlichen Anwendung der Schafgarbe. Eine der wenigen Ausnahmen stellt eine iranische Studie aus dem Jahr 2015 dar. In dieser randomisierten Doppelblindstudie an 93 Frauen wurde der Effekt einer Teezubereitung bei Dysmenorrhö analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass die Anwendung des Tees zu einer signifikanten Reduktion von Schmerzen im Vergleich zu Placebo führte [10]. Eine weitere kleine Studie an 56 Krebs­patienten zeigte positive Effekte einer Schafgarbe-haltigen Gurgellösung bei Chemotherapie-induzierter oraler Mukositis [11].

Die Schafgarbe – als Arzneipflanze des Jahres 2025 – bietet somit noch ein spannendes Betätigungsfeld für vielfältige wissenschaftliche Analysen. Auf der Basis ihrer jahrhundertelangen traditionellen Verwendung ist sie aber insbesondere bei Magen-Darm-Beschwerden, schmerzhafter Regelblutung oder auch als Bestandteil einer entzündungshemmenden Mundspülung sicherlich eine Empfehlung wert.

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Literatur

[1] Wichtl M (Hrsg.). Teedrogen und Phytopharmaka; Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage. 5. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009
[2] Salehi B, Selamoglu Z, Sevindik M et al. Achillea spp.: A comprehensive review on its ethnobotany, phytochemistry, phytopharmacology and industrial applications. Cellular and Molecular Biology (Noisy-le-grand) 2020;66:78-103
[3] Ali SI, Gopalakrishnan B, Venkatesalu V. Pharmacognosy, Phytochemistry and Pharmacological Properties of Achillea millefolium L.: A Review. Phytotherapy research 2017;31:1140-1161
[4] Applequist WL, Moerman DE, Yarrow (Achillea millefolium L.): A Neglected Panacea? A Review of Ethnobotany, Bioactivity, and Biomedical Research. Economic Botany 2011;65:209–225
[5] Assessment report on Achillea millefolium L., herba. EMA/HMPC/376415/2019. www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-report/draft-assessment-report-achillea-millefolium-l-herba-revision-1_en.pdf
[6] Li H, Li J, Liu M et al. Guaianolide sesquiterpene lactones from Achillea millefolium L. Phytochemistry 2021;186:112733
[7] Benedek B, Geisz N, Jager W et al. Choleretic effects of yarrow (Achillea millefolium) in the isolated perfused rat liver. Phytomedicine 2006;13:702–706.
[8] Terzić J, Stanković M, Stefanović O. Ettracts of Achillea millefolium L. inhibited biofilms and biofilm-related virulence factors of pathogenic bacteria isolated from wounds. Microbial Pathogenesis 2025;199:107219
[9] Strzępek-Gomółka M, Gaweł-Bęben K, Kukula-Koch W. Achillea Species as Sources of Active Phytochemicals for Dermatological and Cosmetic Applications. Oxidative Medicine and Cellular Longevity 2021;2021:6643827
[10] Jenabi E und Fereidoony B. Effect of Achillea Millefolium on Relief of Primary Dysmenorrhea: A Double-Blind Randomized Clinical Trial. Journal of Pediatric and Adolescent Gynecology 2015;28:402–404
[11] Miranzadeh S, Adib-Hajbaghery M, Soleymanpoor L. et al. Effect of adding the herb Achillea millefolium on mouthwash on chemotherapy induced oral mucositis in cancer patients: a double-blind randomized controlled trial. European Journal of Oncology Nursing 2015;19:207–213