Gericht untersagt Wellster Werbung für „Abnehmspritzen“
Im Internet finden sich zahlreiche Plattformen, die unter dem Deckmäntelchen der Telemedizin das Ziel verfolgen, unkompliziert verschreibungspflichtige Arzneimittel an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Die „ärztliche Behandlung“ besteht im Ausfüllen eines Fragebogens. Die kooperierende Versandapotheke liefert die gewünschten Arzneimittel, wie Cannabis oder „Abnehmspritzen“, innerhalb weniger Tage. Den Betreibern solcher Plattformen hat die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) den Kampf angesagt.
Jüngstes Ziel: die Wellster Healthtech Group, ein großer in München ansässiger Player im Telemedizin-Markt, der unter anderem Plattformen wie „Spring“ (Erektionsprobleme) oder „my Summer“ (Frauengesundheit) betreibt. Zu seinem Plattform-Portfolio zählt auch „golighter“, die jetzt im Fokus steht. Hier geht es, wie der Name unschwer erkennen lässt, um einen einfachen Weg zu „Abnehmspritzen“, also GLP-1-Agonisten zur Gewichtsreduktion. Das Rezept gibt es von der in Irland ansässigen „Online-Arztpraxis“ Wellster Medical.
Werbung für Rx-Arzneimittel
Über Google-Suchen zu den einschlägigen Arzneimitteln landet man schnell bei gesponserten Links von „golighter“ mit Aussagen wie zum Beispiel „Abnehmspritze sofort lieferbar“. Auf der Webseite finden sich dann konkrete Angebote für Wegovy® und Munjaro®. Versprochen wird unter anderem: „Gemeinsam Dein Wunschgewicht erreichen.“ In den Augen der Kammer handelt es sich diesem Angebot im Web um unzulässige Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 10 Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Irreführende Bezeichnung als „Internet-Apotheke“
Darüber hinaus hat die AKNR eine Reihe von Einwänden gegen einen Werbespot, der Ende Januar dieses Jahres im Fernsehen lief. Darin bezeichnete sich „golighter“ unter anderem als „Internet-Apotheke“ – das sei irreführend und wettbewerbswidrig (§ 5 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG), weil Wellster selbst keine Apotheke sei, sondern nur mit einer kooperiere, so die AKNR. Die beteiligte, in den Niederlanden ansässige Versandapotheke in Bad Neuschanz (BNS) gehört hingegen zum Wellster-Konzern.
HWG-Verstöße
Auch die im Werbespot getätigte Aussage „ganz einfach online Rezept anfragen, Medikamente bestellen und Wunschgewicht erreichen“ findet die Kammer irreführend, weil nicht darauf hingewiesen werde, dass die Anwendung der Präparate bestimmte Voraussetzungen habe, wie etwa ein Body-Mass-Index von über 30. Zudem verstoße es gegen das Heilmittelwerbegesetz (§ 3 Satz 2 Nr. 2a HWG), wenn ein „Wunschgewicht“ in Aussicht gestellt werde. Denn es werde ein bestimmter Erfolg als sicher dargestellt, obwohl er das nicht sei. Außerdem werde nicht erwähnt, dass der Erwerb der Präparate unter dem Vorbehalt einer ärztlichen Prüfung stehe.
Unzulässige Rezeptzuweisung
Und damit nicht genug der Klagepunkte: Weiter stört sich die AKNR daran, dass am Ende des „Bestellvorgangs“ der Kunde zwar die Wahl hat, bei einer zum Konzern gehörenden Internet-Apotheke zu bestellen (1 bis 3 Werktage) – oder sich das Rezept schicken zu lassen (5 bis 7 Werktage). Allerdings sei diese Wahlfreiheit in dieser Gestaltung eingeschränkt. Wer das Rezept geschickt haben möchte, um es in einer Apotheke vor Ort einzulösen, wird aufgefordert, sich telefonisch mit einem Kundenservice in Verbindung zu setzen. Laut AKNR gelangt man unter der angegebenen Nummer aber nur zu einem Anrufbeantworter, der mitteile, dass alle Leitungen belegt sein. Kurzum: Die AKNR sieht hier eine unzulässige Zuweisung von Verschreibungen nach § 11 Apothekengesetz (ApoG).
Gericht erlässt einstweilige Verfügung im Sinne der AKNR
All diese aus ihrer Sicht verübten Rechtsverstöße adressierte die AKNR in ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Wellster Group, dem das Landgericht München I am 18. März nach einer mündlichen Verhandlung in einem Endurteil stattgegeben hat. Das Münchener Unternehmen war zwar allen Punkten des Antrags entgegengetreten – doch das vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Es untersagte Wellster sämtliche von der AKNR monierten Angebote im Web ebenso wie die angegriffenen Aussagen im Werbespot. Es folgt ganz der Auffassung der Kammer und spart dabei auch nicht an ausführlichen Begründungen. Unter anderem nimmt es dabei problemlos eine Gehilfenstellung von Wellster beim Verstoß der kooperierenden BNS Apotheken gegen § 11 ApoG an.
An der Dringlichkeit, die für eine einstweilige Verfügung geben sein muss, zweifelt das Gericht ebenfalls nicht. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Vorgaben des Gerichts droht Wellster nun ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro oder Ordnungshaft. Allerdings kann das Unternehmen noch Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen.
Landgericht München I, Endurteil vom 18. März 2025, Az.: 1 HK O 1338/25