Arzneimittellieferung an Sonn- und Feiertagen war rechtswidrig

Weil eine Apotheke in Nordrhein-Westfalen an Sonn- und Feiertagen Arzneimittel und apothekenübliche Waren in Kooperation mit dem mittlerweile insolventen Lieferdienst Mayd auslieferte, forderte die Wettbewerbszentrale eine gerichtliche Klärung. Im April 2023 entschied das Landgericht Köln im Sinne der Wettbewerbszentrale. Das Gericht sah einen Verstoß gegen das Ladenöffnungsgesetz des Landes NRW. Auch das ebenso mit dem Fall betraute Oberlandesgericht Berlin hielt die Geschäftspraxis der Apotheke für wettbewerbswidrig. Sie habe sich gegenüber anderen Apotheken, die ebenfalls nicht zum Notdienst zugeteilt waren, einen rechtswidrigen Vorteil verschafft. Nach der Berufung des Beklagten landete der Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Dort wurde am 6. März ein Urteil gefällt, dessen Begründung nun vorliegt.

Kein Widerspruch zwischen Ladenöffnungsgesetz und ApBetrO

Dabei ging es zunächst um die Frage, ob die landesrechtlichen Vorschriften zum Ladenschluss durch die bundesrechtlichen Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) als nichtig zu betrachten seien. Demnach sieht § 23 ApBetrO seit einer Änderung im Jahr 2012 keine ausdrückliche Befugnis zum Erlass von Schließungsverordnungen mehr vor – in der vorherigen Fassung war das noch der Fall gewesen. Aus Sicht des beklagten Apothekers folge daraus, dass die Apotheke immer geöffnet sein kann.

Dem widersprach der BGH in seiner Urteilsbegründung: Der Gesetzgeber habe mit der Änderung der ApBetrO nicht beabsichtigt, eine abschließende Regelung für die Apotheken zu treffen, die es ihnen ermöglicht unabhängig von den Ladenöffnungsregelungen der Länder zu öffnen. Es sei kein Wille des Bundesgesetzgebers erkennbar, entsprechende Landesregelungen zu sperren, um eine Öffnung von Apotheken an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen. Vielmehr habe der Bundesgesetzgeber mit der Änderung im Jahr 2012 dem Umstand Rechnung getragen, dass nunmehr die ausschließliche Gesetzeskompetenz beim Ladenschluss bei den Ländern lag.

Keine unbeschränkte Öffnungsbefugnis

Als „offen“ gelte eine Apotheke nach § 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG auch dann, wenn die Verkaufsstelle zwar verschlossen aber im Sinne des Apothekenrechts „dienstbereit“ ist. Von Dienstbereitschaft sei auszugehen, wenn der Apothekenleiter oder eine vertretungsberechtigte Person in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Betriebsräumen erreichbar ist.

Demnach sei der an Sonn- und Feiertagen angebotene Lieferdienst ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz (LÖG) beziehungsweise die Schließungsanordnung der Apothekerkammer. Diese legt fest, dass Apotheken, die keinen Notdienst ausüben, an Sonn- und Feiertagen geschlossen haben müssen. Zwar enthalte der Wortlaut des § 23 ApBetrO keine ausdrückliche Befugnis zur Schließungsanordnung, jedoch sei daraus keine unbeschränkte Öffnungsbefugnis abzuleiten.

Arbeit mit werktäglichem Charakter

Der angebotene Lieferdienst mit Fahrrädern habe einen „typisch werktäglichen Charakter“, der geeignet sei, „die äußere Ruhe des Tages zu stören“. Ein Verstoß sei auch dann gegeben, wenn der Apotheker die Übergabe der Waren an den Lieferdienst in den nicht-öffentlichen Betriebsräumen oder über den Notdienstschalter abwickelt, während die Offizin geschlossen bleibt. In § 3 Satz 1 des nordrhein-westfälischen Feiertagsgesetzes sei geregelt, dass alle Arbeiten, „die geeignet sind die äußere Ruhe des Tages zu stören“ nicht erlaubt sind. Dabei reiche es aus, dass die Arbeit die Aufmerksamkeit einer unbestimmten Zahl von Personen auf sich zieht. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitsvorgang als solcher optisch oder akustisch wahrgenommen werden kann. Es genüge, wenn die erkennbaren Umstände den Schluss nahelegen, dass gearbeitet wird. Das sei auch bei der Abholung von Waren durch einen Fahrradlieferanten anzunehmen. Die Ruhe an Sonn- und Feiertagen könne durch Arbeiten gestört werden, die eine „werktäglichen“ Charakter haben. Dazu zähle insbesondere der werktägliche Gelderwerb.

Unlauterer Wettbewerb

Neben der Störung der Sonn- und Feiertagsruhe durch Einzelne bestehe auch die Gefahr, dass durch die werktägliche Arbeit die Bereitschaft wirtschaftlicher Konkurrenten sinkt, sich dem Ruhegebot zu beugen. § 7 Abs. 2 Satz 1 LÖG sei auch als Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu verstehen. Die Schließungsanordnung der Apothekenkammer auf Grundlage des LÖG für Apotheken, die keine Notdienst ausüben, diene nicht allein dem Arbeitsschutz, sondern sie regele auch die Wettbewerbsneutralität, heißt es im BGH-Urteil.

Der Rechtsstreit wird nun an das Landgericht Köln zurückverwiesen.