Vom Corona-Experten bis zum ehemaligen Punk

Einer der prominentesten Neuzugänge im deutschen Bundestag dürfte wohl der Virologe Hendrik Streeck sein. Der 1977 geborene Mediziner ist seit Oktober 2019 Direktor des Institutes für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Bekanntheit über die Fachkreise hinaus erlangte er während der Corona-Pandemie als Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Er war während dieser Zeit auch ein beliebter Ansprechpartner für die Medien. Seine Meinung und Äußerungen wurden aber durchaus kontrovers diskutiert. Bei der Bundestagswahl trat er für die CDU im Wahlkreis Bonn als Direktkandidat an. Er holte damit den ehemaligen Wahlkreis von Konrad Adenauer nach 27 Jahren für die Union zurück.

Für die Schwesterpartei CSU konnte mit Hans Diogenes Theiss ein weiterer Arzt das Direktmandat im Wahlkreis München-Nord gewinnen. Theiss (Jahrgang 1977) ist Oberarzt und Facharzt für Kardiologie und hat seit 2016 eine Professur für Innere Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität inne. Seit 2002 ist er Mitglied der CSU und engagiert sich in der Münchner Kommunalpolitik, seit 2018 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CSU-FW-Stadtratsfraktion im Münchner Rathaus. Gesundheit und Pflege benennt er als seine zentralen Themen. Er setze sich für eine starke Gesundheitsversorgung ein, die allen Menschen gerecht wird, heißt es auf seiner Webseite. Der Kampf gegen den Pflegemangel, der Erhalt der Notfallversorgung und der wissenschaftliche Fortschritt sollen dabei zentrale Aspekte seiner Politik sein. Jeder Mensch sollte Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung haben, wann immer er sie braucht, findet Theiss.

Zwei Mediziner für Die Linke

Ebenfalls neu im Bundestag ist Gerhard Trabert (Jahrgang 1956). Er ist Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie. Bei der Bundestagswahl 2021 trat er als parteiloser Direktkandidat für die Linke an. Für die Wahl zum Bundespräsidenten im Februar 2022 stellte Die Linke Trabert als ihren Kandidaten gegen den erneut kandidierenden Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf. Den Sprung in den Bundestag schaffte er aber erst jetzt über die Landesliste der Linkspartei in Rheinland-Pfalz, deren Spitzenkandidat er war. Eines seiner Kernthemen neben der Gesundheit ist die soziale Gerechtigkeit. Armut mache krank und Krankheit mache arm. Seit Jahrzehnten sei es sein wichtigstes Anliegen, diesen Missstand in die Öffentlichkeit zu tragen und zu versuchen, betroffenen Menschen ein Stück Würde zurückzugeben, heißt es auf seiner Webseite. Zu Beginn des Jahres erlitt der Arzt mehrere Schlaganfälle und absolvierte deswegen keine Wahlkampfauftritte mehr. Medienberichten zufolge stellt sich nun die Frage, ob er aufgrund seiner gesundheitlichen Situation sein Mandat überhaupt antreten kann.

Mit Michael Arndt, auch bekannt als Moses Arndt, sitzt in der neuen Legislaturperiode ein weiterer Mediziner für die Linke im Bundestag. Er trat als Spitzenkandidat seiner Partei im Saarland an. Seine Karriere ist eher unkonventionell. Er brachte unter anderem ein Hardcore-Punk-Magazin raus und betrieb ein Piercing-Studio, außerdem schrieb er den Roman „Chaostage“, der unter anderem mit Martin Semmelrogge verfilmt wurde. Seit 2007 ist er als Hausarzt in seiner eigenen Praxis tätig. 1998 hatte er schon einmal für den Bundestag kandidiert – für die Anarchistische Pogo-Partei. Arndt ist auch berufspolitisch engagiert und gehört der Vertreterversammlung der Ärztekammer des Saarlandes an. Neben der Abschaffung der Schuldenbremse und höheren Steuern für Reiche will er nun im Bundestag für gute Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor streiten.

Ob sich die Mediziner dann auch tatsächlich in der Gesundheitspolitik einbringen, bleibt abzuwarten. Nachdem aber eine ganze Reihe von Gesundheitsexperten bei dieser Wahl nicht mehr angetreten ist und eine Lücke hinterlässt, stehen die Chancen ganz gut.

Apotheker schaffen es nicht

Wie schon in der letzten wird in der aktuellen Legislaturperiode erneut kein*e Apotheker*in im Bundestag sitzen. Angetreten sind mehrere: Stefanie Rohdenburg für die Grünen in Bayern, Armin Noeske und Sonja von Campenhausen für die CDU in Mecklenburg-Vorpommern (sie hatte bereits 2024 für einen Sitz im Europaparlament kandidiert), Frank Germeshausen für die CDU in Niedersachsen, Christopher Hauß für die CDU in Rheinland-Pfalz und Nikolas Seger für die CDU im Saarland. Den Sprung in den Bundestag hat allerdings keiner geschafft. Sie fanden sich ausnahmslos auf wenig aussichtsreichen Listenplätzen.