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Arzneimittel und Therapie
Spritzen mit Leck
Qual der Wahl zwischen Über- und Unterdosierung bei Undichtigkeiten
Bei einer ganzen Reihe von GSK-Impfstoffen (Boostrix®, Boostrix® Polio, Encepur® Erwachsene, Encepur® Kinder, Engerix®-B Erwachsene, Engerix®-B Kinder, Fendrix®, Havrix® 1440, Havrix® 720 Kinder, Infanrix®, Infanrix® IPV+Hib, Infanrix® hexa, Tetanol® pur, Twinrix® Erwachsene und Twinrix® Kinder) sind die Spritzen mit einem Keramik-beschichteten Konus an der Verbindungsstelle von Spritzen-Konus und Nadel-Ansatzpunkt bestückt. Und genau an dieser Stelle kann bei der Impfstoffvorbereitung oder der Injektion Impfstoff austreten. Die Volumenverluste können laut Hersteller zwischen 10 und 50 μl betragen. Seit 2015 gingen bei der Arzneimittelkommission der Apotheker 73 Meldungen zu diesem Problem ein – teilweise wurden hier auch größere Volumenverluste berichtet.
Kein Rückruf geplant
Trotz der fehlerhaften Spritzen – und obwohl der Hersteller seit Januar 2018 verbesserte Spritzen produziert – werden bereits freigegebene Chargen weiterhin im Handel sein. GSK begründet das mit dem langwierigen Herstellungsprozess, der keine rasche Neuproduktion von Impfstoff erlaube. Und auch das Paul-Ehrlich-Institut möchte in Anbetracht der im Vergleich zur Gesamtzahl an freigegebenen Spritzen relativ geringen Anzahl undichter Spritzen einen umfangreichen Rückrufprozess und damit verbundene Lieferengpässe lieber nicht riskieren. Wie häufig die Undichtigkeiten tatsächlich auftreten, ist allerdings schwer zu sagen. Den eingegangenen Berichten zufolge sind zwischen zwei bis zehn Spritzen pro 100.000 Dosen betroffen.
Lieber mehr oder weniger?
Doch was ist zu tun, wenn Impfstoff austritt? Hierzu wird folgendes Vorgehen empfohlen:
- Tritt die Undichtigkeit bereits während der Rekonstitution von lyophilisierten Impfstoffen auf, soll die Spritze verworfen werden.
- Tritt beim Verabreichen Impfstoff aus, gibt es zwei Möglichkeiten: noch einmal impfen oder nicht.
Die Entscheidung für oder gegen eine Wiederholung der Impfung hängt dabei von den Nutzen und Risiken ab. Bei erneuter, vollständiger Verabreichung des Impfstoffes besteht zwar ein erhöhter Schutz, aber auch ein potenziell höheres Risiko von Nebenwirkungen. Wird nicht noch einmal geimpft, riskiert man womöglich eine unzureichende Immunisierung. Keine leichte Entscheidung. Doch wissenschaftliche Daten, die die Risikoabwägung erleichtern könnten, sind rar. Nur für die beiden Hepatitis-Impfstoffe Havrix® (Hepatitis A) und Engerix® (Hepatitis B) liegen laut Hersteller aussagekräftige Daten zur Verabreichung geringerer Antigendosen vor: So scheint selbst bei Verabreichung der Hälfte der notwendigen Antigendosis die Seroprotektion oder Seropositivität noch gewährleistet zu sein. Dass der Volumenverlust durch die Undichtigkeit jedoch so groß ist, ist eher unwahrscheinlich. Auch für den Impfstoff Twinrix®, der sowohl Hepatitis-A- als auch -B-Antigene enthält, wird eine ähnliche Schutzwirkung erwartet, da die Immunantwort derjenigen nach Impfung mit den monovalenten Impfstoffen entspreche.
Um die Sicherheit der Impfstoffe kontinuierlich zu überwachen, sind Angehörige der Gesundheitsberufe aufgerufen, Reklamationen zur Produktqualität, Medikationsfehler und den Verdacht auf mögliche Nebenwirkungen an GSK, das Paul-Ehrlich-Institut oder die Arzneimittelkommission zu melden. Betroffene Impfstoffdosen sollen vom Arzt über die Apotheke retourniert werden. Kostenfreier Ersatz werde dann umgehend zur Verfügung gestellt, so GlaxoSmithKline. |
Quelle
Informationsschreiben zu undichten Spritzen bei einigen GSK-Impfstoffen vom 3. April 2018, www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit-vigilanz/archiv-sicherheitsinformationen/2018/ablage2018/2018-04-04-schreiben-gsk-impfstoffe.html
GSK-Impfstoffe sind nicht ganz dicht. www.daz-online.de, 4. April 2017
Warum weltweit vereinzelt undichte Impfspritzen auf dem Markt sind. www.daz-online.de, 23. April 2017
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