Medizinalhanf-Diskussionsrunde

Gibt es einen Glaubenskrieg in der Cannabistherapie?

Berlin - 05.02.2019, 16:15 Uhr

So wie es beim Medizinalhanf läuft, ist es nicht optimal, finden Apotheker, Ärzte und die Kassen. Was sich ändern soll, darüber haben die Interessengruppen unterschiedliche Vorstellungen. (m / Foto: imago)

So wie es beim Medizinalhanf läuft, ist es nicht optimal, finden Apotheker, Ärzte und die Kassen. Was sich ändern soll, darüber haben die Interessengruppen unterschiedliche Vorstellungen. (m / Foto: imago)


Beim sogenannten Cannabisgesetz muss nachgebessert werden. Darüber waren sich Vertreter der Pharmazie, Medizin und der Kostenträger auf einer interdisziplinären Veranstaltung am vergangenen Freitag einig. Außerdem war die Mehrheit der Referenten davon überzeugt, dass die Verordnung von Cannabisblüten mit einem hohen Missbrauchspotenzial verbunden sei, im Gegensatz zu standardisierten Fertigarzneimitteln. Belege oder Zahlen gebe es dazu allerdings nicht.

Cannabis als Medizin polarisiert die Fachwelt. Erik Bodendiek von der Bundes-ärztekammer sprach in einem Vortrag am vergangenen Freitag sogar von einem „Glaubenskrieg“. Den Begriffsteil „Glauben“ habe er deshalb gewählt, weil seiner Meinung nach bei der Cannabismedizin eher die Eminenz als die Evidenz dominiere.

Auf der interdisziplinären Veranstaltung „Cannabis als Medizin – Gefahren des Missbrauchs?“ übte der Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sucht und Drogen heftige Kritik an der derzeitigen Regelung zur Medizinalhanf-Verschreibung. Vor Ort in Berlin waren außerdem Dr. Andreas Kiefer (Bundesapothekerkammer), Dr. Detlev Parow (DAK-Gesundheit), Dr. Axel Meeßen (MDK Berlin-Brandenburg) und Professor Joachim Nadstawek. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Institut für Gesundheitssystementwicklung und dem Berufsverband der Ärzte, Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD). Finanzielle Unterstützung gab es seitens des Extraktherstellers Tilray sowie von Bionorica Ethics, die die Rezeptursubstanz Dronabinol vertreiben.

Druck auf die Ärzteschaft

Bodendiek monierte, dass der Gesetzgeber den Cannabisblüten durch Aufnahme ins SGB V einen Medikamentenstatus verliehen habe, ohne dass diese eine Arzneimittelzulassung durchlaufen hätten. Und die vorhandene Evidenz sei von schlechter Qualität. Des Weiteren vermisse die Bundesärztekammer eine Indikationsliste.

Medizinalcannabis

Cannabis auf Rezept

Medizinalcannabis

Der dritte Kritikpunkt bestehe darin, dass auf dem verordnenden Arzt ein zu großer Druck laste. Denn in den meisten Fällen ginge die Initiative für eine Cannabis-therapie von Patienten aus, die bereits Konsumerfahrung hätten. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Grenzen zur „Selbstmedikation“ oft fließend sind. Dies liegt unter anderem daran, dass das Cannabisgesetz erst vor knapp zwei Jahren in Kraft trat, die Ablehnungsquote zu Beginn besonders hoch war und viele Chroniker auf „alternative Bezugsquellen“ ausgewichen waren.

Steigende Verordnungen als Zeichen für Missbrauch?

Doch inzwischen ist offenbar eine Art Lernkurve eingetreten. Die Genehmigungs-quote hat sich kassenübergreifend auf immerhin zwei Drittel stabilisiert und die Zahl der Cannabisrezepte steigt. Der wachsende Bedarf ist für BAK-Präsident Kiefer ein Anzeichen für das Missbrauchspotenzial, insbesondere bei dem hohen Blütenanteil: Laut aktuellen GKV-Verordnungszahlen wurden von Januar bis September 2018 rund 128.000 Cannabisverordnungen auf Kassenrezept ausgestellt, davon entfallen 42.428 Verordnungen auf unverarbeitete Cannabisblüten und 43.087 auf die heterogene Gruppe der „Cannabishaltigen Zubereitungen“.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Med. Anwendungen umfassend dargestellt

von M.Thole am 06.02.2019 um 18:22 Uhr

Zu beachten ist, daß auch dort wo vordergründig nur THC angegeben ist, noch weitere Inhaltsstoffe aus der jeweils farbig angedeuteten Gruppe wichtig sind
https://s3.amazonaws.com/leafly/content/cannabinoids-101-what-makes-cannabis-medicine/0kDQdUNqR0GCXCMdfgbs_leafly-cannabinoid-wheel-large.jpg
Rot: hochwachsende Sativa. Violett/magenta: buschig wachsende Indica. Grün Hybride (Kreuzungen v. Sativa u. Indica)
Hinzu kommen mindestens noch Terpene, welche die Wirkung von reinem THC in Verschiedene Richtungen ziehen können.
http://30c1be84fhhqj3xa1lmshckme.wpengine.netdna-cdn.com/wp-content/uploads/2016/02/jXSS0pS1Sw2p2eq176GL_Leafly-Cannabis-Terpene-Wheel-Infographic.png

Und wenn man das ignoriert bzw. nicht erfassen kann oder nicht will, dann behauptet man ganz einfach merkbefreit fehlende Evidenz

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Ferngesteuerte

von M.Thole am 06.02.2019 um 18:07 Uhr

mit Verhaltensweisen/Anzeichen von Schizophrenie nach Emrich.
>Seit 1992 leitete Emrich die Psychiatrie an der MHH und machte sich in der Wissenschaftswelt unter anderem einen Namen als Experte für Synästesie (die Fähigkeit, beispielsweise Zahlen als Farben wahrzunehmen) und Schizophrenie. „Bei Schizophrenen ist die räumliche Wahrnehmung gestört“, erklärt er und zeigt eine bemalte Hohlmaske, die Schizophreniepatienten im Gegensatz zu Gesunden nicht als Hohlkörper sehen können. „Sie haben eine andere Wahrnehmungsarchitektur im Gehirn. Dadurch nehmen sie mehr Details wahr und sind im Alltag leicht überfordert, weil sie die Wirklichkeit nicht glätten können.“<
Quelle: http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Der-Menschen-er-forscher

Wer ein Objekt bzw. Sachverhalt nur aus einer einzigen, meist bedrohlich empfundenen, Frontalperspektive erfassen u./.o. darstellen kann, kann als schizophren bezeichnet werden.

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Merkbefreite

von M.Thole am 06.02.2019 um 16:59 Uhr

>Bodendiek monierte, dass der Gesetzgeber den Cannabisblüten durch Aufnahme ins SGB V einen Medikamentenstatus verliehen habe, ohne dass diese eine Arzneimittelzulassung durchlaufen hätten. Und die vorhandene Evidenz sei von schlechter Qualität. Des Weiteren vermisse die Bundesärztekammer eine Indikationsliste.
Der dritte Kritikpunkt bestehe darin, dass auf dem verordnenden Arzt ein zu großer Druck laste.<
Die Dummstellerei ist ja unerträglich..

Fehlende Indikationsliste könnte evtl. zum selber Denken anregen. Diese Fähigkeit scheint aber bei Herrn Bodendiek u.a. überhaupt nicht vorhanden zu sein !

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AW: Merkbefreite

von Gerhard Formetoknow am 06.02.2019 um 17:31 Uhr

Was es gibt keine Evidenz?
Also entweder dir WHO gibt Empfehlungen an die UN ohne evidenz raus, oder jemand redet schon wieder groben Unfug.
Die erste nachgewiesene medizinische Nutzung war 2700 v.Ch.
Das einzige was nie eine wissenschaftliche oder moralische Grundlage hatte, war die Prohibitionspolitik.
Glaubt jemand allen ernstes, dass es die Pflanze jemals zurück in die Medizin geschafft hätte, wenn "keine positive medizinische Wirkung evident wäre"? Trotz aller Bemühungen sie in der Versenkung verschwinden zu lassen? Das klingt sehr naiv.

Really?

von Gerhard Formetoknow am 06.02.2019 um 15:48 Uhr

Wie wäre es, wenn diese Kritiker einmal in ihrem Leben das Ideologische Brett vor dem Hirn entfernen und ausnahmsweise ihre Hausaufgaben machen?

https://www.who.int/medicines/access/controlled-substances/ecdd_40_meeting/en/

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Really

von nibo am 06.02.2019 um 17:07 Uhr

Sollte weiter mit dazu gegeben werden, dass Ideologen nicht von ihrer Aussage lassen wollen. Und "Glaubenskrieg" noch viel zu wenig Ernst genommen wird. Zusammen genommen mit der Prohibition ergibt das die unheilige Allianz des "war on drugs".

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