Rechtsprechung aktuell

Arzneimittelrecht: Arzneimittelherstellung durch den Arzt bedarf der Erlaubnis

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (DAZ 1997, Nr. 44, S. 3990) hat nunmehr auch der 4. Strafsenat des Bayerischen Oberlandesgerichts festgestellt, daß einem Arzt die Herstellung von Arzneimitteln ohne Herstellungserlaubnis nur dann gestattet ist, wenn er das Arzneimittel selbst am Patienten anwendet. Anderenfalls bleibt die Herstellung erlaubnispflichtig. (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 29. April 1998, Az: 4 St RR 12/98)

Während sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vorwiegend mit der Frage zu befassen hatte, ob die Abgabe zur Anwendung durch einen anderen Arzt der Herstellungspflicht unterfällt, lag der Schwerpunkt des vom 4. Strafsenat nunmehr zu entscheidenden Verfahrens in der Beantwortung der Frage, ob die Überlassung des Arzneimittels an den Patienten zur Selbstanwendung den Herstellungsvorgang erlaubnispflichtig macht. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Angeklagt war ein niedergelassener Allgemeinarzt, welcher bevorzugt Naturheilmethoden, darunter auch selbst hergestellte Präparate aus Blut und/oder Urin seiner Patienten, zur Behandlung anwendete. Zur Behandlung von Neurodermitispatienten bereitete er, ohne im Besitz einer Herstellungserlaubnis zu sein, die Grundstoffe in einem hauseigenen Labor in verschiedenen Arbeitsschritten zu. Die hergestellten Präparate wurden den jeweiligen Patienten teilweise oral oder durch Subkutaninjektion in der Praxis eingegeben; teilweise wurden sie auch zur Eigeneinnahme und/oder Eigeninjektion mit entsprechenden Weisungen nach Hause mitgegeben. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung war nach den Ermittlungen des Gerichts ausgeschlossen. "Wechsel in der Verfügungsgewalt" Nach Auffassung des Gerichts hätte der Arzt für die Herstellung seiner Zubereitungen einer Herstellungserlaubnis gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 AMG bedurft, weil er die von ihm hergestellten Arzneimittel teilweise an seine Patienten ausgehändigt hat. Folglich habe er den Straftatbestand der § 96 Nr. 4 AMG erfüllt, wonach mit Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe bestraft wird, wer unter anderem Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG ohne Erlaubnis herstellt. Erforderlich ist eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 AMG für denjenigen, welcher Arzneimittel gewerbs- oder berufsmäßig zum Zwecke der Abgabe an andere herstellen will, wobei eine "Abgabe an andere" dann vorliegt, wenn die Person, die das Arzneimittel herstellt, eine andere ist, als die, die es anwendet (§ 13 Abs. 1 AMG). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach gefestigter Rechtsprechung danach, ob hinsichtlich des Arzneimittels ein Wechsel in der Verfügungsgewalt eingetreten ist, weil dadurch der Begriff "Abgabe an andere" gekennzeichnet sei. Selbst im Hinblick auf das ärztliche Dispensierrecht sah der erkennende Senat keine Veranlassung, von dieser Bewertung abzurücken. Dies folge schon aus dem Begriff der Anwendung eines Arzneimittels. "Anwenden" sei nämlich so zu verstehen, daß der Arzt selbst das betreffende Heilverfahren am Patienten anwende. Beim häuslichen Gebrauch hingegen wende nicht etwa der Arzt, sondern der Patient die Arzneimittel an. Es liefe dem Sprachgebrauch zuwider, hier von einer Anwendung durch den behandelnden Arzt zu sprechen, obwohl dieser lediglich die Modalität der Behandlung, also die Therapie festgelegt hat und verantwortet, während es ausschließlich an dem Patienten liege, ob und wie genau er den ärztlichen Angaben folge. Die Verfügungsgewalt liege in diesem Fall ausschließlich bei dem Patienten, so daß dieser zum Anwender werde.

Abgabe an andere Selbst bei einer historischen, systematischen und theologischen Interpretation des § 13 Abs. 1 AMG werde ein solches sprachliches Verständnis nicht in Frage gestellt. Aus der Begründung des Arzneimittelgesetzes vom 16. Mai 1961 gehe hervor (seinerzeit §12 AMG), daß die Abgabe der von einem Arzt hergestellten Arzneimittel an eine von ihm behandelte Person zur späteren Anwendung durch diese selbst als Abgabe an andere angesehen wurde. Durch § 13 Abs. 1 AMG sollte nunmehr klargestellt werden, daß bei Auseinanderfallen von Hersteller und Anwender eine Abgabe an andere vorliege; der Begriff des Anwenders sei vom Gesetzgeber vorausgesetzt und nicht in einem neuen, weiteren Sinn definiert worden. Zusätzlich weist der erkennende Senat auf die tierärztlichen Sondervorschriften für die Herstellung von Tierarzneimitteln hin, welcher es nicht bedurft hätte, wenn die Anwendung der Arzneimittel durch den Tierhalter dem behandelnden Tierarzt zuzurechnen wäre. Das Ergebnis entspreche auch dem Zwecke des Gesetzes, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen. Entscheidend sei daher, daß der zuständigen Behörde im Rahmen des auf die Erteilung der Erlaubnis ausgerichteten Verfahrens die Prüfung ermöglicht werden solle, ob von den hergestellten Medikamenten Gefahren für die Patienten ausgehen können. Außerdem sollten Patienten vor der Anwendung unwirksamer Arzneimittel geschützt werden.

Kein Verstoß gegen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vermochte der Senat in der Berufsausübungsregelung des § 13 AMG nicht zu erkennen. Die Erlaubnisbedürftigkeit diene der bereits genannten Zielsetzung des Arzneimittelgesetzes. An dieser seien die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen orientiert, die der Hersteller aufweisen müsse, um einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Erlaubnis zu haben. Die daraus resultierende unterschiedliche Behandlung von Ärzten, die selbst verabreichen und solchen, die die Medikamente mit nach Hause geben, habe ihre innere Berechtigung, denn durch den Wechsel in der Verfügungsgewalt sei dem behandelnden Arzt jedwede unmittelbare Einflußnahme auf das Arzneimittel selbst und auch hinsichtlich des Verkehrs mit diesem verwehrt. Der Arzt hätte die Möglichkeit gehabt, die persönlich und sachlichen Voraussetzungen für die Herstellungserlaubnis zu erfüllen oder aber das Arzneimittel durch ein eigenes mit Herstellungserlaubnis versehenes Labor herstellen zu lassen. Rechtsanwalt Dr. Valentin Saalfrank, Hürth (Rheinland)

Den hier zusammengefaßten Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts finden Sie im Wortlaut unter der Rubrik :Aktuelle Entscheidungen rund um die Apotheke

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