Geschwistervergleich ergibt kein erhöhtes Risiko für Autismus und ADHS

Schwangerschaft: Freispruch für Paracetamol?

17.04.2024, 17:49 Uhr

Auch Schwangere benötigen gelegentlich Schmerzmittel. Ob Paracetamol unbedenklich ist, wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Schwedische Forscher geben nun Entwarnung. (Foto: AdobeStock/New Africa)

Auch Schwangere benötigen gelegentlich Schmerzmittel. Ob Paracetamol unbedenklich ist, wird seit einiger Zeit kontrovers diskutiert. Schwedische Forscher geben nun Entwarnung. (Foto: AdobeStock/New Africa)


Paracetamol galt lange Zeit als unbedenkliches Schmerzmittel für Schwangere. In den letzten Jahren kamen jedoch einige Studien zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft zu einem erhöhten Risiko für das ungeborene Kind führe, später an Autismus oder ADHS zu erkranken. Eine schwedische Kohortenstudie führt nun einen Geschwistervergleich durch – und die Autoren geben Entwarnung.

Die Autoren der Kohortenstudie rund um Viktor H. Ahlqvist vom Karolinska Institut Stockholm werteten Daten von 2.480.797 in Schweden geborenen Kindern der Geburtsjahrgänge 1995 bis 2019 aus. Die Mütter von 185.909 dieser Kinder (7,49%) nahmen während der Schwangerschaft Paracetamol ein. Bis zum Alter von zehn Jahren hatten die Kinder ein marginal erhöhtes Risiko, an Autismus oder am Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) zu erkranken, oder an einer geistigen Behinderung zu leiden 
(Autismus: Risikodifferenz [RD] = 0,09%, 95%-Konfidenzintervall [KI] = -0,01% bis 0,20%; ADHS: RD = 0,21%, KI = 0,08% bis 0,34%; 
geistige Behinderung: RD = 0,04 %, KI = -0,04% bis 0,12%).

Kein Unterschied bei Geschwisterpaaren

Anders sah das Ergebnis aus, als nur die Daten von 1.773.747 Geschwisterpaaren ausgewertet wurden: hier gab es keine Evidenz, dass die Paracetamol-Exposition des ungeborenen Kindes das Risiko für ein späteres Auftreten der untersuchten Erkrankungen erhöht (Autismus: RD = 0,02%, KI -0,14% bis 0,18%; 
ADHS: RD = -0,02%, KI = -0,21% bis 0,15%; 
geistige Behinderung: RD = 0%, KI -0,1% bis 0,13%) [1].

Genetische Faktoren und Umwelteinflüsse in früheren Studien nicht einbezogen

Die Autoren geben Entwarnung für die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft. Sie postulieren, dass der in früheren Studien gefundene Zusammenhang von einer Paracetamol-Einnahme mit dem Auftreten von Autismus und ADHS durch nicht berücksichtigte Störfaktoren vorgetäuscht wurde. Der Einfluss von genetischen Faktoren oder Umwelteinflüssen sei auf Geschwisterpaare jeweils gleich, die Auswertung der Daten also weniger störanfällig. Die Einschätzung der schwedischen Forscher wird durch die Tatsache untermauert, dass in der Geschwisteranalyse auch keine Korrelation zwischen der Häufigkeit und Dosis der Paracetamol-Einnahme und dem Auftreten der untersuchten Erkrankungen gefunden wurde.

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Die Studienergebnisse stützen damit die Einschätzung der Experten des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité (embryotox.de), die die Warnungen vor Paracetamol von Beginn an kritisch hinterfragt hatten und es nach wie vor als Mittel der ersten Wahl sehen, wenn während einer Schwangerschaft ein Schmerzmittel benötigt wird [2].

[1]          Ahlqvist VH et al. Acetaminophen Use During Pregnancy and Children's Risk of Autism, ADHD, and Intellectual Disability. JAMA 2024;331(14):1205-1214. doi: 10.1001/jama.2024.3172

[2]          Embryotox. Paracetamol. Stand 17. April 2024. www.embryotox.de/arzneimittel/details/ansicht/medikament/paracetamol

 


Dr. Sabine Werner, Apothekerin und Redakteurin
readktion@daz.online


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