Einkaufvorteile für Apotheken sollen erhalten bleiben

BMG will Hilfstaxe stärken

Berlin - 22.03.2024, 14:45 Uhr

Stefan Fink (DAV), Christiane Müller (VZA) und Thomas Müller (BMG) bei einer Diskussionsrunde der AG Biosimilars. (Screenshot: Youtube/ProBiosimilars) )

Stefan Fink (DAV), Christiane Müller (VZA) und Thomas Müller (BMG) bei einer Diskussionsrunde der AG Biosimilars. (Screenshot: Youtube/ProBiosimilars) )


Im Sommer 2023 sorgte ein „Monitor“-Bericht über „gigantische“ Gewinnmargen von Zyto-Apotheken für Aufsehen. In der Folge gab es im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Gespräche zur Zytostatika-Versorgung und mögliche Konsequenzen. Wie BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller jetzt ankündigte, sollen die hier gewonnenen Erkenntnisse in die anstehende Apothekenreform einfließen. Konkret soll die Hilfstaxe gestärkt werden und Einkaufsvorteile der Apotheken erhalten bleiben.

Die Apothekerschaft wartet dieser Tage mit nicht allzu viel Zuversicht auf den Referentenentwurf für die Apothekenstruktur- und -honorarreform. Thomas Müller, Leiter der Abteilung für Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im Bundesgesundheitsministerium (BMG), geht davon aus, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird. 

Bei einem Symposium der AG Pro Biosimilars an diesem Donnerstag sagte er, dass die Apothekenreform nach der Krankenhausreform das nächste Gesetz sei, das in die Anhörung gehe. Damit dürfte er die Verbändeanhörung im BMG gemeint haben, die ein Referentenentwurf durchläuft, ehe er ins Kabinett geht. „Ich weiß nicht genau, wann sie kommt, ich vermute mal in den nächsten vier Wochen“, sagte Müller. Wenn Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Gesetz wie angekündigt tatsächlich am 24. April ins Kabinett bringen will, wird es auf jeden Fall langsam knapp.

Müller zufolge wird dieses Gesetz auch den Zytostatikamarkt anfassen. Eigentlich ging es auf dem Symposium um den jüngst in Kraft getretenen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Austausch von Biololgika in Apotheken. Diese Substitution wird im Kleinen beginnen – nämlich mit parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten. In der Diskussion um die mit der neuen Regelung verknüpften Erwartungen und Befürchtungen sprach man natürlich auch über Wettbewerb und zog den Bogen weiter. 

Wie viel Wettbewerb darf es sein?

Wie groß darf der Preisdruck auf biotechnologisch hergestellte Arzneimittel sein? Anders als im Generikamarkt gibt es hier nur eine überschaubare Zahl von Anbietern. Die Industrie sieht keinerlei Notwendigkeit für die Substitutionsregelung – auch wenn sie zunächst nur sehr wenige Biologika betrifft, eine Ausweitung ist durchaus im Gesetz angelegt. Vor allem nicht, wenn sie auch noch mit (bislang nicht existierenden) Rabattverträgen auf Landesebene verknüpft werden sollen (§ 130a Abs. 8c SGB V). Branchenvertreter verweisen auf die schon jetzt hohe Marktdurchdringung und Abschläge in der Hilfstaxe.

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Doch Müller zeigte sich überzeugt, dass die Entscheidung richtig war – auch, dass man es jetzt behutsam angehe. Allein, dass die Marktanteile von Biosimilars schon jetzt hoch seien, zeige nicht, dass die Sparpotenziale ausgereizt und der Wettbewerb ausgeschöpft seien. „Nicht nur den Krankenkassen geht es schlecht, auch dem Staat geht es wirtschaftlich nicht gut“, betonte Müller. Und da Lauterbach versprochen habe, keine Leistungen einzuschränken, müsse man eben weitere Potenziale nutzen.

Im Wettbewerb gibt es auch Verlierer

Dieser gewollte Preiswettbewerb bedeute aber auch, dass am Ende einer verliert, räumte Müller ein. Er betonte in diesem Zusammenhang, dass es nicht allein der Preiswettbewerb sei, der zu Lieferengpässen führe. Diese Annahme sei „zu kurz gesprungen“, es spielten auch globale Gründe mit.

Evolution der Hilfstaxe

Als Gesetzgeber müsse man überdies akzeptieren, dass der Preiswettbewerb auch über die Hilfstaxe stattfinden muss. Dies ist nicht zuletzt eine Erkenntnis aus den Gesprächen, die Müller Ende vergangenen Jahres im BMG unter anderem mit Vertretern der Zyto-Apotheken führte – nachdem ein Monitor-Bericht über „etwas unverhältnismäßige Einkaufspreise“ von Zyto-Apotheken die Branche in Aufruhr versetzt hatte. 

In der Folge habe das BMG sich für eine „Evolution“ entschieden: Es sollen nicht einfach alle Einkaufsrabatte für Apotheken gestrichen werden. Vielmehr solle die Hilfstaxe gestärkt werden. Ausschreibungen auf Ebene der zubereitenden Apotheken, wie es sie in der Vergangenheit schon mal gab, schloss Müller hingegen aus. Die Hilfstaxe werde damit das wesentliche Instrument in dem Bereich bleiben. Aber dabei müsse darauf geachtet werden, dass über die Hilfstaxe der Preiswettbewerb funktioniert. Die gesetzlichen Regelungen hierfür sollen in das Apothekenreform-Gesetz gesteckt werden.

Strukturen sichern

Stefan Fink, der den Deutschen Apothekerverband (DAV) auf dem Podium vertrat, hatte zuvor übrigens erklärt, er sei „absolut dafür die Rabatte aufseiten der Apotheke abzuschaffen“ – vorausgesetzt, dass Arbeit und Aufwand über den Arbeitspreis so honoriert wird, dass die bestehenden Strukturen gesichert bleiben. Laut Fink sind von den einst rund 300 herstellenden Apotheken mittlerweile nur noch knapp 250 übrig – sie übernehmen die regionale Versorgung und müssen kurze Wege sicherstellen und dürften daher nicht gefährdet werden. Zudem müsse klar sein: Die pharmazeutischen Unternehmen könnten nicht doppelt rabattiert werden – von Apotheken und Kassen. Doch die Kassenseite tut sich bei den Arbeitspreisen schwer.

Zweifel an „8c-Rabattverträgen"

Auch diese Variante hatte man im BMG diskutiert. Doch laut Müller sprach am Ende mehr für die Hilfstaxe. „Die Einkaufsanreize für die Herstellbetriebe (Anm. der Red.: gemeint sind herstellende Apotheken) sind wichtig im Markt“, sagte er. Man könne im Bereich der in der Herstellung verwendeten Arzneimittel nicht wie bei Generika auf einen pauschalen Rabattvertrag verlagern; diese Apotheken bräuchten einen Vorrat und Stabilität und könnten nicht von einem Tag auf den anderen das Produkt wechseln. Das BMG glaubt also an die Rabatte der Hilfstaxe – er hat eher Zweifel, dass die Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 aufleben werden.

Biologika-Substitution: Noch einige Fragen offen

Was nun die Biosimilar-Substitution betrifft, machte die Diskussion deutlich, dass noch einige offene Fragen zu klären sind und die betroffenen Apotheken bis zum 1. Juni ohne rechtlich sichere Zwischenlösung leben müssen. Über die Grundsystematik bei fünf Wirkstoffen habe man sich zwar verständigt, erklärten sowohl Fink als auch Christiane Müller, Geschäftsführerin des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), der den DAV in den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband unterstützt. Die technische Umsetzung ist also geklärt und ab 1. Juni 2024 soll die Lauertaxe bereit sein. Aber noch sind nicht alle Preise mit der Kassenseite geeint – und die sind für Apotheken natürlich elementar. 

VZA setzt auf Einigung ohne Schiedsstelle

Christiane Müller verwies auch auf weitere offene Details, die mit den Preisen im Zusammenhang stehen. Die große Frage ist: Wann ist ein Arzneimittel „preisgünstig“ im Sinne der Arzneimittel-Richtline? Der G-BA führt dies nicht weiter aus. Jedenfalls muss es nicht das preisgünstigste sein, meint man bei VZA. Zudem gehe es um die Absicherung der Apotheken: „Wir können einen für die Krankenkassen günstigeren Preis vereinbaren, wenn die Apotheke eine Fallback-Lösung hat für den Fall, dass der Wirkstoff zu diesem günstigen Preis nicht verfügbar ist“, erläuterte die VZA-Geschäftsführerin. Sie zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass die Verhandlungspartner sich einig werden und diesmal die Schiedsstelle nicht angerufen werden muss.

Laut Christiane Müller werden sich die Beteiligten ab dem 1. Juni auf jeden Fall „in eine neue Welt begeben“. Dann wird es wohl einen festen Milligramm-Preis über sämtliche biosimilaren Arzneimittel desselben Wirkstoffes geben – inklusive Original. Über Preisabfragen wird man dann weitere Veränderungen im Markt zeitnah aktuelle Preise erheben und in diesen Hilfstaxen-Preisen wieder abbilden. Es werde also Preiswettbewerb geben, aber hoffentlich, ohne einen solchen Kellertreppeneffekt in Gang zu setzen, wie wir ihn aus dem Generikabereich kennen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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