Wissen am HV! Gut beraten

Strategien gegen Stress

15.08.2023, 13:27 Uhr

Anhaltender Stress kann auf Dauer zu schwerwiegenderen Erkrankungen führen. (Foto: nenetus / AdobeStock)
HV Theme badge

Anhaltender Stress kann auf Dauer zu schwerwiegenderen Erkrankungen führen. (Foto: nenetus / AdobeStock)


Ständig erreichbar sein, parallel Familie und Beruf wuppen – für viele Menschen ist dies der Normalzustand. Galt Stress früher einmal als „Managerkrankheit“, findet er sich heute quer durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Entsprechend wird Stress ein immer wichtigeres Beratungsthema in der Apotheke. Denn gesund sind andauernder Leistungsdruck und Hektik natürlich nicht. Welche Präparate kann man empfehlen und welche Tipps gestressten Kunden darüber hinaus geben?

Eine Stressreaktion ist ein natürlicher Vorgang des Körpers. Sie versetzt uns in die Lage, in einer Gefahrensituation rasch reagieren zu können, z. B. zu flüchten. 

Allerdings wird Stress in unserer modernen Welt kaum noch von handfesten Gefahren ausgelöst, sondern entsteht als Folge einer permanenten Überlastung im Alltag. Leistungsdruck im Beruf, Mehrfachbelastung durch Arbeit und Familie, Termindruck sogar in der Freizeit sind Stressfaktoren, mit denen wir zu kämpfen haben. Sie alle wirken sich anders aus als akuter Stress – mit negativen Folgen für den Körper. 

Anhaltender Krisenmodus

Zu den „normalen“ Stressoren unserer modernen Gesellschaft sind in den vergangenen Jahren weltweite Krisen hinzugekommen: Corona, der Klimawandel, der Ukraine-Krieg. Sie stellen eine zusätzliche – enorme – Stressbelastung dar. 

Wie groß diese ist, lässt sich unter anderem an Zahlen aus dem „Schlaf- und Stressmonitor“ ablesen, den die Oberberg-Klinikgruppe veröffentlicht hat. Für die Publikation wurden Erwachsene Anfang 2022 nach ihrer Stressbelastung durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg gefragt. 

Beide Krisen waren zum Umfragezeitpunkt sehr präsent – und die von den Teilnehmern angegebene Stressbelastung entsprechend hoch. Mittlerweile ist Corona aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden und beim Ukraine-Krieg hat sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingestellt. 

Der Stress sollte also wieder gesunken sein. Ist er aber nicht: Eine aktuell erneut durchgeführte Umfrage der Klinikgruppe hat zutage gebracht, dass der Stress eher noch gestiegen ist. 

Aktuell gab in der Umfrage jeder Fünfte an, schlecht zu schlafen und gestresst zu sein. Die Zahl liegt noch über der aus dem Jahr 2022!

Stress ist auf Dauer Gift

Was macht Stress mit dem Körper? Während bei akuten Stressreaktionen Adrenalin die Hauptrolle spielt, das Blutdruck, Puls, Atemfrequenz und Blutzucker nur kurzfristig steigert, wird bei anhaltendem Stress vor allem Cortisol freigesetzt. Es erhöht Blutdruck und Blutzucker über Stunden und beeinflusst den Gehirnstoffwechsel nachhaltig, sodass wir nicht mehr „abschalten“ können. 

„Wird Stress nicht abgebaut, sodass der Cortisol-Spiegel im Körper dauerhaft erhöht ist, wirkt das Hormon aus der Nebenniere wie ein Zellgift“, warnt der Endokrinologe Prof. Dr. Christoph M. Bamberger. 

Erste Folgen von Dauerstress sind innere Unruhe und Nervosität. Hinzu kommen meist Schlafstörungen, denn wer tagsüber ständig nervös ist, dem fällt es schwer, abends zur Ruhe zu kommen. Wer jedoch schlecht schläft, ist am nächsten Morgen gereizt und noch weniger in der Lage, sich den Herausforderungen des Alltags zu stellen. 

So entsteht eine Art Stresskarussell, das sich immer schneller dreht, bis der Körper irgendwann die Notbremse zieht, indem er mit Herz-Kreislauf-Krankheiten, Migräne, Magen-/Darmbeschwerden, Allergien, Infekten etc. auf die Überlastung reagiert. 

Strategien gegen den Stress

Wer im Dauerstressmodus ist, schafft es meist nur schwer, den „Kopf freizubekommen“ und sich wieder mehr um sich selbst zu kümmern. Denn dafür ist in der Regel ja „keine Zeit“. 

Ein Patentrezept zur Stressreduktion gibt es leider auch nicht, denn Stressempfinden und Stressresilienz sind individuelle Geschehen. Es gibt jedoch verschiedene mögliche Ansatzpunkte: 

  • Kurzfristige handlungsorientierte Strategien: Dazu gehören das Delegieren von Arbeit und das Setzen von Prioritäten, die Entwicklung eines Zeitmanagements oder auch die Suche nach Unterstützung im Gespräch in einer Stresssituation. 
  • Langfristige handlungsorientierte Strategien sind zum Beispiel regelmäßiger Sport, bewusste Auszeiten wie Urlaub oder ein Sabbatical, die Pflege sozialer Kontakte etc.
  • Kurzfristige kognitive Strategien: Dazu gehören Gedankenstopps, Achtsamkeitsübungen oder Selbstgespräche mit Sätzen wie „Ich bin tief entspannt und hoch konzentriert“. 
  • Langfristige kognitive Strategien sind beispielsweise die Entwicklung persönlicher Glaubenssätze, das Festhalten an Werten, die wohlwollende und kritische Betrachtung des eigenen Lebensentwurfs. 
     

„Die richtige Strategie ist die, die hilft! Und das ist in jeder Situation etwas anderes“, betont die Psychologin Bettina Carola Engemann. Sie hält es daher für wichtig, so viele Strategien wie möglich zu entwickeln, um im richtigen Moment die richtige Strategie anwenden zu können.  

Anti-Stress-Tipps

Folgende Tipps können Sie gestressten Kunden mit auf den Weg geben: 

  • Treiben Sie regelmäßig Sport zum Ausgleich. 
  • Probieren Sie Entspannungstechniken wie Yoga, autogenes Training, Meditation. Machen Sie regelmäßig Achtsamkeitsübungen. Kostenlose Angebote und Anleitungen hierfür findet man z. B. auf Youtube. 
  • Planen Sie kleine Belohnungen in Ihren Alltag ein, z. B. ein entspannendes Bad am Abend oder ein Spaziergang. 
  • Probieren Sie kreative Hobbys aus: Malen, fotografieren, gärtnern oder musizieren Sie. 
  • Pflegen Sie soziale Kontakte.  
  • Achten Sie auf eine gute Schlafhygiene. 
  • Ernähren Sie sich ausgewogen. 

Unterstützung aus der Apotheke

Hilfe bei Nervosität und vor allem bei Schlafstörungen suchen viele Betroffene in der Apotheke. Zu Recht! Zwar kann man den Stress selbst nicht medikamentös behandeln, jedoch kann man gegen die Stress-Symptome mithilfe von Arzneimitteln vorgehen. 

Sind Nervosität, Unruhe und Schlafstörungen erst einmal gebessert, haben Stress-Patienten eher „den Kopf frei“, um gezielt etwas gegen die Ursachen zu unternehmen. Die Pharmazie liefert hier sozusagen den Anstoß zu einer nachhaltigen Therapie von Stress. 

Dieser Anstoß sollte natürlich selbst keine negativen Folgen für den Körper haben. Bewährt bei Stress haben sich daher pflanzliche Arzneimittel, die sich in der Regel durch eine sehr gute Verträglichkeit auszeichnen. Pflanzen, die für die Indikation „Stress“ infrage kommen, sind vor allem Lavendel, Passionsblume und Rosenwurz. 

Mit Lavendel, Passionsblume und Rosenwurz gegen Stress

Lavendelöl kann in Form von Einreibungen Verspannungen bei Stress entgegenwirken. In Kapseln verpackt liegt ein patentiertes Lavendelöl (Silexan®) zudem in dem Fertigarzneimittel Lasea® vor (siehe auch Beitrag „Unruhig? Erschöpft? Schlaflos?“). Es wirkt Untersuchungen zufolge antikonvulsiv, angstlösend und entzündungshemmend. Seine Effekte werden einer Interaktion GABA-Rezeptoren zugeschrieben, über die es die bei Stress vorliegende Dysbalance von hemmenden und erregenden Neurotransmittern normalisieren.  

Die Passionsblume (z. B. in Lioran®) wirkt Untersuchungen zufolge ebenfalls auf GABA-Rezeptoren und soll darüber regulierend auf das Zentralnervensystem und das Schlafzentrum wirken und nervöse Unruhezustände und Schlafstörungen lindern.  

Bei Rosenwurz (z. B. in rhodioLoges®) handelt es sich um eine in arktischen Gebieten sowie in Gebirgsregionen Eurasiens und Nordamerikas heimische Sukkulente. Sie soll aufgrund ihres Verbreitungsgebiets „hart im Nehmen“ sein – was bereits impliziert, warum Rosenwurz bei Stress eingesetzt wird. Rosenwurz soll den Organismus an Stress anpassen, indem er physiologische Reaktionen normalisiert. Die Pflanze wirkt dabei als sogenanntes Adaptogen. Adaptogene sollen die Stressresistenz erhöhen und dadurch einen positiven Effekt auf Stress-induzierte Beschwerden ausüben.  

Alle drei Pflanzen werden in Form von Fertigarzneimitteln angeboten – und bieten eine Empfehlungsoption als „Hilfe zur Selbsthilfe“ bei Stress.  


Dr. Beatrice Rall, Redakteurin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen: