Recyclebar oder Bioabbaubar

Arzneimittel nachhaltig verpacken – (wie) geht das?

Stuttgart - 01.06.2023, 17:50 Uhr

Am Ende einer Arzneimitteltherapie steht jede Menge Müll. (Foto: Peter Kögler / AdobeStock)

Am Ende einer Arzneimitteltherapie steht jede Menge Müll. (Foto: Peter Kögler / AdobeStock)


Blisterverpackungen aus Aluminium, Polyvinylchlorid und Co. sind praktisch – nur leider sind sie nicht recyclebar und werden nach Ablauf ihrer Lebensdauer verbrannt. Gibt es nachhaltigere Optionen, die perspektivisch für die Verpackung von Arzneimitteln infrage kommen?

Arzneimittel sind besondere Güter, die daher auch eine besonders sorgfältige Handhabung erfordern. Dazu zählt auch die Verpackung, die vor Staub, mikrobieller Kontamination, UV-Strahlung, Sauerstoff und Feuchtigkeit schützen muss, um die Wirkstoffstabilität zu gewährleisten. Gleichzeitig soll die Verpackung nicht von Kindern, wohl aber von geriatrischen Patient:innen zu öffnen sein. Tabletten sind daher oft in Durchdrück-Blistern aus Verbundmaterialien verpackt. Aluminium, Polyvinylchlorid (PVC) und Co. sind dabei so fest miteinander verbunden, dass sie kaum noch trennbar und damit nicht recyclebar sind. Die leeren Blister werden daher nach Gebrauch verbrannt.

Ein Ansatz, Arzneimittelverpackungen nachhaltiger zu gestalten, sind aus nur einem einzigen Kunststoff bestehende Blister. Insbesondere wenn diese uneingefärbt sind, lassen sich solche Verpackungen gut recyceln. Tatsächlich sind entsprechende Verpackungen bereits auf dem Markt. Einen ausschließlich aus Polypropylen (PP) bestehenden Blister inklusive entsprechender Siegelfolie bietet unter anderem die Firma Etimex an. PP zeichnet sich durch eine geringe Wasserdampfdurchlässigkeit aus, was es zu einem geeigneten Blistermaterial macht. Ein transparentes, ausschließlich aus Polyethylenterephthalat (PET) bestehendes Pendant hat die Firma Huhtamaki entwickelt. Auch im Bereich der Tuben gibt es bereits Ansätze, diese aus einem einzigen Werkstoff herzustellen. Der Hersteller Tubex produziert beispielsweise ein Modell, das inklusive Verschluss einheitlich aus Aluminium besteht. Eine vollständig aus Polyethylen (PE) bestehende Tube produziert hingegen Neopac.

Kartoffelstärke und Pflanzenfasern

Ein weiterer Ansatz zur Reduktion von problematischem Müll sind bioabbaubare Verpackungen. Eine Alternative zu Einmal-Plastikblistern für das patientenindividuelle Verblistern von Arzneimitteln bieten Tagesdosetten und Wochenblister auf der Basis von Kartoffelstärke und Pflanzenfasern, etwa von dem Unternehmen Ecoblister, die mit einer ebenfalls bioabbaubaren Folie verschlossen werden. Vergleichbare Materialien verwenden die Firmen Paperfoam und Körber für die Herstellung von Einsätzen für Faltschachteln, mit denen beispielsweise wirkstoffhaltige Pens im Umkarton an Ort und Stelle gehalten werden.

Ein anderer für die nachhaltige Verpackung von Arzneimitteln interessanter, sowohl bioabbaubarer als auch recyclebarer Werkstoff ist Papier aus verantwortungsvoll betriebener Forstwirtschaft. Derzeit kommt Papier bereits in Form von Faltkarton und Beipackzettel bei der Sekundärverpackung zum Einsatz. Aber auch als Blistermaterial könnte Papier künftig eine Rolle spielen. Die Firmen Syntegon und Huhtamaki haben einen papierbasierten Blister entwickelt. Undurchlässig für Wasserdampf wird dieser durch eine spezielle Beschichtung. Die Recyclebarkeit soll dadurch laut Herstellerangaben nicht eingeschränkt werden.

Wirkstoffreste an der Verpackung können Probleme machen

Bei allen Lösungen, die auf Recycling oder Bioabbaubarkeit setzen, ist das Risiko zu bedenken, dass an dem Verpackungsmaterial anhaftende Wirkstoffreste in Stoffkreisläufe eingetragen werden können. Das Auswaschen der Verpackungen ist hierbei nicht zielführend, da die Wirkstoffe so in das Abwasser gelangen. Insbesondere für hochpotente Wirkstoffe oder Arzneiformen, bei denen sich die Wirkstoffbelastung der Verpackung nicht vermeiden lässt (bspw. Dermatika) könnte daher das Verbrennen der Verpackung die sicherste Option sein. Um hier dennoch an Nachhaltigkeit zuzugewinnen, könnten Biokunststoffe in Betracht gezogen werden, die aus pflanzlichen Materialien gewonnen werden. Hersteller Gerresheimer gewinnt beispielsweise aus Zuckerrohr Ethanol und setzt dieses zu PE und PET um.

In den Schubladen der Apotheken finden sich diese Lösungsansätze bis dato noch nicht. Auf Anfrage des „Packaging Journal“ 2022 gaben mehrere Pharmafirmen, wenn auch noch vage, an, nachhaltige Verpackungslösungen zu testen. Erschweren dürfte ihnen die Umstellung auf die neuen Varianten insbesondere, dass die Verpackung Bestandteil der Zulassung ist und bei einem Materialwechsel Untersuchungen, wie etwa die Stabilitätsprüfungen wiederholt werden müssen. Weiterhin dürfte bei einigen neuen Materialien noch unklar sein, inwieweit sie mit den bereits betriebenen Produktionsanlagen kompatibel sind.

Die Verpackungsindustrie hält somit durchaus einige Optionen für eine nachhaltigere Verpackung von Arzneimitteln bereit. Welche davon für welches Produkt geeignet ist, muss anhand der Eigenschaften von Material und Wirkstoff individuell ausgewählt werden. Für die Verpackung im Rahmen der Rezeptur gibt es unterdes gute Nachrichten: Die häufig verwendeten Aponorm Schraubdeckeldosen bestehen bereits jetzt aus reinem Polypropylen.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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