Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit

Sind Apothekenschließungen eine legitime Form des Protests?

30.05.2023, 16:45 Uhr

Wer am 14. Juni Notdienst hat, darf nicht schließen. (Foto:  IMAGO / Gutschalk)

Wer am 14. Juni Notdienst hat, darf nicht schließen. (Foto:  IMAGO / Gutschalk)


Die ABDA ermuntert die Apotheken, sich am 14. Juni an den Protesten gegen die jüngsten politischen Entscheidungen zu ihren Lasten zu beteiligen. Auch Apothekenschließungen sind aus ABDA-Sicht bekanntlich eine Option. Man geht dort davon aus, dass auch diese Form des Protests vom Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gedeckt ist. So sieht man es auch bei der Apothekerkammer Berlin, die in einem Newsletter über die Rechtslage informiert. 

Nachdem die ABDA den Protesttag ausgerufen hat, haben verschiedene Landesapothekerverbände ihre Mitglieder ebenfalls aufgerufen, die Apotheken an diesem Tag geschlossen zu halten. Andere setzten vornehmlich auf Demonstrationen. In Berlin soll es eine Demo im Regierungsviertel geben – aber auch Schließungen werden unterstützt. Vor allem geht es darum, Wege zu finden, die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie die Politik auf die Situation der Apotheken hinzuweisen. Auch andere Apothekenorganisationen abseits der offiziellen Standesvertretung unterstützen den Aufruf zum Protest.

Doch die angekündigten Proteste werfen eine Vielzahl Fragen auf – organisatorischer wie auch rechtlicher Art. Eine der drängenden Fragen für viele ist: Darf ich am Protesttag meine Apotheke überhaupt schließen? Die Apothekerkammer Berlin hat dazu in ihrem Newsletter vom 26. Mai einige rechtliche Hinweise gegeben. Sie weist darauf hin, dass der staatliche Versorgungsauftrag gemäß § 1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) und die Dienstbereitschaftspflicht gemäß § 23 Abs. 1 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) einer Schließung der Apotheke grundsätzlich entgegenstehen.

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Auf der ganz sicheren Seite sieht die Kammer die Apotheken hingeben bei anderen Protestaktionen, die neben dem Apothekenbetrieb laufen. „Hier sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt“, heißt es im Newsletter. Aber auch die komplette Schließung hält man hier nach rechtlicher Einschätzung als Ausübung des im Grundgesetz verankerten Demonstrationsrechts möglich. Weiter heißt es dazu: „Die interne (auch von der ABDA bestätigte) Prüfung lässt die eintägige Schließung am bundesweiten Protesttag, dem 14.6.2023 auch als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Ausübung dieses Grundrechts erscheinen. Die Kammer würde den also grundsätzlich gegebenen Verstoß unter Bezugnahme auf diese Einschätzung nach aktuellem Stand nicht sanktionieren.“

Die Kammer Berlin stellt aber auch nochmals nachdrücklich klar, dass die pharmazeutische Versorgung der Bevölkerung und damit der Notdienst gewährleistet werden muss. Die am 14.Juni für den Notdienst eingeteilten Apotheken dürfen also nicht für die Teilnahme an den Protesten schließen.

Wahrscheinlich würde keine Schließgenehmigung erteilt, aber ...

Die Kammer geht überdies auf die Frage ein, ob eine Schließgenehmigung beantragt werden muss – schließlich müssen sich Apotheken unter normalen Umständen von ihrer Dienstbereitschaft befreien lassen. „Wir als Kammer können und dürfen hierzu keine rechtsverbindliche Auskunft erteilen“, betont der Newsletter dazu. Dennoch hat die Apothekerkammer eine Einschätzung: Eine Schließgenehmigung für die Teilnahme an einer Protestaktion würde sehr wahrscheinlich nicht erteilt werden. Allerdings sei es wahrscheinlich, dass die „behördlichen Partner“ bei „entsprechender Kenntnisnahme von ungenehmigten Schließungen im Rahmen des Protesttages zur Ausübung des Demonstrationsrechts“ zu einer ähnlichen rechtlichen Einschätzung wie die Kammer kommen – und die ungenehmigte Schließung in diesem konkreten Fall nicht sanktionieren.

NRW-Amtsapotheker denken wohl über Geldstrafen nach

Damit ist die ABDA-Linie deutlich gemacht. Sie setzt auf das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit. Ob allerdings die Aufsicht in allen Regionen stillhalten wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. In Bayern sollen einem Schreiben der schwäbischen Pharmazieräte zufolge den Kolleg:innen von der Kammer keine Steine in den Weg gelegt werden. Aus NRW war hingegen zu hören, dass Amtsapotheker schon über Geldstrafen für geschlossene Apotheken nachdenken. Hier wollten Apothekenvertreter:innen vergangene Woche in einem Gespräch noch die Haltung im Landesgesundheitsministerium erkunden. Eine Antwort auf eine diesbezügliche DAZ-Anfrage beim Ministerium steht noch aus.


Kirsten Sucker-Sket
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Sind Apothekenschließungen eine legitime Form des Protests?

von Bernd Haase am 30.05.2023 um 19:02 Uhr

Grundsätzlich ist es notwendig hier Rechtsicherheit für die
Inhaber öffentlicher Apotheken zu schaffen.

Diese Rechsticherheit können nur die Gerichte als letze Instanz das Verfassungsgericht geben.

Der Dienstherr, die Apothekerkammern und - Verbände, die ABDA müssen hier unverzüglich aktiv werden um rechtliche Klarheit zu schaffen.

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