Apotheker lässt Gutachten erstellen

Lässt sich die Erhöhung des Fixums einklagen?

Stuttgart - 20.03.2023, 13:45 Uhr

Yannick Detampel, Inhaber der Holsten Apotheke, hat ein Gutachten erstellen lassen, ob sich die Erhöhung des Kassenbeitrags einklagen lässt. (Foto: privat) 

Yannick Detampel, Inhaber der Holsten Apotheke, hat ein Gutachten erstellen lassen, ob sich die Erhöhung des Kassenbeitrags einklagen lässt. (Foto: privat) 


Die Apothekerschaft fordert seit Jahren eine Anpassung des Fixums – zuletzt erfolgte diese bekanntermaßen im Jahr 2013 von dem seit 2004 geltenden Beitrag von 8,10 Euro auf 8,35 Euro. Angesichts der aktuellen Kostensteigerungen wird eine Honorarerhöhung seitens des Berufsstandes als dringlicher denn je erachtet. Ein Apotheker aus Schleswig-Holstein hat nun im Rahmen eines Gutachtens juristische Möglichkeiten prüfen lassen.

Der kürzlich veröffentlichte Forderungskatalog der ABDA fordert an allererster Stelle eine Anpassung des packungsbezogenen Fixhonorars von derzeit 8,35 Euro netto auf 12,00 Euro. Außerdem müsse, so lautet die zweite Forderung, dieses Fixum durch einen regelhaften Mechanismus jährlich an die Kostenentwicklung angepasst werden, ohne dass es gesonderter Maßnahmen des Gesetz- oder Verordnungsgebers bedürfe. Letzteres soll verhindern, dass man wieder in eine Situation gerät, wie es derzeit der Fall ist: Seit fast 20 Jahren, seit dem Jahr 2004, wurde das Fixhonorar kaum angepasst. Seit 2012, als eine Erhöhung um 25 Cent erfolge, stagniert es ganz. Neu ist die Forderung nach Erhöhung und Dynamisierung nicht, eine konkrete Ansage, was sich die ABDA vorstellt, gab es allerdings vorher nicht. Inwiefern sie damit bei der aktuellen Bundesregierung auf Gehör stößt, ist fraglich, auch wenn einzelne Gesundheitspolitiker wie Dirk Heidenblut (SPD) die Notwendigkeit der Anpassung des Fixbetrags offenbar erkannt haben.

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Einen ganz anderen Ansatz als die Appelle an die Politik hat nun Yannick Detampel, Inhaber der Holsten Apotheke in Schacht-Audorf, prüfen lassen. Der Apotheker aus dem hohen Norden – Schacht-Audorf liegt in Schleswig-Holstein zwischen Kiel und Flensburg – hat ein Kurzgutachten erstellen lassen: „Zu den juristischen Möglichkeiten einer Verpflichtung des Gesetzgebers zur Erhöhung des Fixbeitrages in § 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordnung“. Konkret möchte er wissen, ob er einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch gegen den Verordnungsgeber hat, § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung des Apothekenabgabepreises zukünftig ein höherer Fixbetrag zu erheben ist. 

Per Gericht zur Anpassung verpflichten – geht das? 

Gutachter Dr. Fiete Kalscheuer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht von der Kieler Kanzlei Brock/Müller/Ziegenbein, kommt zu dem Schluss, dass es rechtlich möglich sein dürfte, den Verordnungsgeber gerichtlich zu einer Anpassung zu verpflichten.

Dazu verweist der Anwalt unter anderem auf die Begründung zum GKV-Modernisierungsgesetz, mit dem der Fixzuschlag seinerzeit eingeführt wurde. Darin heißt es, dass der Festzuschlag „in der Regel durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, angepasst werden kann“. Und weiter: „Die Anpassung soll sich dabei an der jeweiligen Kostenentwicklung der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung richten. In der Regel soll eine Überprüfung im Abstand von zwei Jahren erfolgen, um häufige Anpassungen im geringen Cent-Bereich zu vermeiden.“

Doch die Frage ist: Ergibt sich daraus bereits ein Recht für einen einzelnen Apotheker, eine Anpassung zu verlangen? Der Verwaltungsrechtler meint, dieses könnte sich bereits aus § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG herleiten lassen: „Die Preise und Preisspannen müssen den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen (…)“. Jedenfalls aber könnte sich ein solches subjektives Recht aus dem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ergeben.

Das ganz große Aber: das 2HM-Gutachten

Allerdings gibt es in den Augen des Juristen ein ganz großes Aber: das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2018, auch bekannt als 2HM-Gutachten. Da dieses sogar eine deutliche Reduktion des Fixbetrages empfohlen habe, gebe es an dem Bestehen und insbesondere der gerichtlichen Durchsetzbarkeit eines tatsächlichen Anspruchs auf Änderung des § 3 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV mit dem Ziel einer Erhöhung des Fixbetrages Zweifel, heißt es.

Das Gutachten hatte eine Absenkung des Festzuschlags auf 5,84 Euro empfohlen, dafür aber unter anderem eine Erhöhung des prozentualen Aufschlags auf Rx-Fertigarzneimittel von 5 Prozent statt bisher 3 Prozent sowie signifikante Erhöhungen der Arbeitspreise für Standardrezepturen auf 31 bis 61 Euro und der BtM-Gebühr von 14 Euro statt bisher 4,26 Euro.

Aussicht auf Erfolg habe ein gerichtliches Vorgehen nur, wenn sich das 2HM-Gutachten mit substantiellen Argumenten gegengutachterlich infrage stellen ließe, so der Gutachter. Die ABDA hat den Aussagen des Gutachtens tatsächlich nie offiziell widersprochen. Das gebe dem zu viel Bedeutung, hieß es immer wieder. Allerdings haben andere dies getan. Zum Beispiel der ehemalige Geschäftsführer des Apothekerverbandes Nordrhein, Uwe Hüsgen, der den 2HM-Gutachtern Rechenfehler, falsche Bezugsgrößen und widersprüchliche Aussagen attestierte, sowie der Wirtschafsexperte Thomas Müller-Bohn, der das Honorargutachten mit der bisher üblicherweise bei Berechnungen zur Arzneimittelpreisverordnung verwendeten Methode nachrechnete und zu einem ganz anderen Ergebnis kam.

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Rein praktisch verweist Anwalt Kalscheuer darauf, dass ein entsprechender Anspruch zunächst mit der verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage zu verfolgen wäre. Eine Verfassungsbeschwerde komme erst nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs infrage.

Korrektur: In einer ursprünglichen Version des Artikels war die BtM-Gebühr falsch angegeben, richtig ist 4,26 Euro. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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7 Kommentare

Natürlich

von Bernd Haase am 21.03.2023 um 15:34 Uhr

Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht. Welche Organisation
auf Seiten der Rechtsanwälte klagt die Honoraranpassung
denn ein ?

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Natürlich

von Stefan Haydn am 21.03.2023 um 10:21 Uhr

Natürlich geht dies.

Ich stehe deswegen schon länger mit Herrn Detampel in Kontakt und habe von der Rechtschutzversicherung die Auskunft, daß im Anwaltsbereich gleiches läuft. Die Anpassung der Honorarordnung für Anwälte erfolgt in der Regel auch nicht automatisch, sondern oft erst auf Druck durch Klage auf Untätigkeit.
Dann geht es aber offenbar sehr schnell.
Warum sollte dies im Apothekenbereich also anders sein?

Schon alleine die Lohnsteigerungen seit 2004 und die EDV-Kosten machen jegliche Argumentation mit dem 2HM Gutachten hinfällig.
Sollte man sich herausreden wollen, müßte das Bundeswirtschaftsministerium darlegen, wie es alleine dieses Jahr mit den für alle Unternehmen enormen Kostensteigerungen zu einer Nicht-Erhöhung kam.

Zitat Anwältin Rechtschutz: "Da wird mit Sicherheit seit Jahren nicht mal der Versuch einer Überprüfung erfolgt sein"

Noch dazu wird, wie korrekt zitiert, seit Jahren die Preisbindung und deren massiver Eingriff in die bei Unternehmen übliche Weitergabe nicht zu vermeidender Kostensteigerungen ignoriert, also ein berechtigter Interessensausgleich einfach unterschlagen.

Im Bereich der Krankenhäuser werden nach Tarifverhandlungen Personalkostensteigerungen bei den Pauschalen regelmäßig berücksichtigt, da eben nicht vermeidbar und nicht umlegbar. Gleiches gilt doch auch im Apothekenbereich. Je nach Apotheke müßten also 60-90% der Personalkostensteigerungen durch eine Erhöhung im RX-Bereich abgedeckt werden. Ist ja nie der Fall gewesen.

Leicht wird es für das Bundeswirtschaftsministerium sicher nicht die jahrelange Untätigkeit vor Gericht zu begründen.

Und 2HM hat Herr Müller-Bohn ja schon in der Luft zerissen. Warum sollte ein Gericht dieser Analyse nicht folgen?

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2 HM Gutachten

von Wolfgang Steffan am 21.03.2023 um 8:25 Uhr

Dem 2 HM Gutachten von 2018 hatte die ABDA nie widersprochen, obwohl die Angreifbarkeit laut U.Hüsgen und T.Müller-Bohn ganz offensichtlich war. Also auch hier hat "unsere" ABDA geschlafen, wie beim Versandhandelsverbot
für RX-AM. Andere Länder haben es gegenüber der EU durchgesetzt. Man frägt sich, wessen Interessen die ABDA
vertritt.

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Hinweis auf Rezepturzuschläge (h2m Gutachten)

von Andreas Grünebaum am 20.03.2023 um 20:30 Uhr

Die Vorschläge, die Arbeitspreise für Standardrezepturen auf 31 bis 61 Euro zu erhöhen, wurden bekanntlich niemals umgesetzt. Die Höhe wäre so prohibitiv hoch angesetzt, dass vermutlich überhaupt keine Rezepturen mehr verordnet würden. Immerhin gibt es für fast alle "Standardrezepturen" gleich wirksame Fertigarzneimittel, welche in der Regel teurer, als die Herstellung in der Apotheke zur aktuellen Taxe für Rx sind. Dies sehen wir ganz deutlich, nachdem wir für non-Rx Rezepturen einen eigenen "Qualtitätszuschlag" erheben. Plötzlich tut es auch eine Nasensalbe Nasita, anstatt der aufwendigen Herstellung mit "Bergamotte Öl" nach Rezeptur des HNO Arztes.

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Anpassung

von Reinhard Rodiger am 20.03.2023 um 19:36 Uhr

Nach meiner Errinnerung wurde 2007 der Zwangsabschlag erhöht.Erst 2013 wurde mit einer Erhöhung ein Ausgleich gegeben, aber eigentlich nicht erhöht.

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BTM-Gebühr

von A. Stru am 20.03.2023 um 17:17 Uhr

Zwar Richtig, dass die BTM-Gebühr 2,91 zum Zeitpunkt des 2HM-Gutachtens betrug,"statt bisher" reißt dies auber ohne Zitat aus dem Zusammenhang. Da müsste man von den aktuellen 4,26€ ausgehen.

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AW: BTM-Gebühr

von DAZ-Redaktion am 20.03.2023 um 17:24 Uhr

Danke für den Hinweis!

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