Clinical Trials Information System

Neues Überwachungstool für Klinische Studien droht zu scheitern

Stuttgart - 30.11.2022, 07:00 Uhr

Könnte die Dysfunktionalität des CTIS-Portals zu einer dauerhaften Abwanderung von Medikamentenerprobungen in andere Weltregionen führen? (Foto: BPI)

Könnte die Dysfunktionalität des CTIS-Portals zu einer dauerhaften Abwanderung von Medikamentenerprobungen in andere Weltregionen führen? (Foto: BPI)


CTIS steht für Clinical Trials Information System, ein neues Informationssystem, das die Durchführung klinischer Studien künftig eigentlich für alle Beteiligten vereinfachen sollte. Doch diese sind sich nach zehn Monaten Praxiserfahrung offenbar einig: CTIS funktioniert nicht und das bedroht die Arzneimittelforschung in Europa.

Alle Forschungsvorhaben mit Humanarzneimitteln müssen ab dem 31. Januar 2023 europaweit über das elektronische Portal CTIS beantragt und genehmigt werden. Das regelt die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 für Klinische Arzneimittelprüfungen, die seit Ende Januar 2022 angewendet wird. Das erklären aktuell sieben Interessenvertreter in einer gemeinsamen Pressemitteilung:

  • Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (AKEK)
  • Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. (BAH)
  • Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute e.V. (BVMA)
  • Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
  • Deutsche Hochschulmedizin e.V.
  • KKS-Netzwerk e.V. Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien
  • Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa)

Allerdings wollen sie mit dieser Erklärung nicht einfach nur auf das neue System aufmerksam machen, vielmehr fürchten sie, dass es nicht funktionieren und scheitern wird. Sie sehen die Arzneimittelforschung in Europa dadurch bedroht. Gemeinsam warnen sie:


Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland (AKEK) und die Verbände der Antragsteller von Arzneimittelprüfungen aus der universitären Forschung und der pharmazeutischen Industrie stellen übereinstimmend fest, dass das CTIS-Portal auch nach 10 Monaten Praxis an gravierenden Mängeln leidet und für alle Beteiligten zu weiten Teilen nicht handhabbar ist.“

Aus der Pressemeldung des BPI vom 28.11.2022


Die Mängel würden eher zunehmen als abnehmen. „Damit ist die Antragstellung für klinische Prüfungen ebenso wie deren Bearbeitung durch die Ethik-Kommissionen massiv beeinträchtigt und nicht zu bewältigen“, heißt es. Es bestehe dadurch nun „die greifbare Gefahr, dass die Dysfunktionalität des CTIS-Portals zu einer womöglich dauerhaften Abwanderung von Medikamentenerprobungen in andere Weltregionen führt“. Das würde sich auch konkret auf die Patient:innen auswirken, weil sich der Zugang zu neuen Therapien verschlechtern würde.

Übergangsfrist soll verlängert werden

Der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen und die Verbände halten es jetzt für dringend erforderlich, dass die zum 31. Januar 2023 ablaufende Übergangsfrist nach Art. 98 Abs. 2 der Verordnung 536/2014 so lange verlängert wird, bis die Funktionsfähigkeit des EU-Portals CTIS tatsächlich hergestellt und nachgewiesen wurde. Sie bitten die Bundesregierung „eindringlich“, zusammen mit anderen EU-Mitgliedstaaten zeitnah eine Verlängerung herbeizuführen.

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf seiner Webseite erläutert, werden mit der Verordnung 536/2014 die Einreichungs-, Bewertungs- und Überwachungsverfahren für klinische Prüfungen in der EU über CTIS vereinheitlicht. Über eine Webseite soll auch die Öffentlichkeit künftig auf detaillierte Informationen über alle in der EU und im EWR durchgeführten klinischen Prüfungen zugreifen können, sobald die Studien im CTIS eingereicht und genehmigt wurden. 

Die EU-Mitgliedstaaten und die EWR-Staaten würden die klinischen Prüfungen im CTIS bewerten und überwachen, während die EMA das CTIS einrichtet und betreibt. Die Europäische Kommission soll die korrekte Auslegung und Umsetzung der Verordnung über klinische Prüfungen gewährleisten.


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

eu

von ratatosk am 30.11.2022 um 11:10 Uhr

Der Brexit hat leider überdeckt, wie schlecht die EU arbeitet. Wie schon seit Jahrzehnten kommt hier meist überzogener administrativer Müll. Ein freier Markt wird für kleine Unternehmen z.B durch OSS Umsatzsteuerirrsinn fast zerstört. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Handeln, aber irgendwann müssen es auch Personen gestalten und ausführen die funktionierende Dinge zustandebringen. Europa als Ganzes könnte ungleich mehr gestalten, wenn es nicht durch unfähige Konsortien abgewürgt wird. Von D brauchen wir gar nicht mehr zu reden.

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