Initiale Hypertonie-Therapie auf dem Prüfstand

Bluthochdruck sofort mit Fixkombi senken?

Stuttgart - 05.08.2022, 10:45 Uhr

Die initiale Fixkombination sollte laut AkdÄ lediglich in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. (Foto: Victor Koldunov / AdoebStock)

Die initiale Fixkombination sollte laut AkdÄ lediglich in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden. (Foto: Victor Koldunov / AdoebStock)


Es ist bekannt, dass eine Kombination aus mehreren blutdrucksenkenden Medikamenten effektiver ist, als einen einzelnen Wirkstoff bis zur maximalen Dosis zu verabreichen. Doch ist es sinnvoll, die Initialtherapie sofort mit einer Kombi zu beginnen? Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ­(AkdÄ) nimmt dazu Stellung.

Einige Leitlinien empfehlen zu Beginn der Hypertoniebehandlung gleich eine Kombination aus zwei verschiedenen Antihypertensiva – Ausnahmen gelten für Patienten mit Grad-I-Hypertonie, Alter ≥ 80 Jahre und Gebrechlichkeit. Es wird angenommen, dass eine Kombinationstherapie zu einem schnelleren Erreichen der Blutdruckziele führt – Komplikationen könnten so verringert werden. Gleichzeitig erhofft man sich durch die fixe Kombination mehrerer Arzneistoffe in einer Tablette eine Verbesserung der ­Adhärenz.

In einer retrospektiven Studie von Xu et al. (2015) wurden die Daten von mehr als 88.000 Hypertoniepatienten ausgewertet. Als Basisrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis bzw. Tod wurde ein durchschnittlicher Zeitraum von weniger als 1,44 Monaten bis zur Intensivierung der Hypertonietherapie angenommen. Wenn der Zeitraum bis zur Intensivierung zwischen 1,440 und 4,681 Monaten lag, betrug die Hazard ratio (HR) 1,12; für die Zeit zwischen 4,682 und 8,689 Monaten war die HR 1,23. Die AkdÄ bezweifelt jedoch, dass im Praxisalltag mehr als 4,6 Monate gewartet werde, um eine mögliche Intensivierung der Hypertonie-Behandlung in Erwägung zu ziehen.

Kombi fünfmal effektiver

In einer Metaanalyse aus 42 Studien konnte gezeigt werden, dass das Hinzufügen eines weiteren Antihypertensivums versus die Verdoppelung der Dosis eines Arzneistoffs fünfmal ­effektiver ist.

Schwache Evidenz

Allerdings wird betont, dass die derzeitige Datenlage sehr schwach ist – so handelt es sich meist nur um Ergebnisse aus retrospektiven Studien.

In einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2021 wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Evidenz nicht ausreichend ist, um eine initiale Kombinationstherapie zu empfehlen. Hierzu wurden randomisierte kontrollierte klinische Studien herangezogen, in denen Patienten mit primärer Hypertonie und Blutdruck > 140/90 mmHg oder > 130/80 mmHg und Diabetes mit einer initialen Monotherapie versus einer initialen Kombinationstherapie verglichen wurden. Für keinen der vorliegenden Endpunkte (z. B. Mortalität, schwere unerwünschte Ereignisse, kardiovaskuläre Ereignisse) konnte ein signifikanter Vorteil gezeigt werden. Auch in der Leitlinie der National Institute for Health and Care Excellence (NICE) wird betont, dass die derzeitige Evidenzlage nicht ausreicht, um eine initiale Kombinationstherapie zu empfehlen.

Nur in Ausnahmefällen

Die AkdÄ weist in ihrem Bericht darauf hin, dass viele Patienten sicherlich nicht nur mit einem Antihypertensivum eingestellt werden können – eine sofortige Fixkombination scheint jedoch nicht ausreichend begründet zu sein. Eine Intensivierung der Therapie könne auch in vier- bis sechswöchentlichen Intervallen bis zur gewünschten Einstellung erreicht werden. Die initiale Fixkombination sollte lediglich in Ausnahmefällen in Betracht gezogen werden.


Literatur

Garjon J et al. First-line combination therapy versus first-line monotherapy for primary hypertension. Cochrane Database Syst Rev 2020;2:CD010316

National Institute for Health and Care Excellence (NICE): Hypertension in adults: diagnosis and management. www.nice.org.uk/guidance/ng136, letzter Zugriff 8. Juli 2022

Unger T et al. 2020 International Society of Hypertension global hypertension practice guidelines. J Hypertens 2020;38:982-1004

Wald DS et al. Combination therapy versus monotherapy in reducing blood pressure: meta-analysis on 11.000 participants from 42 trials. Am J Med 2009;122:290-300

Whelton PK et al. The 2017 Clinical Practice Guideline for high blood pressure. JAMA 2017;318:2073-2074

Williams B et al. 2018 Practice Guidelines for the management of arterial hypertension oft he European Society of Hypertension and the European Society of Cardiology: ESH/ESC Task Force for the Management of Arterial Hypertension. J Hypertens 2018;36:2284-2309

Xu W et al. Optimal systolic blood pressure target, time to intensification, and time to follow-up in treatment of hypertension: population based retrospective cohort study. BMJ 2015;350:h158

Zieschang M. Antihypertensive Fixkombination zur Initialtherapie – keine gut begründete Empfehlung. Arzneiverordnung in der Praxis (AVP) 2022;49:1-2


Dr. Martina Wegener, Apothekerin
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Initiale Hypertonie-Therapie auf dem Prüfstand

Bluthochdruck sofort mit Fixkombi senken?

Methodenunabhängig in der Apotheke den Blutdruck korrekt messen

Von der Theorie zur Praxis

Grenzen der unterschiedlichen Blutdruckmessmethoden

Messfehler kennen

Kritik an europäischer Hypertonie-Leitlinie

Betablocker bei Bluthochdruck keine erste Wahl – oder?

Bei Typ-2-Diabetikern mit Risikofaktoren rechtzeitig den Blutdruck regulieren

Wann starten und wie tief senken?

SPRINT-Studie zu Blutdruckzielen erschüttert Leitlinien und bisherige Praxis

120 statt 140 mmHg?

Diskussion um Stellenwert der Omega-3-Fettsäuren

Von Leitlinien empfohlen – ... oder doch nicht? Kontra

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.