Deutsch-ungarische Kooperation

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof lässt Apotheken-Pick-up zu

München - 20.11.2013, 17:35 Uhr


Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat kein Problem damit, wenn eine inländische Apotheke aus Ungarn bezogene Arzneimittel mit einer Rechnung der ungarischen Apotheke an Kunden abgibt. Das zuständige Landratsamt hatte einer bayerischen Apothekerin dieses Vorgehen untersagt. Doch in diesem Punkt befand das Gericht den Bescheid für rechtswidrig.

Der Fall der Kooperation der bayerischen mit der ungarischen Apotheke beschäftigt die Gerichte schon seit Jahren. In aller Kürze stellte sich das Modell folgendermaßen dar: Kunden der bayerischen Apotheke konnten über diese Medikamente bei der „Europa-Apotheke“ in Budapest bestellen. Abholen konnten sie die Arzneimittel wiederum in „ihrer“ Apotheke in Freilassing – mitsamt Rechnung aus Ungarn, aber mit Beratung und Prüfung der Arzneimittel in der Apotheke vor Ort. Die Medikamente hatte die Apothekerin selbst über Großhandlungen geordert und an die ungarische Apotheke liefern lassen. Von dort kamen sie dann wieder zurück an die deutschen Kunden, denen für den Bezug über Ungarn Preisvorteile gewährt wurden. Die Apothekerin zog ihren Vorteil daraus, dass sie selbst als Großhändlerin tätig war. Mittlerweile hat sie die Kooperation mit der ungarischen Apotheke eingestellt – doch die Rechtsfragen sind noch immer von grundsätzlicher Relevanz.

Es gab zunächst ein wettbewerbsrechtliches Verfahren, das im Januar 2012 vor dem Bundesgerichtshof (BGH) seinen Abschluss fand. Nun war der verwaltungsrechtliche Zweig am Zuge – hier ging es insbesondere um Verstöße gegen das Apothekenrecht. Das Landratsamt hatte der Apothekerin ihr Geschäftsmodell untersagt, woraufhin diese vor das Verwaltungsgericht München zog. Dieses hob den Bescheid des Landratsamtes nur insoweit auf, als dass der Klägerin die vermittelnde Tätigkeit in Bezug auf nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel untersagt wurde. Der Bayerische VGH ging nun im Berufungsverfahren weiter und hielt diesen Punkt der Untersagungsverfügung für gänzlich rechtswidrig. Gegen weitere Teile der Untersagungsverfügung hatten die Richter jedoch nichts einzuwenden. So stellen sie etwa nicht infrage, dass der den Kunden angebotene Rabatt auf die verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus Ungarn unzulässig ist. Dies sei nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe hinreichend geklärt.

Vor allem rankt sich das aktuelle Urteil darum, ob die Klägerin die aus Ungarn bezogenen Arzneimittel mit Rechnung der ungarischen Apotheke in ihrer Apotheke abgeben durfte. Das Landratsamt hatte hierin einen Verstoß gegen § 7 Apothekengesetz (ApoG) und § 2 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gesehen – beide Normen befassen sich mit der Pflicht des Apothekeninhabers zu persönlichen Leitung seiner Apotheke in eigener Verantwortung. Diese Verpflichtung, so führt auch der VGH aus, sei für den Beruf des selbstständigen Apothekers typisch. Er zweifelt ihre Berechtigung nicht an. Dennoch: Einen Verstoß gegen dieses Prinzip kann er vorliegend nicht erkennen. Die Abgabe der Arzneimittel in der Apotheke der Klägerin erfolge gerade unter deren pharmazeutischen Verantwortung. Sie berate die Kunden und prüfe die Arzneimittel in verschiedener Hinsicht. Die Klägerin trage auch das wirtschaftliche Risiko. Insbesondere liege keine im Hinblick auf § 7 ApoG für unzulässig gehaltene Aufteilung der Verantwortlichkeit oder deren Verlagerung auf außenstehende Dienstleister vor.

Fraglich könnte aus Sicht des VGH nur sein, ob die Klägerin gegen Dokumentationspflichten des § 12 ApBetrO verstoßen habe. Allerdings sagt der angegriffene Bescheid hierzu nichts – er hält die Abgabe ja schon insgesamt für rechtswidrig. Das Gericht gibt zu bedenken, dass dem Landratsamt eine Auflage, die entsprechenden Dokumentationen  für die abgegebenen Arzneimittel zu erstellen und bereitzuhalten als milderes Mittel gegenüber der kompletten Versagung zur Verfügung gestanden hätte.

Auch gegen das Verbringungsverbot (§ 73 AMG) verstoße die Klägerin nicht. Hier halten sich die Verwaltungsrichter in ihrer Begründung knapp und verweisen auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Rechtsauffassung des BGH.

Ein Verstoß gegen das Verbot apothekenfremder Geschäfte in den Betriebsräumen der Apotheke (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a ApBetrO n.F. bzw. § 4 Abs. 5 ApBetrO a.F.) liege ebenfalls nicht vor. Die Abgabe von Arzneimitteln an Endverbraucher stelle schließlich gerade den Kernbereich der Tätigkeit des Apothekers dar und könne daher nicht apothekenfremd sein.

Zuletzt gehen die Richter noch auf eine erst im Juni 2012 – aber auf den vorliegenden Fall dennoch anzuwendende – eingeführte Regelung der Apothekenbetriebsordnung ein: Nach § 17 Abs. 6c Satz 1 ApBetrO dürfen Apotheken von anderen Apotheken keine Arzneimittel beziehen. Nach Satz 2 Nr. 6 dieser Norm gelte dieses Verbot nämlich unter anderem nicht für Arzneimittel, die gemäß § 52a Abs. 7 AMG „im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs“ von Apotheken bezogen werden. Dieser Fall liege hier aber vor. Kriterien für die Abgrenzung zwischen apothekenüblicher Abgabe und dem (nicht apothekenüblichen) Großhandel seien vor allem die Art der gehandelten Arzneimittel (z.B. Klinikpackungen im Gegensatz zu üblichen Abgabemengen an Endverbraucher), die jeweiligen Empfänger und der Umfang der Handelstätigkeit. Unerheblich sei hingegen die geografische Distanz. „Insbesondere ist der eigenständige Import von Arzneimitteln zur Abgabe an Endverbraucher für sich kein apothekenüblicher Großhandel“, so das Gericht.

Die Klägerin dürfte – auch wenn ihre Berufung nur teilweise erfolgreich war – mit dem Urteil zufrieden sein. Der aus ihrer Sicht wichtigste Punkt ist in ihrem Sinne geklärt. Man darf nun gespannt sein, ob das Landratsamt das Urteil akzeptiert. Die Revision ist auf jeden Fall möglich. Im Hinblick auf die Fragen der Auslegung von § 7 ApoG und § 17 Abs. 6c ApBetrO in Bezug auf das Geschäftsmodell der Klägerin sieht der VGH grundsätzlichen Klärungsbedarf.


Kirsten Sucker-Sket