LG Hamburg: Urteil im Fall Ratiopharm

Arzt wegen Bestechlichkeit zu Geldstrafe verurteilt

Berlin - 03.02.2011, 16:27 Uhr


Ein Hamburger Vertragsarzt ist zu einer Geldstrafe von 27.000 Euro verurteilt worden. Er hatte für die Verordnung von Ratiopharm-Präparaten Umsatzbeteiligungen eingestrichen. Die Richter sehen hierdurch den Straftatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verwirklicht.

Mit dem Urteil des Landgerichts Hamburg von 9. Dezember 2010  setzt sich die Rechtsprechungslinie fort, die schon das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig im Fall des Zusammenwirkens von Vertragsarzt und Apotheker vertreten hat: Nach dem im letzten Jahr ergangenen OLG-Beschluss hat der Vertragsarzt bei der Arzneimittelversorgung gesetzlich Krankenversicherter eine „Schlüsselposition“ inne. Da er maßgeblich dafür verantwortlich sei, ob zwischen der Krankenkasse und der Apotheke ein Vertrag über den Kauf von Medikamenten zustande kommt, handele er in diesem Rahmen als Vertreter der Krankenkassen und nehme insoweit deren Vermögensinteressen wahr. Daher sei er Beauftragter der Gesetzlichen Krankenversicherung im Sinne des § 299 Abs. 1 StGB.

Ebenso sieht es jetzt auch das LG Hamburg – wenn auch im Rahmen eines anderen Sachverhalts. Angeklagt wurde hier eine Ratiopharm-Außendienstmitarbeiterin und ein Arzt. Diese hatten eine Vereinbarung zum sogenannten „Verordnungsmanagement“ (VOM) geschlossen. Danach sollte der Arzt eine Prämie in Höhe von 5 Prozent des Herstellerabgabepreises aller im jeweiligen Quartal verordneten Ratiopharm-Medikamente erhalten. Dafür sollte er diese Medikamente allerdings auch vorrangig verschreiben. Der angeklagte Arzt gab im Prozess zu, in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt sieben Schecks von der Ratiopharm-Mitarbeiterin angenommen zu haben. Die Beträge lagen zwischen 1.269 und 1.750 Euro – insgesamt kamen 10.641 Euro zusammen. In seiner Praxis war eine Software installiert, die bei Aufruf einer Medikamentengruppe zunächst Ratiopharm-Produkte vorschlug. Dabei ging die Absprache zwischen den beiden Angeklagten allerdings nicht soweit, dass ein Austausch durch das Setzen des Aut-idem-Kreuzes ausgeschlossen wurde. Ratiopharm wiederum hatte Zugriff auf die Verordnungsdaten und konnte so die vereinbarte prozentuale Umsatzbeteiligung genau ermitteln.

Während noch vor wenigen Jahren kaum jemand daran gedacht hätte, hier eine Strafbarkeit des Arztes wegen Bestechlichkeit anzunehmen, scheint nun ein Wendepunkt erreicht. Auf 59 Seiten führt das Landgericht aus, warum die Tatbestandsmerkmale des § 299 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Dabei setzt es sich auch eingehend mit den Argumenten jener auseinander, die diesen Straftatbestand nicht für einschlägig halten. Die Hamburger Richter kommen zu dem Schluss, dass der Vertragsarzt hinsichtlich der Verschreibung von Arzneimitteln gesetzlich Beauftragter der Krankenkassen ist. Kernproblem sei die Frage, ob der Vertragsarzt bei der Verschreibung von Medikamenten ausschließlich in seinem eigenen Aufgabenbereich tätig wird, oder ob er zumindest daneben auch im Auftrag der jeweiligen Krankenkasse zur Erledigung deren Aufgaben berufen ist. Das Landgericht legt das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung dahin gehend aus, dass der Vertragsarzt in diesen Fällen zumindest auch für die Krankenkasse handelt und dabei für diese Entscheidungen trifft. Die Verordnung könne jedenfalls nicht nur als seine Entscheidung angesehen werden.

Anders als im Braunschweiger Fall – dort wurde die Anklage nicht zur Hauptverhandlung zugelassen, weil sich die weiterhin erforderliche Unrechtsvereinbarung nicht nachweisen ließ – sieht das Landgericht Hamburg auch die anderen Tatbestandsmerkmale des § 299 Abs. 1 StGB erfüllt. Das letzte Wort wird in diesem Fall wohl der Bundesgerichtshof haben. Es liegt im allgemeinen Interesse, dass die Frage der Bestechlichkeit von Vertragsärzten höchstrichterlich geklärt wird.

Das Verfahren vor dem Landgericht Hamburg gilt als Pilotverfahren in der Aufarbeitung des 2005 vom „Stern“ aufgedeckten Ratiopharm-Skandals, der für große Umwälzungen im Unternehmen gesorgt hatte.


Kirsten Sucker-Sket