Hirnforschung

Haloperidol lässt das Putamen schrumpfen

Mannheim - 09.06.2010, 14:15 Uhr


Die Ursache der extrapyramidalen (Bewegungs-) Störungen (EPS), die unter der Therapie mit hochpotenten Neuroleptika auftreten, ist weitgehend aufgeklärt: Eine Forschungsgruppe am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim konnte nachweisen, dass die medikamentöse Blockade von Dopaminrezeptoren zu einer Verkleinerung des Putamens führt, die mit dem Ausmaß der EPS korreliert.

Die unter dem Begriff „Schizophrenie“ zusammengefassten Psychosen sind durch anomale Konzentrationen des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn charakterisiert. Im limbischen System ist sie erhöht und verursacht dadurch Wahnvorstellungen und Halluzinationen (Positivsymptomatik), in der Großhirnrinde (Kortex) ist sie erniedrigt und vermindert dadurch Hirnleistung (Negativsymtpomatik). Neuroleptika, die am Dopamin-Rezeptor D2 angreifen, verbessern die Negativsymtpomatik, haben aufgrund ihres Wirkmechanismus aber auch unerwünschte Wirkungen wie die extrapyramidalen Störungen (siehe auch DAZ Nr. 22 S. 56).

Die von Andreas Meyer-Lindenberg geleitete Mannheimer Arbeitsgruppe hat bei Probanden durch multimodales Pharmako-Neuroimaging, vor allem mithilfe der Magnetresonanztomografie, bildlich dargestellt, wie das Neuroleptikum Haloperidol das Putamen innerhalb von zwei Stunden deutlich schrumpfen ließ. Das Putamen (Schalenkörper) gehört zu den Basalganglien, die unterhalb der Großhirnrinde liegen, und ist unter anderem für das motorische Gedächtnis verantwortlich. Das Ausmaß seiner Verkleinerung korrelierte sowohl mit der Dosis des Arzneistoffs als auch mit den motorischen Störungen.

Der Effekt war in kurzer Zeit reversibel: Bereits einen Tag nach der Verabreichung von Haloperidol an die Probanden hatte das Putamen wieder seine ursprüngliche Größe erreicht. Wie die beachtlichen Volumenänderungen in so kurzen Zeitabständen zustande kommen, kann derzeit nur vermutet werden. Nach Meinung der Forscher kommen weder ein Absterben von Zellen noch eine Verminderung des Blutflusses in Betracht. Stattdessen nehmen sie eine Verringerung der Synapsen zwischen den Zellen an. Denn Haloperidol hemmt durch die Blockade des D2-Rezeptors auch die Synthese des Wachstumsfaktors BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor), der der die Verzweigung der Neuronen und die Ausbildung von Synapsen stimuliert.

Quelle: Tost H, et al. Acute D2 receptor blockade induces rapid, reversible remodeling in human cortical-striatal circuits. Nat Neurosci 6 June 2010; doi: 10.1038/nn.2572.


Dr. Wolfgang Caesar