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Interpharm 2017 - Pädiatrie-Symposium
Topische Therapeutika richtig auswählen
Kleinen Neurodermitis-Patienten und den Eltern helfen
„Jeder redet von Allergie, aber was ist das eigentlich?“ Da es ganz ohne Definitionen nicht geht, versuchte Allergologe Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Berlin, zu Beginn erst einmal die Begrifflichkeiten zu klären. So ist eine Allergie eine immunologisch vermittelte Unverträglichkeit. Ein Beispiel: die IgE-vermittelte Allergie vom Soforttyp auf Nahrungsmittelproteine. Spricht man aber nicht nur über Allergien, sondern auch über Neurodermitis und Asthma, ist vor allem der Begriff Atopie wichtig. Das ist das erhöhte Allergierisiko, also eine gesteigerte IgE-Bildung als Reaktion auf harmlose Umweltproteine. Unter dem Begriff atopischer Formenkreis werden das atopische Ekzem, wie die Neurodermitis richtig heißt, allergische Rhinokonjunktivitis, Nahrungsmittelallergie und allergisches Asthma zusammengefasst – alles Erscheinungsformen einer erhöhten Allergiebereitschaft mit einer gemeinsamen genetischen Grundlage.
Ist ein Allergie-Plateau erreicht?
Wie sich diese erhöhte Allergiebereitschaft letztendlich äußert – wenn sie es denn überhaupt tut – ist stark altersabhängig. So ist bei Kindern mit eineinhalb Jahren die Neurodermitis vorherrschend. Asthma gibt es – zumindest Daten aus Dänemark zufolge – bei ganz kleinen Kindern (bis zu sechs Monaten nicht). Später – ab dem sechsten Lebensjahr – verschiebt sich das Ganze zugunsten des allergischen Schnupfens, der in der Pubertät dann ganz klar das atopische Geschehen dominiert. Wobei insbesondere bei Neurodermitis und allergischem Schnupfen in dieser Erhebung große Schnittmengen über alle Lebensalter zu beobachten sind.
Und auch die Allergene, auf die jemand reagiert, sind altersabhängig, wie Kleine-Tebbe erklärte. So reagieren Säuglinge verhältnismäßig oft auf Kuhmilch, Soja, Hühnerei und Weizen – sogenannte primäre Nahrungsmittelallergien, die im Laufe der ersten Lebensjahre wieder verschwinden und oft in Gesellschaft mit einem atopischen Ekzem auftreten. Pollenassozierte Nahrungsmittelallergien wie auf Kern- oder Steinobst oder Haselnüsse hingegen gibt es bei Säuglingen und Kleinkindern eigentlich nicht. Sie beginnen später und nehmen bei Jugendlichen und Erwachsenen zu. Lediglich Allergien gegen Erdnüsse, Fisch und Baumnüsse treten bereits bei Säuglingen auf und bleiben später bestehen.
Die Frage, ob hinsichtlich des Auftretens atopischer Erkrankungen ein Plateau erreicht ist, lässt sich im Moment laut Kleine-Tebbe nicht beantworten. So sei zwar in der ersten Auswertung der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS), die die Jahre 2009 bis 2012 umfasst, im Vergleich zur Basiserhebung (2003 bis 2006) ein Anstieg beim frühen Asthma und beim frühen Heuschnupfen beobachtet worden (bei unter sechsjährigen). Bei älteren Kindern blieben die Zahlen jedoch fast gleich. Beim Ekzem scheint es sogar insgesamt einen Rückgang zu geben. Um eine Aussage treffen zu können, ob es tatsächlich ein Plateau gebe, müsse die nächste KIGGS-Welle abgewartet werden, so Kleine-Tebbe. KIGGS ist eine Langzeitstudie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, die vom Robert Koch-Institut durchgeführt wird. Der Anstieg der Erdnussallergien in angelsächsischen Ländern könnte jedoch ein Frühsignal für eine Zunahme von Nahrungsmittelallergien sein. Historisch lassen sich solche Etappen für den saisonalen Heuschnupfen in den 1920ern nachweisen und für das kindliche Asthma in den 1970ern.
Risikofaktoren erkennen
Welche Faktoren spielen überhaupt eine Rolle dabei, dass aus einer genetischen Veranlagung tatsächlich eine atopische Erkrankung wird? Den Durchbruch im Verständnis brachte dabei das Wissen um die Epigenetik, also die Interaktionen von Genen mit der Umwelt. Seitdem weiß man, dass Umweltfaktoren die Genexpression beeinflussen – zum Teil über mehrere Generationen. So steigert sich beispielsweise das Risiko für frühkindliches Asthma nicht nur, wenn die Mutter raucht, sondern auch wenn die Großmutter geraucht hat. Mittlerweile sind zahlreiche Faktoren bekannt, die das Risiko für Allergien erhöhen – aber auch für andere moderne, sogenannte nicht-übertragbare Erkrankungen (non-communicable diseases) wie Übergewicht, Malignome, Diabetes, Autoimmunerkrankungen, die weltweit auf dem Vormarsch sind. Zu diesen Faktoren gehören Bewegungsmangel, Sonnenlichtexposition, Schadstoffe, Fehlernährung sowie eine mikrobielle Dysbalance. So scheinen überhaupt Darm und Ernährung bei der Erhaltung der immunologischen und metabolischen Balance eine entscheidende Rolle zu spielen. Die gute Nachricht daran ist für Kleine-Tebbe, dass diese Beeinflussbarkeit der Gene auch eine Chance bietet, Prävention zu betreiben. Die Chance, etwas zu verändern, sei während der frühen Entwicklung günstiger. Denkbare Angriffspunkte sind der heutzutage vorwiegend sitzende Lebensstil, die Ernährung und der fehlende Kontakt mit Mikroben, denn nachweisbar schützen diese vor atopischen Erkrankungen. Außerdem sollte die Pharmaka- sowie die Schadstoff-Exposition so weit wie möglich reduziert werden.
Basistherapie ist entscheidend
Wenn aber die atopische Erkrankung dann tatsächlich Symptome zeigt, hilft nur der Gang zum Kinderarzt. Was dieser bei Neurodermitis, der häufigsten entzündlichen Erkrankung in der kinderärztlichen Praxis, für Möglichkeiten hat, erklärte Dr. med. Lars Lange, Bonn. Die Prognose sei grundsätzlich gut, so Lange, um den dritten Geburtstag leide nur ein Drittel der betroffenen Kinder unter dauerhaften Beschwerden. Und wie behandelt man jetzt? Zuerst ging Lange auf den Juckreiz ein: Dieser ist bei Neurodermitis sehr komplex, Histamin ist nur ein Faktor von vielen. Einzelne Patienten profitieren von modernen Antihistaminika. Wirkstoffe der ersten Generation wirken nur über die Sedierung. Sie dienten einzig der Therapie des Schlafes der Eltern, erklärte Lange. Hilfreich können Umschläge mit Schwarztee oder Kochsalz, kühle, feuchte Verbände, ein Overall oder Handschuhe sein. Helfen kann auch die Empfehlung, statt zu kratzen, wodurch die Haut zerstört wird, besser zu drücken, zu streicheln oder auf die Haut zu klopfen. In der Therapie sollen dann moderne topische Steroide der Klasse II eingesetzt werden, zum Beispiel Prednicarbat oder Hydrocortisonbutyrat, über einen Zeitraum von sieben bis zehn Tagen maximal. Sie seien sicher, erklärte Lange. Eine erfolgreiche Therapie scheitere aber oft an der Cortison-Angst der Eltern. Auch topische Immunmodulatoren wie Tacrolimus haben laut Lange einen festen Platz in der Therapie. Außerdem gelte die Devise: nie ohne Basistherapie. So entstehen Fehler in der Therapie meist dadurch, dass die Basistherapie nicht zum Stadium der Erkrankung passt. Dabei sind die Regeln einfach: Hoch entzündete Haut braucht wasserreiche Externa, trockene chronische Ekzeme eher fette. Okklusion ist zu vermeiden und Harnstoff ist für Kleinkinder ungeeignet. Später kann Harnstoff eingesetzt werden – in altersabhängiger Konzentration.
Welche Pflegeprodukte konkret in welchem Stadium eingesetzt werden können, erklärte Apotheker Dr. Dirk Simonis, Aachen. Wichtig sei es, den Wert der Basispflege zu vermitteln. Simonis gab Hinweise, wie man vorgeht, wenn man mit der Aussage konfrontiert wird „Keine Creme hilft“. Hier sollte nachgefragt werden, um die bestehende Pflege einzuordnen:
- Wurde eine Creme mit Moisturizer verwendet? Wenn ja, welcher?
- Waren Emulgatoren, Ceramide oder Konservierungsmittel enthalten?
So sind Produkte ohne Moisturizer, Glycerin oder Urea, in der akuten oder subakuten Phase ungeeignet. Sie sollen – wenn überhaupt – in der ekzemfreien Phase angewendet werden. Neben der Aufklärung über die Stadien der Neurodermitis und die Basistherapie soll dann gemeinsam eine passende Basistherapie ausgewählt werden. |
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