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- DAZ 15/2017
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Interpharm – Festvortrag
Ein vergessenes „Organ“?
Das Mikrobiom – Hundert Billionen kleine Helfer
Die Bakterien, mit denen wir besiedelt sind, übersteigen sogar die Zahl der 38 Billionen Zellen unseres Körpers. Die Gesamtheit der bakteriellen Gene ist 100-mal größer als das menschliche Genom. Die meisten Mikroben, mit etwa 200 g, beherbergt der Darm. Bakterien werden benötigt zur Verdauung, zur Entwicklung des Immunsystems und zum Schutz vor Krankheitserregern. Das eukaryotische Leben ist vor Millionen von Jahren in einer bakteriendominierten Welt entstanden. Bakterien können sich im Gegensatz zu den Menschen schnell evolutiv anpassen. Deshalb müssen wir Menschen eine Balance durch ein entsprechendes Zusammenleben finden. Unsere komplexe Lebensgemeinschaft mit Bakterien, Pilzen und Viren wird als Metaorganismus bezeichnet. Wenn dieser im Einklang ist, dann sind wir gesund und resistenter gegenüber Infektionen.
Durch den frühen Kontakt mit Mikroben kann unser Immunsystem lernen, angemessen mit Umweltsignalen umzugehen. Bei der Geburt sind wir so gut wie keimfrei, und jedes Neugeborene ist ein Ökosystem, das erst gebildet werden muss. Bakterien wie Lactobacillus werden bei der Geburt von der Vagina der Mutter übertragen. Kindern, die per Sectio geboren werden, fehlen bestimmte Bakterien. Eine amerikanische Arbeitsgruppe geht sogar so weit, dass sie per Sectio geborene Kinder mit dem Vaginalsekret der Mutter inokuliert (animpft). Auch durch Stillen werden Bifidobakterien, unverdauliche Oligosaccharide, die den Bakterien als Nahrung dienen, und antimikrobielle Peptide aktiv über die Muttermilch auf das Kind übertragen.
„Outsourcing“ der Immunabwehr
Ein wichtiges Instrument für die Untersuchung des Mikrobioms stellen keimfreie Tiere dar. Mittlerweile ist es gelungen, keimfreie Mäuse oder Fliegen zu züchten. Ein weiteres Modell ist ein Süßwasserpolyp (Hydra), der nur in der Schleimschicht auf seiner Oberfläche mit Bakterien besiedelt ist. Wenn dieser durch eine Behandlung mit verschiedenen Antibiotika steril wird, stirbt er an einer Pilzinfektion. Ähnliche Phänomene sind auch beim Menschen zu beobachten. So entwickeln manche Patienten nach einer oralen Antibiotikabehandlung beim Zahnarzt einen Mundsoor. Eine amerikanische Arbeitsgruppe konnte darüber hinaus auch die Bedeutung der bakteriellen Zusammensetzung zeigen. Infektionen mit Haemophilis ducreyi, einem sexuell übertragbaren Erreger, der derzeit auf dem Vormarsch in Nordamerika ist, können zu Entzündung und Abszessen im Genitalbereich (Ulcus molle) führen. Die Infektion führt jedoch nicht bei jedem Patienten zu einer Abszess-Bildung oder heilt spontan aus. Entscheidend ist hier die bakterielle Zusammensetzung der Hautflora. Auch ist eine Stuhltransplantation, die mittlerweile Einzug in die Leitlinie zur Behandlung von Clostridium-difficile-assoziierten Infektionen gefunden hat, nicht bei jedem Empfänger gleich wirksam, was laut Lachnit auch an der Bakterienzusammensetzung des Spenderstuhls liegen kann. In Köln wird derzeit eine Fäkalbank aufgebaut, um den Universalspender zu finden.
Gestörtes Gleichgewicht
Durch verschiedene Umweltfaktoren kann die Symbiose zwischen Wirt und Bakterien entkoppelt werden. Bei dem Süßwasserpolypen werden durch ein Nährstoffüberangebot die Bakterien von der normalen Wirtsinteraktion entkoppelt. Viele Wirtszellen werden apoptotisch und der Süßwasserpolyp wird krank. Diese Entkopplung der Bakterien-Wirts-Interaktion könnte auch beim Menschen an entzündlichen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Arthritis beteiligt sein. Durch Fasten könnte dieses Gleichgewicht wieder hergestellt und Entzündungskaskaden inhibiert werden. |
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