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- DAZ 17/2014
- Gefährliches Chinin
Arzneimittel und Therapie
Gefährliches Chinin?
Verschreibungspflicht wird empfohlen
Chinin ist ein Alkaloid aus der Rinde des Chinarindenbaumes (Cinchona pubescens). Bekannt wurde Chinin aufgrund seiner fiebersenkenden Wirkung und dem damit verbundenen Einsatz als Malariamittel. Heute wird Chininsulfat aufgrund seiner peripher muskelrelaxierenden Wirkung zur Prophylaxe und Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe eingesetzt (Limptar N®). Die Erstzulassung in Deutschland erfolgte 1978. Die Wirksamkeit in dieser Indikation gilt zwar als belegt, ist aber lediglich als moderat einzustufen.
Leitlininen-Empfehlung zu nächtlichen Wadenkrämpfen
Die zuständige Fachgesellschaft empfiehlt in der aktuellen Leitlinie als erste Behandlungsmaßnahme bei Wadenkrämpfen die Dehnung der verkrampften Muskulatur. Bevor eine medikamentöse Therapie gestartet wird, sollte durch Anamnese und Untersuchungen festgestellt werden, ob es sich um symptomatische Krämpfe einer behandelbaren Grunderkrankung handelt. Chinin sollte bei schmerzhaften und häufigen Muskelkrämpfen nur angewendet werden, wenn folgende Bedingungen in Kombination vorliegen:
- vorheriger Ausschluss von symptomatischen Krämpfen
- Wirkungslosigkeit physiotherapeutischer Maßnahmen
Zu den unerwünschten Wirkungen von Chinin zählen Überempfindlichkeitsreaktionen, Tinnitus, Schwindel und gastrointestinale Beschwerden. Darüber hinaus kann es durch einen immunologisch vermittelten Mechanismus – und somit dosisunabhängig – zu schweren Blutbildveränderungen, insbesondere zu einer Thrombozytopenie, kommen. Unerkannt kann dies zu inneren Blutungen mit schweren bis tödlichen Verläufen führen. Auch über Fälle von thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura und hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) wurde berichtet. Außerdem kann Chinin dosisabhängig das QT-Intervall verlängern und somit das Risiko für Herzrhythmusstörungen erhöhen. Besonders gefürchtet sind in diesem Zusammenhang die Torsades des pointes, die zu einem plötzlichen Herztod führen können.
Vorsicht Wechselwirkungen!
Daneben sind für Chinin diverse Wechselwirkungen und Kontraindikationen beschrieben. Wechselwirkungen können beispielsweise bei gleichzeitiger Einnahme von Antiarrhythmika, Antidepressiva, Antibiotika und bestimmten Antihistaminika auftreten. Zu den Kontraindikationen zählen Herzrhythmusstörungen, Vorschädigung des Sehnervs und Tinnitus. Auch während der gesamten Schwangerschaft ist Chinin kontraindiziert, da es die Plazenta-Schranke passieren kann und in hohen Dosen wehenfördernd, embryotoxisch und teratogen ist.
Chinin
Wegen seiner peripher muskelrelaxierenden Wirkung wird Chinin in einer Dosierung von bis zu 400 mg pro Tag gegen nächtliche Wadenkrämpfe eingesetzt. Als therapeutische Dosen werden mit 1 bis 7 μg/ml, als toxische Dosen ab etwa 10 μg/ml angegeben. In alkoholfreien Getränken wie Bitter Lemon und Tonic Water sind Zusätze von maximal 85 mg Chinin/kg erlaubt.
Zulassungsstatus in anderen Ländern
In Australien und Neuseeland ist Chinin aufgrund tödlich verlaufener Thrombozytopenien seit einigen Jahren nicht mehr zugelassen. In den USA warnt die Aufsichtsbehörde FDA regelmäßig vor dem Off-label-Gebrauch von Chinin – es ist zur Behandlung von Wadenkrämpfen in den USA nicht zugelassen. In Frankreich und Großbritannien ist Chinin zur Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe zwar zugelassen, aber verschreibungspflichtig.
Sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung
Das BfArM sowie der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht als unabhängiges Expertengremium empfehlen aktuell die Unterstellung von Chinin zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe unter die Verschreibungspflicht. Der Ausschluss von Kontraindikationen und wechselwirkender Komedikation sowie eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung könne nur durch den Arzt erfolgen.
Quelle
Brixius U. Risiken der Chinintherapie bei nächtlichen Wadenkrämpfen. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. Informationen aus BfArM und PEI (2014) 1; 3–8.
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