DAZ aktuell

Selbstmedikation in Europa

OTCs raus aus der Apotheke?

WARSCHAU (diz). Während in Deutschland das Abwandern der OTC-Arzneimittel aus der Apotheke glücklicherweise nicht zur Diskussion steht, mussten die Apotheken mehrerer europäischer Länder den Verlust dieses eigentlich apothekentypischen Sortiments hinnehmen: dort gibt es OTC-Arzneimittel in Drogeriemärkten und an der Tankstelle. Auf dem Jahreskongress der europäischen Selbstmedikationsindustrie vom 4. bis 6. Juni in Warschau stellten Vertreter der Länder aus den Bereichen Politik und Industrie vor, welche Richtung der Selbstmedikationsmarkt in ihrem Land eingeschlagen hat.

In Frankreich sollen OTC-Arzneimittel in der Apotheke bleiben. Allerdings denkt man darüber nach, den Zugang innerhalb der Apotheke zu diesen Arzneimitteln zu erleichtern, sprich: OTCs verstärkt in der Freiwahl zu platzieren. Dieser Ansatz geht zurück auf einen Selbstmedikationsbericht (Coulomb-Bericht), der feststellte, dass der Selbstmedikationsmarkt in Frankreich im Vergleich zu anderen Ländern unterentwickelt sei. Dem Bericht zufolge sollten die Selbstmedikationsarzneimittel zwar weiterhin nur in Apotheken vertrieben werden, aber Informationen über OTCs, die Einsatzmöglichkeiten dieser Arzneimittel bei Gesundheitsstörungen und die professionelle Beratung seitens der Apotheker sowie ein vereinfachter Zugang in der Apotheke zu diesen Arzneimitteln sollten verbessert werden.

In Italien veränderte sich der OTC-Markt dagegen revolutionär. Per Gesetz wurde eine neue Klasse von OTC-Produkten eingeführt, die nicht mehr von den Kassen erstattet wird und deren Preise bis zu 20 Prozent gesenkt werden dürfen. Außerdem wurden die Vertriebsmöglichkeiten für diese Arzneimittelgruppe verändert: Seit 2006 dürfen diese Produkte auch außerhalb der Apotheken, beispielsweise in Supermärkten oder Drogeriemärkten oder in Para-Apotheken, vertrieben werden. In diesem Jahr erfolgten weitere Veränderungen: Der Arzneimittelpreis kann mittlerweile frei kalkuliert werden. Man rechnet damit, dass schon in Kürze 300 bis 400 Supermärkte Arzneimittel verkaufen werden. Ein neuer Gesetzesvorschlag beabsichtigt sogar, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken verkauft werden dürfen.

Auch in Portugal ist der Verkauf von OTC-Arzneimitteln außerhalb von Apotheken seit Kurzem möglich. Ziel war es, den Zugang der Patienten zu diesen Arzneimitteln zu verbessern und einen Preiswettbewerb in Gang zu bringen (die Preise sind seit 2005 frei gestaltbar). Verkaufsstellen, die Arzneimittel in ihr Sortiment nehmen, müssen sich registrieren lassen, außerdem müssen sie einen Apotheker benennen, der hierfür verantwortlich ist. Ein Apotheker darf für maximal fünf Verkaufsstellen in einem bestimmten Umkreis zuständig sein, es muss geschultes Personal vorhanden sein und die entsprechenden Informationen zu OTCs gegeben werden. Zu den rund 3000 Apotheken in Portugal sind mittlerweile bereits 430 OTC-Verkaufsstellen hinzugekommen. Außerdem erweiterte Portugal die Indikationsliste für die Selbstmedikation um rund ein Drittel.

Der Arzneimittelmarkt in den Niederlanden unterteilt sich in drei Kategorien: Arzneimittel, die nur in Apotheken verkauft werden dürfen, in Apotheken und Drogerien und Arzneimittel, die allgemein verkäuflich sind. Dies führte dazu, dass nur noch etwa 17% der zweiten Kategorie in Apotheken abgegeben werden, der Rest findet sich in Drogeriemärkten wieder.

In Großbritannien hat die Politik ein positives Umfeld für die Selbstmedikation geschaffen – nicht zuletzt aus Kostengründen. Ziel ist es, die Bürger von unnötigen Arztbesuchen abzubringen. Die Politik ermutigt die Bürger, mehr Selbstmedikation zu betreiben, zum Teil auch bei chronischen Erkrankungen. So ist die Politik bestrebt, möglichst viele Arzneimittel in die Selbstmedikation zu entlassen. Jedes Jahr, so das Ziel der Gesundheitspolitik, sollten fünf bis zehn Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht in die Selbstmedikation entlassen werden. So wurden beispielsweise im Jahr 2005 u. a. Arzneimittel für die Behandlung einer Zystitis, von Schlaflosigkeit, Arthrose und Reizdarm für die Selbstmedikation frei gegeben. 2007 soll es die Pille danach, Statine, Protonenpumpenhemmer, Chloramphenicol und Sumatriptan ohne Rezept geben. 2008 stehen orale Kontrazeptiva, Präparate zur Osteoporoseprävention, gegen Prostatahypertrophie, bestimmte Antiadiposita und Antibiotika gegen Chlamydien zur Entscheidung an.

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