DAZ aktuell

Norddeutsches Apothekenrechenzentrum

Zuversicht trotz Bedrohungen

HAMBURG (tmb). Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) am 9. Juni in Hamburg stand die berufspolitische Gesamtsituation im Vordergrund. Dazu wies der NARZ-Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue auf das Gerücht hin, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe geäußert, es werde keinen Fremd- oder Mehrbesitz bei Apotheken geben, solange sie im Amt sei.

Diese Aussage stehe ebenso wie der diesbezügliche Beschluss des Deutschen Bundestages von 2006 den Auffassungen des Celesio-Chefs Dr. Fritz Oesterle entgegen, der die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes als unausweichlich bezeichne und die Abgeordneten zu einer geregelten Liberalisierung aufgerufen habe. Damit verfolge er das durchsichtige Ziel, branchenfremde Kapitalanleger vom deutschen Apothekenmarkt fernzuhalten und diesen im Wesentlichen zwischen den bestehenden Großhändlern aufzuteilen. Denn auch er fürchte zu Recht die Rezeptsammelstellen der Drogeriemärkte wie der Teufel das Weihwasser. Die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sei keinesfalls ein Selbstläufer. Falls es aber doch dazu komme, bleibe entgegen den "Sirenengesängen" von Oesterle nur die unbeschränkte Niederlassungsfreiheit.

In der vermeintlich aussichtslosen Situation der Apotheker liege aber auch ein strategischer Ansatz, denn der Verbund aller Kräfte der Apothekerschaft sei kaum zu überschätzen. So sei es nach der Übernahme von DocMorris durch Celesio schon zur Verschiebung erheblicher Marktanteile bei der deutschen Gehe gekommen. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann sich die Umsatz- und Renditeverluste spürbar auf den Kurs der Celesio-Aktie auswirken würden. Bereits jetzt sei die Aktie von ihrem spektakulären Höchstkurs unmittelbar nach Bekanntgabe der Übernahme "meilenweit" entfernt.

Graue beklagte die desaströse Situation hinsichtlich der Rabattverträge. Die Apotheker würden wieder einmal zu Frondiensten verurteilt, indem sie für die nötige Lagerhaltung und EDV-Technik aufkommen und sogar prüfen müssten, ob die auszutauschenden Präparate überhaupt für die jeweilige Indikation zugelassen sind. Ein Ende der chaotischen Zustände sei nicht abzusehen, zumal immer mehr Krankenkassen Verträge abschließen und dabei skrupellos ihre Marktstellung ausnutzen würden. Wenn auch das Kartellrecht hier nicht angewendet würde, so habe doch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen die Krankenkassen angeschrieben. Denn es bestehe der Verdacht, dass die vorgeschriebenen Ausschreibungsregeln nicht eingehalten worden seien. Erst wenn das Chaos die Kassen erreiche, werde vielleicht die Einsicht greifen, dass Zielpreisvereinbarungen der bessere Weg gewesen wären.

Zudem wies Graue auf die unterschiedlichen Sichtweisen von Apothekern und Krankenkassen zur Auftragung der Sonder-PZN bei Nichtlieferbarkeit hin. Er schlage dazu vor, im Faktorfeld eine "9" einzutragen. Die bisherigen Rückmeldungen von den Krankenkassen zu dieser Lösung seien positiv. In der Diskussion wurde darüber hinaus beklagt, die Rabattverträge würden vielfach die Erfüllung der Importquote vereiteln. Graue meinte, dieses Problem sei den Verträgen immanent und letztlich vom Gesetzgeber so gewollt. Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, erklärte, die Apotheker würden dieses und ähnliche Probleme bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen immer wieder ansprechen.

Papier sichert Daten

Graue wies zudem auf ein absehbares künftiges Problem hin, das aber auch zu einer möglichen Zukunftsaufgabe für die Rechenzentren führen könne: die Langzeitarchivierung von Patientendaten bei der Umsetzung des elektronischen Rezeptes. Die Techniken zur Speicherung digitaler Daten wechseln schnell und machen die Information zu einer flüchtigen Materie. Dennoch sei vorgesehen, das pharmazeutische und medizinische Gedächtnis der Patienten Maschinen zu überantworten, deren Konservierungspotenzial und Zuverlässigkeit fragwürdig sei. Dagegen habe sich Papier für die Langzeitspeicherung bewährt. So könnte das paradoxe Phänomen entstehen, dass Papier den Datenbestand für die digitalen Nachfahren der heutigen elektronischen Speichermedien sichern muss, obwohl sie das Papier eigentlich überflüssig machen sollten. Insgesamt sieht Graue das NARZ durch die Beteiligung am Flensburger Modellprojekt gut auf die Herausforderungen durch das elektronische Rezept vorbereitet. Einen Bericht zur Entwicklung des NARZ und zur Vorstandswahl finden Sie auf Seite 90.

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