Nach dem EuGH Urteil

Was wir brauchen ist die Politik

21.11.2016, 13:00 Uhr - Ein Blog-Beitrag von DAZ.online-Mitglied Veit Eck

Was bringt die Politik dem Apotheker? (Foto: dpa)

Was bringt die Politik dem Apotheker? (Foto: dpa)


Die Botschaft kommt zurzeit über alle Medien: Frau Merkel tritt wieder an, sie möchte eine vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Mit wem möchte und mit wem könnte sie regieren? Gibt es weiterhin eine große Koalition in Berlin? Und gleichzeitig frage ich mich,  ist das gut oder schlecht für uns Apothekerinnen und Apotheker. 

Können wir uns wirklich auf die Stimmen in der Koalition verlassen, die den Versand von Rx Arzneimitteln stoppen wollen? 

Die Formel ist auf den ersten Blick eigentlich ziemlich einfach – Frau Merkel, und ihr Gesundheitsminister Gröhe sind eine sehr eng zusammenstehende politische „pressure group“. Wenn die Chefin Bundeskanzlerin bleibt, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass ihr Bundesgesundheitsminister uns in dieser Funktion erhalten bleibt, oder vielleicht sogar noch enger in das Machtzentrum rücken wird – und die Frage stellt sich:  Hat das wirklich eine beschleunigende Wirkung auf die Absicht, das Rx Arzneimittel Versandhandelsverbot per Gesetz durchzusetzen?

Leider ist Politik nicht so einfach. In der noch amtierenden großen Koalition bremsen einige SPD Größen genau diese Absicht aus;  und auch das ist ziemlich SPD typisch, aus völlig verschiedenen Gründen. Da ist Sigmar Gabriel, politisch groß geworden in Schröders Niedersachsen, und offensichtlich in wirtschaftlichen Fragen genauso neoliberal wie sein langjähriger Mentor. Das ist ein fruchtbarer Boden, wo genau dieser „Un“Geist des EuGH Urteils aus der Flasche kommt, und kaum mehr einzufangen ist. Dem freien Warenverkehr hat sich alles unterzuordnen. Basta!

EuGH-Urteil zeigt Verwerfungslinien der Koalition

Aus dem Wirtschaftsministerium ist nichts Gutes für diese Tante Emma Läden – die öffentlichen Apotheken in Deutschland – zu erwarten. Die Sympathie für Kapitalgesellschaften, für börsennotierte Marktteilnehmer, ist dort ziemlich offensichtlich. Und  die Rx Versender aus den Niederlanden sind Kapitalgesellschaften. Das von Sigmar Gabriel geführte Wirtschaftsministerium ist der Kern der neoliberalen Systemveränderung in diesem Sinn. Weg von kleinen Einheiten, hin zu systemrelevanten Blöcken und Substrukturen. Meiner Meinung nach verläuft hier in der großen Koalition eine der wirklich wichtigen Verwerfungslinien.

Und da ist noch der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, Mediziner und Professor am Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie der Universität Köln. Dazu muss man wissen, welche Denkschulen es in diesen Bereichen der Theoretischen Medizin gibt. Es sind Denkansätze, die eine Digitalisierung der medizinischen Versorgung in Deutschland massiv beschleunigen möchte. Und in diesem Denkansatz sind Versandhandel und die Distribution von  Rx Arzneimittel im Netz eigentlich fast schon integriert. Das erklärt auch, warum Karl Lauterbach von einem kleinem Pflänzchen spricht, das nicht kaputt gemacht werden dürfe.

Nicht zu vergessen im Gesetzgebungsverfahren ist der Bundesrat. Auch da gibt es verschiedene Meinungen. Zwar haben einige Landesgesundheitsminister sich eindeutig pro Rx Versandverbot positioniert, aber kann auch ziemlich relativ sein.  Da gibt es Anfang 2017 mehrere Landtagswahlen, im März im Saarland und im Mai in Schleswig Holstein und in Nordrhein Westfalen. Das sind ungute Bedingungen, die eher vermuten lassen, dass im Bundesrat die große Zustimmung fehlen wird. Die Apotheker wird man im Wahlkampf wohl nur mit der Kneifzange anpacken, denn welcher Politiker will sich mit den populistischen Rx Boni und Patienten Selbsthilfegruppen auseinandersetzen. Das bedeutet Wählerstimmen, und die  könnten am Ende besonders der SPD fehlen.

Die ABDA möchte gerne in den nächsten 6 Monaten ein eigenes Gesetzgebungsverfahren zum Verbot von Rx Boni durchsetzen. Dies soll noch rechtzeitig vor den Bundestagswahlen dem neuen Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden. Das ist ziemlich ambitioniert und eigentlich nicht zu schaffen. Nur und das ist die traurige Wahrheit, ohne die Politik geht in Sachen EuGH Urteil gar nichts mehr.

Traurige Wahrheit für Apotheker

Jeder Tag, an dem nichts passiert, bedeutet uneingeschränkten Zugang für große Kapitalgesellschaften im Ausland zum deutschen Rx Arzneimittelmarkt. Und diesen Kampf werden viele öffentliche Apotheken auf lange Sicht verlieren. Und das ist genauso wichtig, auch die Patienten.  Wenn ein Shareholder Value das letztlich entscheidende Kriterium, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, werden sollte, verlieren alle Menschen, die sich das nicht mehr leisten können. Und die gesetzlichen Krankenkassen gehören mit dazu.

Wer ist so naiv und glaubt wirklich die Werbebotschaften der Rx Versender in den Niederlanden. Es geht nur um Umsatz und Gewinn. Die GKV bezahlt 2016 rund 35 Milliarden Euro für Arzneimittel und daran wollen sie partizipieren. Die angestrebten 10 Prozent entsprechen etwa dem Umsatz der gesamten Kosmetikbranche. Und das wäre erst der Anfang.

Der Arzneimittelmarkt ist in Bewegung. Immer wieder gibt es Markt-Rücknahmen bei innovativen Arzneimitteln, weil nach der obligatorischen Nutzenbewertung des GBA  die fest eingeplanten Preise für den pharmazeutischen Hersteller nicht realisierbar sind. Eine weitere Oligopolisierung in der Kette, in der Distribution und in der Logistik, macht es letztlich für den Endverbraucher nur teurer – die laut verkündeten Rabatte wird es dann sehr bald nicht mehr geben.

Ökonomisch ist es für Wirtschaftspuristen nicht verständlich, aber es ist die Wahrheit: Das einheitliche Arzneimittelpreissystem mit der Distribution über 20.000  öffentliche Apotheken sorgt trotz aller restriktiven Regelungen im SGB V für die Bezahlbarkeit der Arzneimittel im deutschen Gesundheitssystem. Ein Systemwechsel, so wie er vom EuGH per Urteil zugelassen wurde, ist nicht die versprochene rosige Zukunft.

Was wir brauchen ist die Politik, und dafür müssen wir alle mehr tun!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion von DAZ.online.


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2 Kommentare

"Was wir brauchen ist die Politik"

von Frank Bünder am 19.02.2017 um 19:57 Uhr

Ja genau, hahah !! Hat deutliche Merkmale eines Kindergartens mit unmündigen Kleinkindern. Immer schon nach der "Mama" schreien, anstelle den eigenen "Saustall" mal selbst in Ordnung zu bringen! Die Versandhändler sind ja schließlich auch Apotheker, oder etwa nicht? Wieso ist der Apotheker eigentlich in einer Kammer organisiert ??? Wer weiß es ... ?

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Ja! Fangt schon mal an.

von Bernd Jas am 09.12.2016 um 11:12 Uhr

"Was wir brauchen ist die Politik, und dafür müssen wir alle mehr tun!"
So ist es!
Herr Barleben ist extra für unsere Kreisstellenversammlung in Troisdorf angereist und traf auf die überwältigende Masse von ca. 30-40 Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bonn-Rhein-Sieg-Kreis; darunter waren ein nicht unerheblicher Teil (>10%) die sich schon im Ruhestand befinden.

Also liebe Politiker, angesichts des so enormen Interesse an dem Ernst der Lage aus den apothekerlichen Reihen, könnt ihr ruhig machen was ihr wollt, ihr habt fast keinen bis keinen Widerstand zu erwarten.

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