Expopharm 2024

Ultraschnelles statt Basal-Insulin gespritzt – was tun?

München - 10.10.2024, 17:45 Uhr

Ultraschnelles Insulin lispro im Fertigpen wurde einer Patientin zum Verhängnis. (Symbolfoto: omar/AdobeStock)

Ultraschnelles Insulin lispro im Fertigpen wurde einer Patientin zum Verhängnis. (Symbolfoto: omar/AdobeStock)


Auf der Expopharm wurde in einer Expertenrunde darüber gesprochen, dass Medikationsfehler vor allem auch bei der komplexen Arzneiform der Insuline auftreten – und wie jene in Apotheken erkannt und vermieden werden sollten. Apothekerin Dr. Helga Auer-Kletzmayr aus Österreich stellte verschiedene Fallbeispiele vor, die ihr im Beratungsalltag begegnet sind.

Frau Dr. Nina Griese-Mammen, Geschäftsbereich Arzneimittel der ABDA, stellte zu Beginn der Diskussion klar: Medikationsfehler sind relevant, laut Schätzungen komme es deshalb zu rund 250.000 Krankenhauseinweisungen pro Jahr. In einer Studie mit 130 Apotheken, 14.231 Patientinnen und Patienten und 24.422 verordneten Arzneimitteln seien 4% der aufgetretenen 3.232 arzneimittelbezogenen Probleme bei Antidiabetika aufgetreten. 

Insulin-Pen vertauscht

Dr. Helga Auer-Kletzmayr erläuterte, dass sie oft Fälle in der Apotheke aufdecke und berichtete von verschiedenen Beispielen. Darunter das Beispiel einer Patientin, die sich versehentlich eine viel zu hohe Anzahl von Insulin-Einheiten spritzte.

Der Fall:

Die Medikation der Typ-1-Diabetikerin bestand aus dem

  • Basal-Insulin glargin U-300 im Fertigpen, täglich 16 Einheiten am Morgen, und dem
  • ultraschnellen Insulin lispro im Fertigpen in der Dosierung 1,2 Einheiten pro Kohlenhydrateinheiten am Morgen – 1 Einheit pro Kohlenhydrateinheiten am Mittag – 1,2 Einheiten pro Kohlenhydrateinheiten am Abend.

Die Patientin, obwohl schon seit 20 Jahren Diabetikerin, hatte am frühen Morgen versehentlich die ähnlich aussehenden Pens verwechselt und sich mit 16 Einheiten eine enorme Überdosis des ultraschnellen Insulins lispro gespritzt. Was also sollte man nun raten, wenn eine Patientin oder ein Patient in der Apotheke anruft und diesen Fall schildert?

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Auer-Kletzmayr gab folgende Tipps: 

  • Zunächst einmal sollte die Patientin essen! 40 bis 50 g „schnelle“ Kohlenhydrate in Form von flüssiger Glucose sowie „langsame“ Kohlenhydrate, z. B. Vollkornbrot oder Haferporridge mit Honig, sollten eingenommen werden.
  • Zudem sollte der Patient bzw. die Patientin den Blutglucose-Wert streng überwachen und häufig messen.
  • Das Glucagon-Nasenspray sollte bereitgehalten werden.
  • Die Apothekerin riet, das Basalinsulin vorerst nicht zu spritzen, sondern abzuwarten, bis die Wirkung des ultraschnellen Insulins abklingt. Bei einer so hohen Dosis wie im Fall dauere das circa drei bis fünf Stunden.
  • Auch wichtig: Die Patientin oder der Patient sollte nicht allein gelassen und die Notrufnummer bereitgehalten werden.

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Zum Schluss deckte Auer-Kletzmayr auf: „Die Patientin war ich selbst“. Der Fall zeigt, dass solch ein Fehler jedem passieren kann, auch erfahrenen Apothekerinnen. Um zu vermeiden, dass so etwas in Zukunft nochmals passiert, wechselte Auer-Kletzmayr einen der beiden Pens zu einem roten Modell, das sich farblich stark unterscheidet.


Julia Stützle, Apothekerin und Volontärin


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