Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

01.01.2023, 07:30 Uhr

Noch ein kleiner Blick zurück aufs alte Jahr – und dann schauen wir nach vorne! (Foto: Alex Schelbert)

Noch ein kleiner Blick zurück aufs alte Jahr – und dann schauen wir nach vorne! (Foto: Alex Schelbert)


Darf man nur seinen Arzt oder Apotheker fragen oder auch seine Ärztin oder Apothekerin? Ja, die Genderdebatte ist beim Pflichttext der Pharmawerbung angekommen. Kein Thema für den Silvesterabend, schon eher die Frage, die wir uns Apothekers stellen sollten: Wann ist man eigentlich eine gute Apothekerin, ein guter Apotheker? Schon mal was von Soft Skills gehört? Und dann haben wir noch ein tolles Impfportal in Ba-Wü. Außerdem die Frage, ob wir die Lauterbachschen Gesundheitskioske wirklich brauchen und einen zauberhaften Ausblick auf 2023 mit nur guten Schlagzeilen. Mögen Sie in Erfüllung gehen. 

27. Dezember 2022

Ein Thema für die Zeit „zwischen den Jahren“: Wie gendert man beim Pflichttext in Werbeaussagen richtig? Es scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein, wenn es da heißt: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Was ist mit der Apothekerin und der Ärztin? Unbestritten, mein liebes Tagebuch, wir sind in den zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts und das Bewusstsein dafür, dass es bei den Berufsbezeichnungen nicht nur die männliche Form gibt, setzt sich durch. Ein Bündnis aus Gesundheitsverbänden will den Pflichttext jetzt ändern. Mit dabei ist auch die ABDA und Minister Lauterbach unterstützt die Forderung. Also, nehmen wir die Fakten: die Apothekerschaft ist überwiegend weiblich (die Ärzteschaft rund zur Hälfte). Es gibt also mehr Apothekerinnen als Apotheker. Ich kann verstehen, dass die Mehrzahl der Apothekerinnen nicht mit „Apotheker“ oder „Frau Apotheker“ angesprochen werden will – obwohl es auch Apothekerinnen gibt, dies sich selbst als Apotheker bezeichnen und denen das egal ist. Und es gibt einige Apotheker, die diese Debatte für überflüssig halten und die männliche Form als die einzig wahre Form der Bezeichnung ansehen. Die Bevölkerung habe sich in der Mehrheit daran gewöhnt, dass bei Berufsbezeichnungen die männliche Form genommen werde, so ein Argument.  Begründet wird dies meist damit, dass es einfach praktikabel sei, bei der Nennung eines Berufs nur eine Form zu nehmen und zwar, ganz klar, die männliche, so meinen es manche. Dann fangen wir doch hier an: Wir könnten uns doch darauf verständigen, dass sich die Berufsbezeichnung danach richtet, ob Männer oder Frauen in diesem Beruf dominieren – in unserem Fall also „die Apothekerin“. Wie geht’s den Herren Apotheker damit, wenn überall von Apothekerin die Rede ist? Wenn man zu Risiken und Nebenwirkungen Ihre Ärztin oder Apothekerin“ fragen soll? Na also, geht doch. Ein anderes Argument gegen das Gendern ist, dass die Sprache, die Texte holpriger werden. Mein liebes Tagebuch, da ist was dran. Beim Sprechen nach einer Kunstpause oder einem Zungenschnalzer das „in“ für die weiblich Form anzufügen, klingt eher nach Stottern und nicht wirklich geschmeidig. Ähnlich in Texten: Das versuchte Verschmelzen von männlicher und weiblicher Form durch Doppelpunkt, Sternchen oder andere Krücken plus „in“, ist in der Tat alles andere als elegant und flüssig. Und bei Nennung der Berufsbezeichnung ständig „Apothekerin und Apotheker“ auszuführen, kann bei einigen Texten mehr als zäh daherkommen. Nicht zu vergessen, wir haben noch die Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen – wie möchten sie geschlechtsneutral in ihrer Berufsausübung angesprochen werden? Zurück zum Pflichttext in Werbeaussagen: Wie könnte man ihn neutral formulieren, ohne dass er noch länger wird und sich alle wiederfinden, Männlein, Weiblein und alle dazwischen? Mein liebes Tagebuch, da hilft vermutlich nur eins: Wir nehmen Einrichtungen statt Personen: „…und fragen Sie Ihre ärztliche Praxis oder Ihre Apotheke“.

 

28. Dezember 2022

Liebe Tagebuch-Leserin, lieber Tagebuch-Leser, wenn Sie Pharmazeutin, wenn Sie Pharmazeut sind, Hand aufs Herz: Sind Sie eine gute Apothekerin, sind Sie ein guter Apotheker? Wie sehen Sie sich selbst? Was heißt es überhaupt, eine gute Apothekerin, ein guter Apotheker zu sein? Gute Frage, mein liebes Tagebuch. Die Frage hat sich auch Pharmaziestudentin Miriam Sprafke gestellt. Sie ist Präsidentin des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Sie bringt es so auf den Punkt: Als Apothekerin, als Apotheker zu arbeiten, bedeutet in einem sozialen Gesundheitsberuf zu arbeiten, mit Menschen zu interagieren. Und da reicht es nicht, sein Examen mehr oder weniger gut bestanden und die Approbation erhalten zu haben. Denn das ist nur die eine Seite der Medaille, das sind die Hard Skills, also die pharmazeutischen Kompetenzen und fachliche Fähigkeiten, die abgefragt und geprüft werden. Um aber eine wirklich gute Apothekerin, ein wirklich guter Apotheker zu sein, sollte man noch mehr Fähigkeiten haben, nämlich gut sein in den Soft Skills: Es sind die Fähigkeiten, wie man zwischenmenschlich agiert, wie man sein Wissen teilt, vermittelt, einsetzt, kurz die persönlichen Kompetenzen, vor allem die soziale Kompetenz. Und diese Kompetenzen werden im Studium und in der Ausbildung nicht vermittelt. Mein liebes Tagebuch, man kann der angehenden Pharmazeutin nur zustimmen: Es kommt auch auf die Soft Skills an! Aber jetzt werden sich viele fragen: Kann ich denn diese Fähigkeiten, diese Soft Skills lernen? Man kann! Zumindest ein gutes Stück weit. Und ja, es gibt sie natürlich auch, die Menschen, die von sich aus solche Fähigkeiten zum großen Teil mitbringen, die auf Menschen zugehen können, die immer den richtigen Ton finden, die führen können. Allen anderen, bei denen solche Fähigkeiten nicht intrinsisch sind oder bei denen diese Fähigkeit erst geweckt werden müssen, sei gesagt, dass Soft Skills auch gelernt, trainiert werden können. Der BPhD und viele andere Studierendenverbände sehen es kritisch, dass Soft Skills an Universitäten nicht vermittelt werden. Man kann das nachvollziehen, mein liebes Tagebuch, wobei man natürlich auch darüber diskutieren kann, ob Soft Skills im Rahmen eines Pharmaziestudiums vermittelt werden sollten oder vielleicht doch eine Art Seminar sein könnte, das man im Dritten Abschnitt besuchen kann. Letztlich sind Soft Skills nicht nur in der Offizin gefragt, sondern können genauso nützlich sein, wenn der Arbeitsplatz z. B. die Krankenhausapotheke ist, die Hochschule, die Industrie ist. Also, mein liebes Tagebuch, ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft den Unterschied am Arbeitsplatz macht, ob man Fertigkeiten auf dem Gebiet der Soft Skills hat. Pharmaziestudierende sollten in Zukunft mit diesem Thema bekannt gemacht werden und die Möglichkeit haben, solche Fertigkeiten zu trainieren. Ein Thema, bei dem ich mir durchaus vorstellen kann, dass es in die neue Approbationsordnung einfließt, die sich gerade in statu nascendi befindet.

 

29. Dezember 2022

Das Impfportal in Baden-Württemberg (impftermin-bw.de) wurde aufgerüstet. Die Bürgerinnen und Bürger können dort nicht nur Termine für eine Covid-19-Impfung buchen, sondern auch für eine Grippeschutzimpfung. Angezeigt werden alle freien Impftermine von Praxen und Apotheken, die ihre freien Termine in dieses Portal eingetragen haben. Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) forderte alle Praxen und Apotheken auf, ihre freien Impftermine in dieses Portal einzutragen. Mein liebes Tagebuch, ich habe mir das Impftermin-Portal von Baden-Württemberg mal angeschaut. Meiner Einschätzung nach ist es gut aufgebaut und leicht zu bedienen. Ein ähnliches gemeinsames Portal von Praxen und Apotheken für die Covid-19- und die Grippeschutzimpfung habe ich in dieser Form in anderen Bundesländern nicht gefunden. Schade. Nicht wirklich eine Alternative, aber immerhin eine kleine Unterstützung, um impfende Apotheken zu finden, ist das Gedisa-Apothekenportal mein-apothekenmanager.de. Gelistet werden hier natürlich nur Apotheken, die sich bei diesem Gedisa-Portal registriert haben. Mit einer Filterfunktion kann sich der Suchende dann Apotheken mit den für ihn relevanten Serviceleistungen anzeigen lassen, z. B. Apotheken, die die Covid-19- und die Grippeschutzimpfung anbieten. Mögliche freie Termine von Apotheken lassen sich auf diesem Portal allerdings nicht einsehen oder vereinbaren. Mein liebes Tagebuch, von einem bundesweiten Impfportal mit Terminauswahl von Apotheken und Praxen sind wir also in Deutschland leider noch weit, weit entfernt.

 

Klamme Kassen bei den Kassen – aber das hält Karl Lauterbach nicht davon ab, an seiner Herzensangelegenheit festzuhalten: 1000 Gesundheitskioske will er bundesweit einrichten, mitfinanziert u. a. von den gesetzlichen Krankenkassen. Sinnvoll oder nicht? Mein liebes Tagebuch, auf den ersten Blick ist so ein Gesundheitskiosk vielleicht nicht so verkehrt, gäbe es nicht so viele Wenns und Abers gäbe, z. B.: Die Kioske belasten Krankenkassen und Kommunen finanziell, sie benötigen gut ausgebildete, z. T. mehrsprachige Fachkräfte, Pflegekräfte, die heute schon in Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheimen fehlen. Die Frage, ob da mit den Gesundheitskiosken Parallelstrukturen aufgebaut werden, ist durchaus berechtigt. Denn die Aufgaben und Hilfestellungen, die so ein Kiosk anbieten soll, werden heute bereits von Praxen und Apotheken erbracht – allenfalls stellt man mit Kiosken eine leichteren Zugang zu diesen Leistungen zur Verfügung. In der Ärzte- und Apothekerschaft sind diese Kioske daher auf wenig Gegenliebe gestoßen. Nicht so beim beim Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VdPP), er kann sich durchaus eine Kooperation von Apotheken mit Kiosken vorstellen und listet Möglichkeiten auf, wie sich Apotheken bei den Kiosken einbringen können. Mein liebes Tagebuch, na klar, theoretisch können wir uns das vorstellen – in der Praxis brauchen wir dann bitte auch klare Spielregeln und eine Honorar für unsere Leistungen. Es wäre zu viel verlangt, wenn Apotheken solche Kioske pharmazeutisch unterstützen sollten ohne Gegenleistung. Also, sollte das Projekt Gesundheitskiosk ernsthaft zum Laufen kommen, könnte man z. B. darüber nachdenken, die Apothekenbeteiligung in eine neue pharmazeutische Dienstleistung zu gießen.

 

30./31. Dezember 2022

Mein liebes Tagebuch, Schluss mit dem alten Jahr. Es hat uns in unserer pharmazeutischen Welt lange genug genervt und negativ überrascht (von den dramatischen Ereignissen draußen in der  Welt ganz zu schweigen). Klar, es gab auch Lichtblicke. Vielleicht hat das alte Jahr die Pharmazie, die Apothekerei trotz mancher Widrigkeit ein kleines Stück vorwärts gebracht, z. B. mit den honorierten  pharmazeutischen Dienstleistungen. Obwohl, nun ja, nicht alle davon überzeugt sind und das alles noch nicht zu Ende gedacht ist. Dann haben wir die Impfungen in Apotheken, die auch ein Anfang sein könnten in Richtung präventive Pharmazie. Und vielleicht verstetigt sich ja auch die eine oder andere Erleichterung bei der Auswahl von Arzneimitteln, die während der Corona-Pandemie eingeführt wurde. Hier muss sich auch vor dem Hintergrund der Lieferengpässe etwas tun.

Also, was uns bleibt am Jahresende ist der Blick nach vorne – und ohne Optimismus wird das nicht gehen. Freuen wir uns auf Schlagzeilen im neuen Jahr, die vielleicht wie folgt aussehen könnten:

– „ABDA-Struktur verschlankt sich“
– „Vom ABDA-Tanker zum ABDA-Schnellboot“
– „Neue ABDA-Struktur: professionelles Management an der Spitze“
– „Overwiening mit Lauterbach in Klausur“
– „E-Rezept läuft – aber wohin?“
– „EU-Versender kämpfen ums Überleben“
– „Statt Honorarerhöhung: Der Kassenrabatt fällt weg“
– „Kein Nullretax mehr!“
– „Honorartopf für pharmazeutische Dienstleistungen wird dynamisiert“
–„Zehn weitere pDL verabschiedet, Honorartopf wird aufgefüllt“
– „Approbationsordnung auf dem Weg: 10 Semester und mehr klinische Pharmazie“
– „ADA und Adexa machen Klar Schiff: Anstieg der Apotheken-Tarifgehälter um 10 Prozent“
– „Endlich: Präqualifizierung für Apotheken ist Vergangenheit“
– „In Zukunft: Gemeinsame Fortbildung für Ärzte und Apotheker“

Ich bin sicher, liebe Tagebuch-Leserin und -Leser, es fallen Ihnen noch mehr solcher Schlagzeilen ein. Schreiben Sie sie hier auf!
Eine positive Schlagzeile gibt es tatsächlich schon: „Kondome in Frankreich ab Januar gratis“. Aber eben nur in Frankreich.

 

1. Januar 2023

Mein liebes Tagebuch und ich wünschen Ihnen ein gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr! Bleiben Sie optimistisch! Es geht nicht ohne Apotheke! Wenn es sie nicht gäbe, müssten wir sie erfinden. 

In diesem Sinne, 
Ihr Peter Ditzel


Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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1 Kommentar

Gesundheitskiosk

von Gregor Nelles am 01.01.2023 um 16:12 Uhr

Die von Professor Lauterbach gewünschten Gesundheits Kioske können nur finanziert werden, durch die Ersparnisse im Apothekensektor. Wenn wir Apotheke jetzt hingehen und die Gesundheits Kioske unterstützen und mit ihnen zusammenarbeiten, so wäre es so, als würden wir die in Deutschland knappen Arzneimittel nach Holland zum Versandhandel von Doc Morris schicken. Es kann doch nicht ernsthaft von einer guten Zusammenarbeit mit den Gesundheits Kiosken ausgegangen werden, wenn das knapp vorhandene Personal in den Gesundheitsberufen dorthin ab wandert. Wir benötigen dringend Fachpersonal. Apotheker:innen, PTAs und PKAs und müssten sie mit möglicherweise nach Tarifgehältern des öffentlichen Dienstes bezahlten Gesundheits Kiosken teilen. Das wäre so, als würden wir unsere waren Läger mit 20 oder 30 % Rabatt an Doc Morris verkaufen. Eine Zusammenarbeit mit Gesundheits Kiosken ist für mich undenkbar, denn Beratung, Vorsorge, Aufklärung über gesundheitliche Themen gehören in die Hände von Ärzten: innen und Apotheker:innen,. daher sehe ich eine flächendeckende Entstehung von Gesundheits Kiosken überhaupt nicht in der Zukunft. Gerne können Fachkräfte, mit ausgeprägtem Kenntnissen über Erkrankungen und deren Behandlungsmethode als Beratungspersonal für die Apotheke tätig sein. Aber eine eigene Institution wie einen Gesundheits Kiosk werde ich keinesfalls unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen,
Gregor Nelles

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