Nitrosamin-Krise

Grenzwerte für N-Nitrosomethylphenidat und N-Nitrosonortriptylin veröffentlicht

Stuttgart - 31.05.2022, 16:45 Uhr

Tabletten sind meist schön weiß – aber sind sie auch „sauber“? (Foto: ireneromanova / AdobeStock)

Tabletten sind meist schön weiß – aber sind sie auch „sauber“? (Foto: ireneromanova / AdobeStock)


Derzeit rücken Nitrosamine, die sich von Wirkstoffen ableiten, verstärkt in den Fokus der Risikoanalysen der Behörden und der pharmazeutischen Industrie – bekanntermaßen eine Folge der Sartan-Krise. Könnten bald neue Wirkstoffe von Rückrufen betroffen sein?

Im Laufe der (ursprünglichen) Sartan-Krise kamen seit dem Sommer 2018 nicht nur immer neue mit Nitrosaminen verunreinigte Arzneimittel, sondern auch immer neue Nitrosamine hinzu, die in den Arzneimitteln gefunden wurden. Nicht alle Funde führten zu Rückrufen, auch weil im Rahmen der Nitrosamin-Krise erlaubte Grenzwerte festgelegt wurden. 

Bekannt vorkommen dürften Apothekerinnen deshalb die verschiedenen Abkürzungen wie NDMA, NDEA, NMBA und DIPNA. Verhältnismäßig neu ist demgegenüber, dass Hersteller auch an sogenannte Wirkstoff-Nitrosamine (NO-API (active pharmaceutical ingredient)) wie N-Nitroso-Vareniclin im Raucherentwöhnungsmittel Champix oder N-Nitroso-Quinapril in Blutdrucksenkern denken müssen. 

In den USA war 2021 auch N-Nitrosoirbesartan gefunden worden und erst kürzlich gab es in Deutschland einen Rückruf aufgrund von Nitroso-Rasagilin, während in den USA auch Rückrufe aufgrund von Nitroso-Orphenadrin (ein zentral wirksames, nicht sedierendes Skelettmuskelrelaxans) erfolgten. Die Frage, welche NO-API noch gefunden werden könnten, liegt also nahe.

Vergangenen Mittwoch hat nun die europäische Arzneimittelbehörde EMA das Fragen- und Antwort-Dokument für Zulassungsinhaber zu Nitrosaminverunreinigungen aktualisiert. Darin wurde Frage 10 aktualisiert: „Welche Grenzwerte gelten für Nitrosamine in Arzneimitteln?“ Dabei ist interessant, dass jetzt nicht nur Grenzwerte für NDMA, NDEA, DIPNA und Co angegeben werden, sondern eben auch beispielsweise für N-Nitroso-Varenicilin und N-Nitroso-Rasagilin. Neu finden sich dort zudem N-Nitrosomethylphenidat und N-Nitrosonortriptylin. Methylphenidat dürfte der breiten Masse besser als Ritalin bekannt sein, das vor allem bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Störung (ADHS) zum Einsatz kommt. Nortriptylin gehört zu den trizyklischen Antidepressiva. Zu beiden Arzneistoffen sind jedoch noch keine Rückrufe bekannt geworden. 

Lösungsmittel und Sitagliptin

Anderen bei der EMA neu gelistete Nitrosaminverunreinigungen und ihre Grenzwerte sind ebenso interessant: So wird ein Grenzwert für N-Nitrosopiperidin angegeben. Piperidin kommt vor allem als Lösungsmittel zum Einsatz. Zur Erinnerung: Das Lösungsmittel Dimethylformamid (DMF) stand bei der Ursachensuche der Nitrosaminverunreinigungen von Beginn an im Fokus. 

Was sich hinter „7-Nitroso-3-(trifluoromethyl)-5,6,7,8-tetrahydro[1,2,4]triazolo- [4,3- a]pyrazine“ verbirgt, dürfte nicht jedem klar sein. Auf „PubChem“ findet sich jedoch zu „3-(Trifluoromethyl)-5,6,7,8-tetrahydro-[1,2,4]triazolo[4,3-a]pyrazine hydrochloride“ nur eine weitere Literaturstelle, in der mit Schwärzungen die Synthese von Sitagliptin dargestellt wird. Auch das ungeübte Auge kann die Ringstruktur schließlich leicht in der Strukturformel von Sitagliptin wiedererkennen.

Ebenfalls neu werden Grenzwerte für „N-nitroso-1,2,3,6-tetrahydropyridine“ und „N-methyl-N-nitrosophenethylamine“ angegeben. Am 4. Mai wurden zudem die Inhalte des dritten Treffens der „Nitrosamine Implementation Oversight Group“ (NIOG) mit der pharmazeutischen Industrie veröffentlicht. Entsprechende Dokumente können seit dem 25. Mai bei der EMA eingesehen werden. 

Die Überprüfung der chemischen Arzneimittel auf Nitrosamine sollte sich derzeit in den letzten Zügen befinden. Die Frist endet am 26. September 2022. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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