Stellungnahmen zur Änderung der Arzneimittel-Richtline

Hersteller lehnen Biosimilar-Austauschpflicht in Apotheken ab

Berlin - 20.05.2022, 14:00 Uhr

Dass Apotheken Biologika automatisch gegen Biosimilars austauschen sollen, trifft bei den Herstellerverbänden auf wenig Zustimmung. (s / Foto: DAZ / Schelbert)

Dass Apotheken Biologika automatisch gegen Biosimilars austauschen sollen, trifft bei den Herstellerverbänden auf wenig Zustimmung. (s / Foto: DAZ / Schelbert)


Der G-BA überarbeitet aktuell die Arzneimittel-Richtlinie, um dem per Gesetz ab August vorgegebenen Austausch von Biologika und Biosimilars in den Apotheken einen Rahmen zu geben. In ihren Stellungnahmen zum Entwurf gehen die Herstellerverbände hart mit dem Gremium ins Gericht: Einerseits setze es nicht um, was der Gesetzgeber fordert, andererseits überschreite es punktuell seine Kompetenzen. Die Kassen hingegen wittern massive Einsparpotenziale.

Im August soll der automatische Austausch von Biosimilars in den Apotheken kommen. Das hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) beschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss tüftelt derzeit an den Details – er muss bis dahin die Arzneimittel-Richtlinie entsprechend anpassen.

Im April rief das Gremium die Verbände dazu auf, den Entwurf für eine solche Änderung zu kommentieren. Dem kommt nicht nur die ABDA nach: Auch die Herstellerverbände beziehen Stellung zum Entwurf – sie lehnen das Vorhaben ebenso ab wie die apothekerliche Standesvertretung.

Thema verfehlt, lautet etwa das Urteil des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH): „Der Richtlinienentwurf ist in seiner Gesamtheit abzulehnen, da er einerseits nicht nur den gesetzlichen Auftrag, Hinweise an die Apotheken zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln durch Apotheken zu geben, nicht erfüllt, sondern auch über diesen Auftrag hinaus weitere Regelungen anstrebt, die über die Regelungskompetenz des G-BA hinaus gehen“, schreibt er in seiner Stellungnahme.

Aut-idem-Kreuz ist keine Lösung

Zudem gehe der G-BA fälschlicherweise von der Annahme aus, dass die Ärztin oder der Arzt einfach ein Aut-idem-Kreuz setzen könne, wenn ein Austausch der Patientin oder dem Patienten zum Beispiel wegen eines Wechsels des Devices nicht zumutbar ist, und dies bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht zu beanstanden sei. Dem sei nicht so, betont der BAH. „Die sogenannte Aut-idem-Quote ist neben der Biosimilar-Quote oder der Generika-Quote in vielen Arzneimittel- und Zielvereinbarungen (…) ein Verordnungsteuerungsinstrument, das rein quantitativ ausgerichtet ist“, erläutert der Verband. Diese Ziele müssen Vertragsärztinnen und -ärzte einhalten.

Darüber hinaus könne die Verordnerin oder der Verordner beim Ausstellen des Rezepts nicht erkennen, ob das zum Austausch anstehende Arzneimittel ein anderes Device als das verordnete Arzneimittel benötigt und hier gegebenenfalls noch eine zusätzliche, von der Krankenkasse zu genehmigende Hilfsmittelverordnung für die Versorgung des Patienten notwendig ist. „Ergo ist hier die Annahme, der Arzt könne patientenindividuell entscheiden, ein Trugschluss, der die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Versorgung der Patienten erschwert, wenn nicht gar gefährdet.“

BAH sieht haftungsrechtliche Probleme

Ähnlich wie die ABDA hält es auch der BAH für problematisch, dass Biosimilars unter Umständen im Anwendungsgebiet vom Referenzarzneimittel abweichen. „Hier sind die haftungsrechtlichen und versorgungsrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Der verordnende Arzt kann nicht dafür haftbar gemacht werden, dass durch einen Austausch ein Arzneimittel außerhalb des zugelassenen Anwendungsgebietes angewandt wird, er aber in der Folge die Verantwortung für die Therapie und die Abrechnung tragen muss, weil sich aus den Daten ein Off-Label-Use und somit sich die Grundlage für einen sonstigen wirtschaftlichen Schaden ergibt.“

Information über Austausch kaum umsetzbar

Darüber hinaus stößt sich der Verband an der geplanten Vorgabe, dass die Apotheke die Praxis über den Austausch informieren muss. „Sie geht über die Versorgungsrealität nicht nur aus datenschutzrechtlichen Gründen hinaus, sondern auch ist deren praktische Umsetzbarkeit wegen der bisher nicht vorhandenen Struktur für eine sichere Datenkommunikation zwischen Arztpraxis und Apotheke nicht gegeben.“

Eine Substitution ohne Rückmeldemöglichkeit stellt aus Sicht des BAH einen unzulässigen Eingriff in die Arzneimitteltherapie dar. Denn der Austausch in der Apotheke „ohne die Kenntnis der therapierelevanten Hintergründe und patientenindividuellen Gegebenheiten, wie sie dem Vertrauensverhältnis in der Arzt-Patienten-Beziehung vorbehalten sind, führen daher gegebenenfalls zur Herabsetzung eines bereits vorhandenen Therapieerfolges und in der Konsequenz zu einer Verunsicherung des Patienten, im schlimmsten Fall zum Vertrauensverlust in die ärztliche Kunst oder in eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes“.

AG Pro Biosimilars zweifelt an Sinnhaftigkeit des Vorhabens

Die AG Pro Biosimilars, die zu Pro Generika gehört, zweifelt zudem daran, dass die Regelung ihren Zweck erfüllen wird. „In unserem Verständnis besteht ein gemeinsames Ziel darin, spürbare Einsparungen für die Solidargemeinschaft durch den Einsatz von Biosimilars in einer Weise zu realisieren, die verantwortungsbewusst mit der derzeitig hohen Qualität und Sicherheit der Versorgung mit biologisch hergestellten Arzneimitteln umgeht“, schreibt sie in ihrer Stellungnahme zum Entwurf. „Dieses Ziel wird bereits jetzt durch den bestehenden Wettbewerb und weitere Regularien umfassend erreicht. Die geplante automatische Substitution von Biopharmazeutika in der Apotheke ist hingegen denkbar ungeeignet, da sie die Qualität und Sicherheit der Versorgung gefährdet.“

AG-Pro Biosimilars: Verantwortung nicht auf Apotheken abwälzen

Das kann auch die Möglichkeit der Apotheke, pharmazeutische Bedenken anzumelden, nicht herausreißen, meint die AG Pro Biosimilars. Zu betonen sei, dass die Option auf pharmazeutische Bedenken „nicht in einer Übertragung von originär ärztlichen Verpflichtungen auf die Apothekerschaft münden darf, wie es aus den tragenden Gründen hervorgeht. Die dort verlangte ‚Berücksichtigung der konkreten Therapiesituation‘ kann durch den Apotheker nicht hinreichend erbracht werden, da ihm die hierfür notwendigen Informationen nicht vorliegen.“

Kassen: Gute Beratung ist alles

Der GKV-Spitzenverband darf als Träger des G-BA zwar keine Stellungnahme zum Entwurf abgeben, hat aber im April einen Beitrag zur Thematik in seinem Magazin „90 Prozent“ veröffentlicht. Darin weist er auf das massive Einsparpotenzial für die Krankenkassen durch den Austausch von Biologika in der Apotheke hin: „Die Möglichkeit eines Austauschs von Biosimilars in Apotheken verstärkt den Druck auf die Hersteller, in einen Preiswettbewerb zu treten, in dem sie ef­fiziente Preise für ihre Produkte festlegen“, heißt es in dem Artikel. Dies geschehe, ohne dass sich Nachteile für die betrof­fenen Patientinnen oder Patienten ergeben. „Diese Wirtschaftlichkeitsreserven sollten für die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten und für die Zukunftsfähigkeit unseres Solidarsystems gehoben werden.“

Medizinische oder pharmazeutische Schwierigkeiten beim Austausch sieht die GKV nicht. Möglich seien lediglich Compliance-Probleme oder ein Nocebo-Effekt – beidem können die Heilberufler:innen aus Kassensicht aber mit guter Beratung entgegenwirken. „Auch wenn Erklärungen zur Gleichwertigkeit von Biosimilars und zur Anwendung unterschiedlicher Applikationshilfen herausfordernd sein können, werden die Leistungserbringer auch bei anderen komplexen Arzneiformen dieser Aufgabe gerecht bzw. müssen ihr gerecht werden. Eine Austauschbarkeit von Biosimilars stärkt somit auch die Rolle der Apothekerinnen und Apothekern in der Arzneimittelversorgung.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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