Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

NRW: Was können die Apotheken erwarten?

Berlin - 13.05.2022, 16:45 Uhr

Wahlkampf in NRW – wer wird die Nase vorn haben? Hier die Spitzenkandidat:innen: Hendrik Wüst (CDU), Thomas Kutschaty (SPD), Mona Neubaur (Grüne), Joachim Stamp (FDP), Markus Wagner (AfD) (v.l.). (Fotos: IMAGO / Panama Pictures, Revierfoto, Political-Moments)

Wahlkampf in NRW – wer wird die Nase vorn haben? Hier die Spitzenkandidat:innen: Hendrik Wüst (CDU), Thomas Kutschaty (SPD), Mona Neubaur (Grüne), Joachim Stamp (FDP), Markus Wagner (AfD) (v.l.). (Fotos: IMAGO / Panama Pictures, Revierfoto, Political-Moments)


Am kommenden Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewählt. Es dürfte spannend werden: Kann sich die CDU mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst als stärkste Kraft behaupten? In den Prognosen liegt sie nur knapp vor der SPD. Für eine Fortsetzung der Koalition mit der FDP wird es wohl nicht reichen. Dagegen legen die Grünen in den Umfragen deutlich zu. Welche Koalitionen sind möglich? Und was können die Apotheken erwarten?

Am 15. Mai sind die Menschen in Nordrhein-Westfalen aufgerufen, den Landtag neu zu wählen. Die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands ist auch ein Stimmungstest für die Bundesregierung – und sie dürfte spannend werden. Derzeit regiert im Düsseldorfer Landtag unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eine schwarz-gelbe Koalition. Sie verfügt über nur einen Sitz mehr als die Oppositionsfraktionen von SPD, AfD und Grünen. Wüst hatte das Amt erst im vergangenen Oktober vom Armin Laschet übernommen, der als gescheiterter Kanzlerkandidat seinen Posten in NRW räumte und in den Bundestag einzog. Einen großen Amtsbonus konnte Wüst sich also noch nicht erarbeiten.

Dennoch sehen die jüngsten Umfragen den CDU-Mann mit 32 Prozent der Stimmen (Wahlergebnis 2017: 33 Prozent) knapp vor seinem Konkurrenten von der SPD, Thomas Kutschaty, der zwischen 28 und 29 Prozent (2017: 32,2 Prozent) erreicht. Für eine Fortsetzung der Koalition mit der FDP dürfte das nicht reichen. Die Liberalen können den Umfragen zufolge nur noch mit 6 bis 8 Prozent rechnen – 2017 stimmten noch 12,6 Prozent der Wähler:innen für sie. Ganz anders das Bild bei den Grünen: Sie erreichten bei der letzten Wahl vor fünf Jahren gerade einmal 6,4 Prozent – nun werden ihnen bis zu 18 Prozent prognostiziert. Die AfD, 2017 mit 7,4 Prozent der Stimmen in den Landtag gewählt, kommt in den Umfragen auf rund 6 Prozent. Die Linke verpasste schon bei der letzten Wahl mit 4,9 Prozent den Einzug ins Landesparlament und wird es mit den derzeit prognostizierten 3 Prozent erneut nicht schaffen.

Doch die Umfragen sind nur ein Meinungsbild zum Zeitpunkt ihrer Erhebung. Klar ist: Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Denkbar sind verschiedene Koalitionen – etwa eine große von CDU und SPD, ein Jamaika-Bündnis, Schwarz-Grün oder doch Rot-Grün.

Doch was haben Apotheker:innen von der Wahl zu erwarten? Grundsätzlich ist Apothekenpolitik Bundespolitik – die DAZ hat dennoch bei den im Landtag vertretenen Parteien nachgefragt, wie sie zu verschiedenen apothekenpolitischen Themen stehen. Bis auf die CDU haben alle geantwortet.

SPD: „Wir setzen uns für eine öffentliche, inhabergeführte Apotheke ein“

Welche Rolle spielen die Apotheken vor Ort in Ihrem Bundesland aus Sicht Ihrer Partei? Hat sich diese Sicht möglicherweise durch die Pandemie verändert?

Apotheken sind in vielen Regionen erste Anlaufstellen, wenn Menschen sich krank fühlen. Wir setzen uns dafür ein, dass es öffentliche, inhabergeführte Apotheken gibt, die den gesetzlichen Auftrag zur flächendeckenden barrierefreien Arzneimittelversorgung gut leisten können. Apothekerinnen und Apotheker leisten in vielen Situationen einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit ihrer Kundinnen und Kunden in der ambulanten Versorgung. Die Bedeutung der Apotheken für eine gute und stabile Versorgung der Menschen hat sich auch in der Corona-Pandemie gezeigt.

SPD-Spitzenkandidat ist Thomas Kutschaty (53), hier beim Wahlkampf am 11. Mai 2022 in Bottrop (Foto: IMAGO / Revierfoto)

Können Sie sich vorstellen, dass Apotheken künftig weitere Leistungen anbieten? In Ihrem Wahlprogramm begrüßen Sie ausdrücklich, dass sie nun gegen COVID-19 impfen dürfen – sind z. B. weitere Impfangebote denkbar?

Es ist gut, dass die Apotheken in der Corona-Pandemie einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung geleistet haben. Heute impfen auch Apothekerinnen und Apotheker und andere Professionen. Dass sie es lange nicht durften, war eine unsinnige Regulierung, von denen es sehr viele gibt. Genau diese systematisch zu identifizieren und abzubauen, ist unser Auftrag in den kommenden Regierungsjahren.

Sehen Sie Möglichkeiten, unter Einbeziehung der Apotheken die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern?

Wir wollen in allen Landesteilen einen guten und wohnortnahen Zugang zu medizinischer Versorgung und gute vorsorgende Angebote, damit Menschen weniger oft krank werden. Dazu stehen wir in Nordrhein-Westfalen vor zwei Herausforderungen: Wir müssen uns besonders um die Versorgung in ländlichen Bereichen und um die Versorgung in den Stadtteilen kümmern, in denen Menschen mit geringem Einkommen leben. Die große Fachkompetenz der Apotheken wird bei den dafür notwendigen Prozessen eine wichtige Rolle spielen.

Krankenhäuser sind Landessache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat?

Zum Aufgabenbereich der Klinischen Pharmazie gehören die Optimierung des Arzneimitteleinsatzes und damit die qualitative Verbesserung der Arzneimittelversorgung der Patienten. Es erscheint sinnvoll, wenn Pharmazeuten in Krankenhäusern vor Ort im Einsatz sind, um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Von daher gilt es auch, die Möglichkeiten und Potenziale von Stationsapotheker einer Diskussion zuzuführen.

Wie stehen Sie zum Arzneimittelversandhandel?

Die Arzneimittelversorgung stellt einen wesentlichen Teil der medizinischen Versorgung dar. Der Zugang zu hochwertiger und sicherer medizinischer Versorgung für alle Bürger ist Aufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge. Ziel ist es, die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten. Dabei geht es um europarechtskonforme, patientenorientierte Lösungen, die die Apotheken vor Ort stärkt und den deutschen Versandhandel nicht benachteiligt.

Laut Wahlprogramm setzen Sie sich für die öffentliche, inhabergeführte Apotheke ein. Heißt das: Das bestehende Fremd- und eingeschränkte Mehrbesitzverbot wollen Sie nicht antasten?

Wir setzen uns für eine öffentliche, inhabergeführte Apotheke ein, weil die Apotheken vor allem die gesundheitlichen Interessen der Patientinnen und Patienten verfolgen sollen. Ziel muss eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung mit freiberuflich tätigten Apothekerinnen und Apothekern in inhabergeführten Apotheken sein. Die Frage einer Modifizierung des Fremd- und Mehrbesitzverbot ist in erster Linie eine bundesrechtliche Frage und die darüber entstehenden Diskussionen wird die NRW SPD konstruktiv begleiten.

Die Apotheken leiden unter Nachwuchsmangel in den pharmazeutischen Berufen. Wie könnte dem aus Ihrer Sicht entgegengewirkt werden? Wie stehen Sie zu dem Wunsch der Apotheker:innen, mehr Studienplätze für Pharmazie zu schaffen?

Um den Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich zu bekämpfen, müssen schnelle, konkrete Maßnahmen getroffen werden. Wir wollen die Arbeitsbelastungen reduzieren und kürzere, verlässlichere und damit familienfreundlichere Arbeitszeiten einführen. Zusätzlich soll eine angemessene Entlohnung, bessere Aufstiegschancen und Möglichkeiten zur Weiterbildung die Gesundheitsberufe attraktiver machen. Dazu gehört auch eine Stärkung im Bereich akademischer Gesundheitsberufe.

Die Grünen: Über Stationsapotheker lässt sich sprechen

Welche Rolle spielen die Apotheken vor Ort in Ihrem Bundesland aus Sicht Ihrer Partei? Hat sich diese Sicht möglicherweise durch die Pandemie verändert?

Die Corona-Pandemie hat sehr deutlich gemacht, wie wichtig eine gute und bedarfsgerechte Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort ist. Die Apotheken haben aber auch als Testzentren eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Pandemie gespielt. Die heilberufliche Kompetenz der Apotheker*innen wollen wir nutzen und ihnen weitere Aufgaben übertragen. Diese sehen wir insbesondere beim Arzneimittelmanagement, der verstärkten pharmazeutischen Beratung, der Arzneimitteltherapiesicherheit sowie in bestimmten Fällen auch bei Impfungen.

Für die Grünen tritt Mona Neubaur (44) als Spitzenkandidatin an. (Foto: IMAGO / Political-Moments) 

In Ihrem Wahlprogramm heißt es, Sie wollen Modellprojekte der Kommunen für gemeinwohlorientierte, interprofessionelle Gesundheits- und Pflegezentren fördern – und damit die Zusammenarbeit der verschiedenen Gesundheitsberufe stärken. Sehen Sie hier auch die Apotheken als Mitspieler zu Verbesserung der Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten?

Wir Grüne schlagen vor, den Nacht- und Notdienstfonds um einen Fonds zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung in unterversorgten Regionen zu ergänzen.

Krankenhäuser sind Ländersache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat?

Stationsapotheker*innen können die Patientensicherheit erhöhen, was insbesondere bei Hochrisiko-Therapien wichtig ist. Wir begrüßen ihren Einsatz und sind bereit, über entsprechende Regelungen mit den betroffenen Akteuren zu beraten.

Wie stehen Sie zum Arzneimittelversandhandel?

Wir sehen den Arzneimittelversandhandel als sinnvolle Ergänzung zu stationären Apotheken. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Versandhandel mit seinem geringen Marktanteil eine Gefährdung der Arzneimittelversorgung durch Apotheken darstellen würde.

Zählen für Sie das Fremd- und eingeschränkte Mehrbesitzverbot bei Apotheken zu den Grundpfeilern der Versorgung – oder können Sie sich hier Aufweichungen vorstellen?

Das kann nur auf Bundesebene geregelt werden. Soweit ersichtlich, wurde dazu im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP auf Bundesebene jedoch nichts vereinbart. Bundesratsinitiativen des Landes hierzu können wir uns nicht vorstellen. Für uns auf Landesebene steht eine bedarfsgerechte, patientenorientierte und verlässliche Arzneimittelversorgung in Stadt und Land im Mittelpunkt. Apothekerinnen und Apotheker spielen hierbei eine zentrale Rolle.

Die Apotheken leiden unter Nachwuchsmangel in den pharmazeutischen Berufen. Wie könnte dem aus Ihrer Sicht entgegengewirkt werden? Wie stehen Sie zu dem Wunsch der Apotheker:innen, mehr Studienplätze für Pharmazie zu schaffen?

Um die pharmazeutischen Berufe attraktiver zu gestalten, ist aus unserer Sicht ein Maßnahmenbündel notwendig. Dazu gehört eine moderne und zukunftsgerichtete Ausbildung im Verbund mit einer zeitgemäßen Ausweitung der heilberuflichen Kompetenzen. Darüber hinaus befürworten wir Grüne eine angemessene Vergütung. Zusätzlich halten wir attraktive und familiengerechte Arbeitsbedingungen für nötig. Das beinhaltet auch eine Stärkung kooperativer Versorgungsstrukturen, damit Apotheker*innen mit anderen Gesundheitsberufen zusammenarbeiten und ihre pharmazeutischen Kompetenzen einbringen können.

Wir sind gerne bereit, mit den Apothekerverbänden und -kammern sowie den Hochschulen über den Bedarf an Studienplätzen zu sprechen. Bevor das Land zusätzliche Förderung bereitstellt, ist es notwendig, die Situation zu evaluieren.

FDP: Pharmaziestudium in Bielefeld

Welche Rolle spielen die Apotheken vor Ort in Ihrem Bundesland aus Sicht Ihrer Partei? Hat sich diese Sicht möglicherweise durch die Pandemie verändert?

Die inhabergeführten Apotheken vor Ort sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Gesundheitswesens. Wir Freie Demokraten wollen die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten rund um die Uhr sowie die qualifizierte Beratung für Patientinnen und Patienten erhalten, die sich auch während der Pandemie bewährt hat. Zudem haben viele Apotheken während der Pandemie Testangebote aufgebaut, die eine fachlich qualifizierte Durchführung von Bürgertestungen gewährleisten. Wir wollen die inhabergeführten Apotheken vor Ort stärken, indem wir ihre besonderen Strukturen und Leistungen würdigen. Dazu wollen wir das „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ novellieren, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren. Dazu zählen Leistungen wie die individuelle pharmazeutische Beratung im persönlichen Gespräch, die Herstellung von individuellen Rezepturen und die Versorgung mit Betäubungsmitteln. Wir wollen den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiterentwickeln und eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung schaffen.

Joachim Stamp (51) tritt als FDP-Spitzenkandidat an. (Foto: IMAGO / Revierfoto)

Können Sie sich vorstellen, dass Apotheken künftig weitere Leistungen anbieten?

Apotheken können in einer vernetzten Versorgungslandschaft auch zusätzliche Aufgaben übernehmen. Dies ist z. B. mit der Einbindung in Impfkampagnen zu Grippe und Corona bereits erfolgt. Gerade im Hinblick auf die Sicherheit der Arzneimitteltherapie stellt die Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern beim Medikationsplan eine wesentliche Verbesserung dar. Die Apotheker können dabei eine Steuerungsfunktion zum Nutzen der Patientinnen und Patienten übernehmen. Bei anderen Angeboten sollten wir jedoch auch überlegen, inwiefern diese zu der Qualifikation von Apothekern und den räumlichen Möglichkeiten in einer Apotheke passen.

Sehen Sie Möglichkeiten, unter Einbeziehung der Apotheken die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern?

Wir stehen für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, gerade auch im ländlichen Raum. Dazu wollen wir gemeinsam mit den Körperschaften die Rahmenbedingungen für innovative Versorgungsangebote und ortsnahe Kooperationsformen verbessern. Neben der ärztlichen Versorgung wäre dabei eine Einbindung von Apotheken sinnvoll.

Krankenhäuser sind Ländersache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat?

Stationsapotheker könnten die pharmazeutische Versorgung und den Umgang mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Krankenhäusern verbessern und auch zur Effizienzsteigerung beitragen. Allerdings wäre die Einführung von Stationsapothekern mit erheblichen Personalkosten verbunden, die die Krankenhäuser in einer Zeit finanzieller Unsicherheit im Nachgang der Pandemie zusätzlich belasten würden. Da noch keine bundesgesetzliche Finanzierungsregelung getroffen wurde, würden wir es deshalb für sinnvoll halten, zunächst die praktischen Erfahrungen aus Niedersachsen zu bewerten.

Wie stehen Sie zum Arzneimittelversandhandel?

Der Versandhandel und die damit verbundene Möglichkeit einer Online-Bestellung von Arzneimitteln hat sich bei bestimmten Zielgruppen etabliert wie z. B. bei chronisch Kranken, die ihre Medikamente möglichst unkompliziert ohne Weg zur nächsten Apotheke beziehen möchten, oder bei internet-affinen Menschen, die grundsätzlich den stationären Handel meiden und weitgehend alles online und mobil bestellen. Daher wollen wir nicht auf ein differenziertes Angebot verzichten, welches einerseits Patientinnen und Patienten die Nutzung digitaler Angebote ermöglicht, andererseits die durch die Apotheken vor Ort bisher sehr gut gewährleistete Versorgungsqualität sicherstellt. In dieser Hinsicht wäre ein pauschales Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln aus unserer Sicht nicht der richtige Weg, da es die Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten zu sehr einschränkt. Vielmehr treten wir für faire Wettbewerbsbedingungen bei der Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ein.

Zählen für Sie das Fremd- und eingeschränkte Mehrbesitzverbot bei Apotheken zu den Grundpfeilern der Versorgung – oder können Sie sich hier Aufweichungen vorstellen?

Die FDP hatte sich auf dem Bundesparteitag 2017 für Lockerungen beim Fremd- und Mehrbesitzverbot ausgesprochen, um Hemmnisse für den Marktzugang abzubauen. Im aktuellen Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist allerdings keine konkrete Umsetzung vereinbart.

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Marie-Agnes Strack-Zimmermann (Stellv. Bundesvorsitzende, FDP)

„Wir wollen keine Apothekenketten“

Die Apotheken klagen über Nachwuchsmangel. Wie könnte dem aus Ihrer Sicht entgegengewirkt werden? Wie stehen Sie zu dem Wunsch der Apotheker:innen, mehr Studienplätze für Pharmazie zu schaffen? 

Wir wollen die medizinische Fakultät Ostwestfalen-Lippe weiter ausbauen, unter anderem durch die Schaffung eines Instituts für Pharmazie und die Einrichtung eines Studienangebots für Pharmazie als Ergänzung des Forschungs- und Lehrangebots an der Universität Bielefeld, um so das Innovations- und Gründungspotenzial in der gesamten Region weiter zu erhöhen sowie dem Apothekermangel vor allem im ländlichen Raum entgegenzuwirken. Zudem könnte eine durch leistungsgerechte Vergütungen und einen weiteren Abbau bürokratischer Regulierungen und Dokumentationspflichten gesteigerte Attraktivität des Berufsbildes junge Menschen dazu bewegen, ein Pharmaziestudium aufzunehmen und sich später als Apotheker niederzulassen.

AfD: Mehrbesitzverbot so nicht mehr zeitgemäß

Welche Rolle spielen die Apotheken vor Ort in Ihrem Bundesland aus Sicht Ihrer Partei? Hat sich diese Sicht möglicherweise durch die Pandemie verändert?

Nicht erst seit der Corona-Krise werden Mängel bei der Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten in Deutschland sichtbar. Die Abhängigkeit von fragilen globalen Lieferketten kann dabei jederzeit und ohne Vorwarnung zu einer akuten Verschärfung der Situation führen. Die Apotheken in Nordrhein-Westfalen und ihr Wirken vor Ort tragen in erheblichem Maße dazu bei, dass die medizinische und therapeutische Versorgung auch in solchen Krisensituationen noch funktioniert. In der Corona-Krise haben Sie beispielsweise in kürzester Zeit eine flächendeckende Versorgungsstruktur geschaffen und somit wichtige Aufgaben wie die Verteilung von Schutzausrüstungen, die massenhafte Durchführung von Corona-Schnelltests oder die Lieferung von Corona-Impfstoffen sichergestellt. Es wird und wurde immer wieder klar: Ohne Apotheken geht es nicht.

Markus Wagner (58) will die AfD erneut in den Düsseldorfer Landtag bringen. (Foto: IMAGO / Revierfoto)

Können Sie sich vorstellen, dass Apotheken künftig weitere Leistungen anbieten?

Insbesondere in Gebieten mit bedrohter gesundheitsrelevanter und/oder medizinischer Versorgung ist es sicherlich denkbar, dass Apotheken weitere Fragmente der Gesundheitsversorgung anbieten können und somit ihr Leistungsspektrum sinnvoll ergänzen. Eine unmittelbare Aufweichung des Kerngeschäfts darf hierbei jedoch keineswegs stattfinden, sodass eine Ausweitung des Leistungsspektrums sich an dieser Prämisse orientieren sollte.

Sehen Sie Möglichkeiten, unter Einbeziehung der Apotheken die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen Gebieten zu verbessern?

Die Einbeziehung der Apotheken vor Ort trägt heute schon in nicht unmaßgeblichen Teilen dazu bei, dass die Gesundheitsversorgung in der Breite weiter funktioniert. Eine gewisse vertretbare Aufweichung des Mehrbesitzverbots wäre hier durchaus sinnvoll, sodass es Apothekern in ohnehin bereits strukturschwachen Gebieten möglich sein könnte, ihren Einzugsbereich zu vergrößern und die Gesundheits- und Medikamentenversorgung flächendeckend sicherzustellen. Allerdings lehnen wir es ab, dass Fremdinvestoren Apotheker „nur für ihren Namen“ einstellen, um damit große Apothekennetzwerke zu betreiben, sodass hier glaubhaft gemacht werden muss, dass der Apotheker mehrere Zweigstellen auch selbst versorgt und versorgen kann. Weiterhin wären auch finanzielle und organisatorische Hilfen denkbar.

Krankenhäuser sind Ländersache – was halten Sie davon, Apotheker:innen auf den Stationen zu etablieren, wie es Niedersachsen vorgemacht hat?

Apotheker und klinische Pharmazeuten auf den Stationen können die Arzneimitteltherapie unterstützen, indem sie unter anderem arzneimittelbezogene Probleme erkennen und geeignetere Alternativen finden. Dieses Vorgehen dient vor allem der Arzneimitteltherapiesicherheit und sollte flächendeckend in der Bundesrepublik Anwendung finden. Allerdings sollte dies, bei aktuell immanenten Nachwuchsschwierigkeiten, nicht zulasten der Versorgung in der Breite geschehen, sodass zunächst die Ausbildung des Nachwuchses intensiviert werden muss.

Wie stehen Sie zum Arzneimittelversandhandel?

Die Medikamentenversorgung gehört primär in den Verantwortungsbereich der Apotheken, und das ist gut so. Natürlich zählt die Digitalisierung mit Sicherheit zu den Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts und damit die Möglichkeit, sich die Medikamente online zu bestellen und einfach nach Hause liefern zu lassen. Allerdings ersetzt nichts das Gespräch und die fachkundige Beratung in der Apotheke. Ein Preis- und Wettbewerbskampf darf sich daher nicht auf die Versorgungsstruktur vor Ort auswirken. Hier muss die Politik wachsam sein und regulierend eingreifen.

Zählen für Sie das Fremd- und eingeschränkte Mehrbesitzverbot bei Apotheken zu den Grundpfeilern der Versorgung – oder können Sie sich hier Aufweichungen vorstellen?

Obwohl wir uns weitestgehend für das Fremd- und eingeschränkte Mehrbesitzverbot aussprechen, halten wir es partiell nicht mehr für zeitgemäß. So sollte es Apothekern, insbesondere in strukturschwachen Gebieten, möglich sein, mehrere Apotheken zu betreiben, sofern sichergestellt ist, dass sie ihrer Inhabertätigkeit nachkommen können und nicht primär Dritte unter dem Namen eines Apothekers unter dem Aspekt der Gewinnmaximierung wirtschaften. Das Fremdbesitzverbot unterstützen wir hingegen uneingeschränkt.

Die Apotheken leiden unter Nachwuchsmangel in den pharmazeutischen Berufen. Wie könnte dem aus Ihrer Sicht entgegengewirkt werden? Wie stehen Sie zu dem Wunsch der Apotheker:innen, mehr Studienplätze für Pharmazie zu schaffen?

Es muss politischen Willen und Initiative geben, damit die Berufsbilder der unterschiedlichen pharmazeutischen Berufe weiterhin und nachhaltig attraktiv bleiben, insbesondere in den Bereichen der direkten Patientenbetreuung in der Breite. Daher müssen neue Studienplätze geschaffen und die nötigen Ressourcen an den Universitäten ausgebaut, aber eben auch die
Attraktivität der inhabergeführten Apotheke wieder gestärkt werden. Dazu gäbe es aus europäischen Nachbarstaaten genügend Best-Practice-Beispiele.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Was können die Apotheken erwarten

von Holger Rummel am 13.05.2022 um 18:13 Uhr

Nichts Gutes

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