Gastkommentar von AVWL-Chef Thomas Rochell

Kein „Dj“, kein Geld – Nullretax wegen Formfehlern verbieten!

Düsseldorf - 10.05.2022, 16:45 Uhr


Retaxationen verunsichern Apotheker massiv

Ziel der Dosierungshinweise ist vielmehr, die Kommunikation zwischen Ärzten, Apotheken, Patienten und GKV zu erleichtern, wenn aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots ein Generika-Arzneimittel ausgetauscht werden muss. Fehlt die Dosierungsanleitung, können nicht im Umkehrschluss grundsätzliche Bedenken dagegen abgeleitet werden, das Arzneimittel abzugeben.

Es ist im Übrigen nicht Aufgabe der Krankenkassen, als Aufsichtsbehörde über die Arzneimitteltherapiesicherheit zu wachen. Wenn es den gesetzlichen Krankenversicherungen tatsächlich um eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit ginge, sollten sie eher dazu übergehen, den Apotheken Zeit für die Beratung zu lassen, anstatt sie mit formalen Prüfmechanismen zu belegen. Es widerspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden, dass Apotheker für Bagatellfehler finanziell aufkommen sollen, die Ärzten unterlaufen sind. Es widerspricht aber auch den gesetzlichen und vertraglichen Regelungen.

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Auch wenn viele Kassen den Einsprüchen stattgegeben haben, ist der entstandene Schaden nicht geheilt, selbst wenn die Apotheken ihr Geld bekommen haben. Es handelt sich hier mitnichten um eine Nullnummer, vielmehr hat dieses Vorgehen der Kassen verheerende Nebenwirkungen: Solche Retaxationen verunsichern die Apotheker massiv und machen sie zunehmend mürbe. Die Aussicht, dem Wareneinsatz wie auch dem Honorar ständig hinterherrennen zu müssen, sowie die Angst vor dem finanziellen Risiko, beides niemals erstattet zu bekommen, erhöhen bei jungen, angestellten Apothekern gewiss nicht die Bereitschaft, sich selbstständig zu machen.

Leider haben es sich die gesetzlichen Krankenversicherungen quasi zum Sport gemacht, Lücken aufzuspüren und die Apotheken unverhältnismäßig zu sanktionieren, obwohl die Versorgung der Sache nach korrekt erfolgt ist. Die Dosis der steten Retaxationsversuche durch die Kassen macht das Gift. Nicht verwundern muss also, dass die Zahl der Apotheken im ersten Quartal 2022 mit 18.362 Betriebsstätten auf einem neuen Tiefstand angekommen ist.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein flächendeckendes Apothekennetz für die Versorgung der Menschen auch in Krisenzeiten ist. Um dieses für die Zukunft zu sichern, ist die Politik gut beraten, wenn sie – wie von uns bereits auf dem Deutschen Apothekertag 2021 gefordert und von der Hauptversammlung mit großer Mehrheit befürwortet – zeitnah eine gesetzliche Regelung trifft, um solche Nullretaxationen wegen kleiner Formfehler zu unterbinden.



Apotheker Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Ein Möglichkeit für eine Sonder PZN

von Andreas Grünebaum am 10.05.2022 um 19:29 Uhr

Falls der Arzt wieder einmal vergessen hat die Dosis anzugeben oder trotz "d.j." der Patient eben keine Ahnung für die Anwendung hat, also nicht oder mangelhaft in der Arztpraxis beraten wurde, dann sollte dafür eine Sonder PZN mit entsprechender Vergütung aus dem Topf "pharmazeutische Dienstleistungen" geschaffen werden. Die Apotheke informiert den Patienten entweder falls einwandfrei erkennbar aus der Fachinfo oder nimmt, sofern zeitlich möglich und geboten Kontakt mit dem Arzt auf. Dafür gibt es eine Dienstleistungspauschale von sagen wir mal 10 Euro.
Die Kosten für die Sonder PZN darf man dann getrost auch gerne von der Vergütung der Ärzte abziehen und diese bei Gelegenheit von "Praxisberatern" belehren lassen.

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Folgeschäden

von Dr. Radman am 10.05.2022 um 18:40 Uhr

Der Verband, welcher so ein mi…t verhandelt hat, sollte für die Folgeschäden finanziell aufkommen!

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