DMEA in Berlin

Israels Gesundheitsminister ermuntert Deutschland, Gesundheitsdaten zu sammeln

Berlin - 29.04.2022, 09:15 Uhr

Israels Gesundheitsminister Nitzan Horowitz war der DMEA-Konferenz per Video zugeschaltet. (s / Foto: Anja Köhler)

Israels Gesundheitsminister Nitzan Horowitz war der DMEA-Konferenz per Video zugeschaltet. (s / Foto: Anja Köhler)


Das gelobte Land gilt in Sachen Digitalisierung als Vorreiter. Was dort anders läuft als in der Bundesrepublik, hat Israels Gesundheitsminister Nitzan Horowitz bei der DMEA-Konferenz skizziert.

„Israel ist ein digitaler Pionier. Dort funktionieren längst Dinge wie das elektronische Rezept, von denen wir hierzulande noch träumen.“ Mit diesen Worten begrüßt Sebastian Zilch, Geschäftsführer des Bundesverbands Gesundheits-IT, bei der DMEA-Konferenz (Digital Medical Expertise & Applications) am vergangenen Mittwoch in Berlin den israelischen Gesundheitsminister Nitzan Horowitz. 

Horowitz ist aus Tel Aviv zugeschaltet und sagt: „Weltweit stehen die Gesundheitssysteme vor großen Herausforderungen, die es schon vor der Pandemie gegeben hat, etwa alternde Bevölkerungen und steigende Preise.“ Das erfordere Innovationen und internationale Zusammenarbeit. „Wie wichtig das ist, haben wir in der Pandemiezeit erlebt.“ In Sachen Corona habe sich Israel dazu entschieden, mit dem Virus zu leben. Alle Beschränkungen seien inzwischen zurückgenommen worden, auch die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, mit Ausnahme der Krankenhäuser.

Israel zahlt hohen Preis für Lockdowns

„Der Preis der Lockdowns war hoch“, sagt der Politiker, „angefangen von den Folgen für die mentale Gesundheit bis hin zu den Auswirkungen für Bildung, Wirtschaft, Kultur und Sport.“ Die Strategie sei auch deswegen seit geraumer Zeit eine andere – Kitas, Schulen, Unternehmen und Kultureinrichtungen blieben offen. Möglich sei dies, „weil wir uns digitale Hilfe geholt haben“, erklärt Horowitz, während er sein Smartphone in die Kamera hält. 

Über sein Handy könne er mehrfach am Tag Updates einholen, zur Verfügbarkeit von Impfstoffen, zur Impfquote, zur Hospitalisierungsrate oder zur Schwere der Krankheitsverläufe. „Und das kann nicht nur ich als Minister, sondern jeder Bürger und jede Bürgerin.“ Basis dafür sei eine zentralisierte Datenbank, deren Daten direkt an sein Ministerium gehen und dort unter anderem für Prognosetools verwendet werden. Wie ist das möglich?

Nur vier Krankenkassen in Israel

Zum einen, erklärt Horowitz, sei Israel kleiner als Deutschland und habe ein staatlich finanziertes, zentralisiertes Gesundheitssystem mit lediglich vier Krankenkassen, „das halte ich für wichtig“. Jede:r Israeli muss Mitglied einer dieser Krankenkassen sein. Die Kassen wiederum sind dazu angehalten, im Wettbewerb miteinander zu stehen, innovativ zu sein und dem Staat Daten zu liefern. „Dafür bekommen sie von uns das Geld“, die Beziehung zwischen Kassen und Ministerium beschreibt Horowitz als gut. 

Zum anderen habe es schon vor Corona zahlreiche digitale Anwendungen im Gesundheitsbereich gegeben. „Wir haben eine hohe Internetdurchdringung und eine große Bereitschaft, diese Anwendungen zu nutzen“, sagt der Minister. Patienten könnten inzwischen von Ferne frühzeitig medizinisch „überwacht“ werden, sodass ihnen Klinikaufenthalte erspart blieben, „das ist wirklich revolutionär“, so Horowitz. Dadurch habe sich das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und ihren Ärzten verbessert. Und auch die Krankenkassen hätten erkannt, dass digitale Tools ihnen in der Zusammenarbeit mit Ärzten Geld sparen, das sie nun für anderes einsetzen können.

Pandemie hat Zeit gekostet

Dennoch ist auch beim Pionier Israel digital (noch) nicht alles in dem Topf, in dem es kochen soll. Der Gesundheitsminister beklagt, durch die Pandemie sei viel Zeit verloren gegangen, vor allem in der Industrie und bei der Entwicklung neuer Instrumente. Immerhin gebe es derzeit rund 700 Gesundheits-Start-ups im Land, „unter denen wir eine große Zusammenarbeit erleben“. 

Gemeinsam wollten sie eine personalisierte wie datengetriebene Medizin etablieren. Diesen Weg empfiehlt Horowitz auch den Deutschen: „Es ist wichtig, dass Deutschland das umsetzt und Daten zentralisiert erhebt. Ich bin überzeugt, dass Ihr in ein paar Jahren gut aufgestellt sein werdet, was die Nutzung der Daten angeht.“ 

Israel und Deutschland widmet sich KI-Projekt

Diese Aussage kommt offenbar nicht von ungefähr, denn zwischen der Bundesrepublik und Israel sei unlängst ein auf drei Jahre angelegtes Projekt zur Künstlichen Intelligenz (KI) gestartet. „Der Einsatz von KI kann uns helfen, neue Technologien zu nutzen, zum Beispiel bei der Medikation“, sagt Horowitz. „Deutschland ist der wichtigste Partner für uns, um mit unseren Start-ups zusammenzuarbeiten. Denn es hat das richtige Umfeld, das Know-how, ein großzügiges Gesundheitssystem mit hohem Budget und kann uns lehren, wie wir besser mit Ressourcen umgehen können. Wir können dafür Datenbanken zur Verfügung stellen.“



Anja Köhler, Freie Journalistin
redaktion@daz.online


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