Erheblich verringerter Lichtschutzfaktor

Sonnenschutz: chemische UV-Filter besser nicht mit Zinkoxid kombinieren

Stuttgart - 28.04.2022, 07:00 Uhr

ZnO baut chemische Filter teils ab und reduziert den UV-A-Schutz dramatisch. Sollten chemische und mineralische UV-Filter-Substanzen besser nicht gemischt werden? (Foto: yanadjan / AdobeStock)

ZnO baut chemische Filter teils ab und reduziert den UV-A-Schutz dramatisch. Sollten chemische und mineralische UV-Filter-Substanzen besser nicht gemischt werden? (Foto: yanadjan / AdobeStock)


Ein bisschen mineralisch, ein bisschen organisch – schützen solche UV-Filter-Mischungen besonders gut vor Sonnenschäden? Eher nicht: Zinkoxid baut organische UV-A-Filter ab, reduziert dadurch den Lichtschutzfaktor teils erheblich und erhöht die Gefahr für Hautschäden. Zudem entstehen toxische Abbauprodukte.

Wie verändern sich UV-Filter unter Sonneneinstrahlung? Büßen sie ihre Schutzwirkung ein, entstehen toxische Abbauprodukte – für Mensch oder Umwelt? Auf die Mischung kommt es an, das fanden Wissenschaftler:innen um Aurora L. Ginzburg (Department of Chemistry and Biochemistry, University of Oregon, USA) heraus – nachzulesen im Fachjournal „Photochemical und Photobiological Sciences“ („Zinc oxide-induced changes to sunscreen ingredient efficacy and toxicity under UV irradiation“).

UV-Filter häufig kombiniert

Die Wissenschaftler:innen interessierten sich in ihrer Untersuchung vor allem für den UV-A-Schutz – UV-A-Filter-Substanzen seien beim Sonnenschutz „besonders wichtig“, da UV-A-Strahlen 95 Prozent der UV-Strahlung ausmachten, die auf die Erdoberfläche trifft. Häufig kombinieren die Hersteller verschiedene UV-Filter miteinander, gut wäre also zu wissen, welche Formulierungen sicher sind, um dadurch potenzielle Risiken durch photolabile UV-A-Filter-Kombinationen zu minimieren. Dafür untersuchten die Wissenschaftler:innen fünf gängige UV-Filter-Kombinationen aus Avobenzon, Octisalat, Homosalate, Octocrylen, Oxybenzon, DHHB (Diethylaminohydroxybenzoylhexylbenzoat) und Bisoctrizol, die in der fertigen Mischung sodann Lichtschutzfaktor 15 aufwiesen.

 

% UV-Filter (m/m)

Mischung

Avobenzon 
(UV-A)

Octisalat 
(UV-B)

Homosalat 
(UV-B)

Octocrylen 
(UV-B und kurzwellig UV-A)

Oxybenzon
(UV-B und kurzwellig UV-A)

DHHB (UV-A)

Bisoctrizol 
(UV-B und UV-A)

1

1,8

4,0

7,0

5,0

0,0

0,0

0,0

2

1,0

4,0

0,0

3,0

0,0

0,0

3,0

3

2,0

3,0

3,0

4,0

0,0

5,0

0,0

4

2,0

3,0

6,0

3,0

2,5

0,0

0,0

5

0,0

3,0

0,0

2,0

0,0

0,0

5,0

Die Mischungen 1, 2 und 3 sind dabei ein klassischer Sonnenschutz für den Sport, Mischung 4 steht für „typische Sonnenschutzmittel“ und Mischung 5 eignet sich für allergische und empfindliche Haut.

Was macht Zinkoxid mit chemischen UV-Filtern?

Zudem wollten die Wissenschaftler:innen wissen, welchen Effekt Zinkoxid auf organische UV-Filter hat, sodass sie Mischung 1 (siehe Tabelle) mit 6 Prozent Zinkoxid-Partikeln (ohne Silikonbeschichtung) versetzten, und zwar einmal mit ZnO-Mikropartikeln (Partikelgröße von 200 bis 1.000 nm), und einmal mit ZnO-Nanopartikeln (Partikelgröße < 100 nm, mittlere Größe 85 nm). Normalerweise wird ZnO in nanopartikulärer Form als alleiniger UV-Filter in Konzentrationen von 3 bis 20 Prozent eingesetzt, in Kombination mit organischen UV-Filtern hingegen lediglich in Konzentrationen zwischen 3 und 6 Prozent.

Was passiert nun unter Sonneneinstrahlung mit den UV-Filter-Mischungen? Dafür setzten die Wissenschaftler:innen ihre „Sonnencremes“ (mit und ohne ZnO) zwei Stunden einem „Sonnensimulator“ aus, der für einen „klaren Sonnentag repräsentativ“ war. Als Kontrolle dienten unbestrahlte UV-Filter-Mischungen. Ein gutes Sonnenschutzmittel sollte im gesamten UV-A- und UV-B-Bereich (280-400 nm) eine gute UV-Absorption aufweisen – ist die Mischung photostabil, sollte dieses Absorptionsspektrum nach UV-Bestrahlung folglich nicht abnehmen oder sich ändern.

Zinkoxid führt zum Abbau von organischen Lichtschutzfaktoren

Alle fünf reinen UV-Filter-Mischungen wiesen nur einen „geringen“ Photoabbau auf, trotz Avobenzon, das den Wissenschaftler:innen zufolge bekannt dafür ist, dass es photoinstabil ist. Sie schätzen, dass die Hersteller ihre Sonnenschutzcremes bereits in speziellen Verhältnissen formulieren, die eine Photolyse von vornherein minimieren, Octocrylen könne hier eine „signifikant stabilisierende Wirkung“ haben. Anders sah es aus, wenn die UV-Filter-Mischungen zusätzlich ZnO enthielten. Hier verschwand nach UV-Exposition der Absorptionspeak zwischen 350 und 400 nm, was den Forscher:innen zufolge im Einklang mit dem Abbau von Avobenzon steht. Avobenzon sei der einzige enthaltene UV-Filter, der langwellige UV-A-Wellen absorbiere, sodass „es eindeutig eine Veränderung in der Avobenzonstruktur gab, die zum Verlust der UV-A-Absorption in der Mischung führte“, erklären die Wissenschaftler:innen. Sie schätzen, dass reaktive Sauerstoffspezies für den oxidativen Abbau von Avobenzon verantwortlich zeichnen.

Lichtschutzfaktor verringert sich dramatisch

Der Abbau von Avobenzon wirkt sich nach Berechnungen der Wissenschaftler:innen auch auf den Lichtschutzfaktor aus, und zwar je nachdem, ob mikro- oder nanopartikuläres ZnO enthalten war: ZnO-Mikropartikel reduzierten in dem „Sonnenschutz“ mit Avobenzon, Octisalat, Homosalat und Octocrylen (Mischung 1) den UV-A-Schutz um 91,8 Prozent, ZnO-Nanopartikel um 84,3 Prozent. Ohne Zinkoxid verringerte Sonnenlicht den UV-A-Schutz in der „Sonnencreme“ hingegen nur um 15,8 Prozent. Doch kompensiert das zugegebene Zinkoxid nicht diesen Verlust? Immerhin ist Zinkoxid ebenfalls eine UV-Filter-Substanz. Die Wissenschaftler:innen sind skeptisch.

Zinkoxid kompensiert abgebauten Lichtschutzfaktor nicht

Unter Versuchsbedingungen enthielt der „Sonnenschutz“ nur 6 Prozent ZnO – auf dem Markt üblich seien 12 bis 24 Prozent ZnO, wenn dies als alleiniger UV-Blocker zum Einsatz kommt. Daher könne man nicht davon ausgehen, dass die Zugabe von ZnO den UV-A-Schutz-Verlust kompensiere und „die Haut sicher vor UV-Schäden schützt, sobald die organischen Filter abgebaut“ seien, warnen die Studienautor:innen. Sie geben zudem zu bedenken, dass diese „Wechselwirkung“ nicht ausschließlich durch „hybride“ Sonnenschutzprodukte entstehen kann – möglich sei ein UV-A-Wirkverlust auch, wenn Kosmetika und/oder verschiedene Sonnenschutzmittel gemeinsam angewendet würden.

ZnO induziert toxische Abbauprodukte

Nun ist ein verringerter UV-Schutz eine Sache, eine andere ist es, ob die entstehenden Abbauprodukte toxisch sind. Auch in diesem Punkt scheint es klug, eine Kombination organischer UV-Filter mit Zinkoxid zu vermeiden. Warum? Darüber gab ein Experiment mit Zebrafischen Aufschluss.

An Zebrafischen testeten die Wissenschaftler:innen ihre UV-Filter-Mischungen in vivo – mit und ohne Zinkoxid, UV-exponiert und nicht UV-exponiert: Die Fische wurden dafür jeder Mischung fünf Tage lang ausgesetzt und ihre Entwicklung (anhand von 22 Entwicklungsendpunkten) bewertet. Diese fassten die Forscher:innen jedoch zu einem einzigen Endpunkt „Toxizität“ zusammen, der dann alle einzelnen morphologischen und Mortalitätsendpunkte bei den Fischen berücksichtigte.

Die Wissenschaftler:innen stellten in diesem Versuch „definitiv“ fest, dass ZnO in Kombination mit organischen UV-Filtern und Sonnenlicht zu toxischen Photoabbauprodukten führt. Rein organische UV-Filter-Mischungen oder ZnO allein ließen unter UV-Licht hingegen nur „geringe“ Mengen an toxischen Photodegradationsprodukten entstehen. Doch könnten nicht auch reaktive Sauerstoffspezies, die unter UV-Licht entstanden, die Entwicklung der Zebrafische beeinträchtigt haben (und keine toxischen Abbauprodukte)? Auch diese Erklärung schließen die Forscher:innen aus, denn jegliche reaktive Sauerstoffspezies, die während der Bestrahlung entstünde, wären bis zur Exposition der Zebrafische – die erst einige Tage nach Bestrahlung stattfand! – verschwunden, argumentieren sie. Daher müssten toxische Abbauprodukte entstanden sein, die auch Tage nach UV-Exposition noch in den Gemischen vorhanden sind.

Zwei schädigende Wirkungen

Ihr Fazit: „Die Ergebnisse zeigen, dass Formulierungen, die sowohl ZnO als auch niedermolekulare UV-Filter enthalten, photochemisch zwei verschiedene Arten von schädlichen Wirkungen zur Folge haben: Sie können aufgrund des Abbaus der organischen UV-Filter einen deutlich verringerten UV-A-Schutz aufweisen, und sie können Toxizität verursachende Photodegradationsprodukte erzeugen“. Dabei ist es wohl egal, ob ZnO mikropartikulär oder nanopartikulär vorliegt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Metalloxidpartikel jeder Größe reaktive Oberflächenstellen aufweisen können“. Wichtiger als die Größe der Metallpartikel sei die „Identität des Metalls, die Kristallstruktur und etwaige Oberflächenbeschichtungen“. 

Silikonisieren von ZnO?

Vor allem für die Vereinigten Staaten seien ihre Forschungen problematisch, da dort als langwelliger UV-A-Filter nur Avobenzon und Zinkoxid breit in Sonnenschutzprodukten eingesetzt würden. Hingegen zeigten einige der in der EU erlaubten Inhaltsstoffe wie Bisoctrizol und DHHB eine „vielversprechende 
Photostabilität“ und wiesen auch derzeit keine toxischen Photodegradationsprodukte auf. Frühere Arbeiten („Photostability of sunscreens“, veröffentlicht 2012 in „Journal of Photochemistry and Photobiology C: Photochemistry Reviews“) haben den Wissenschaftler:innen zufolge zudem Hinweise geliefert, dass das Überziehen von Titandioxid-Partikeln mit Silikon oder Aluminiunhydroxid die photokatalytische Aktitvität des Metalloxids verringert. Möglicherweise könnte dies auch eine „hilfreiche Strategie“ bei Zinkoxid sein, überlegen sie.

Sie fürchten zudem, dass durch die neue EU-Verordnung Hersteller künftig von Titandioxid auf Zinkoxid ausweichen könnten, und den Verbraucher:innen dadurch aber eine falsche Sicherheit suggeriert würde.

UV-Filter in den USA und der EU

In den Vereinigten Staaten erlaubt die FDA derzeit insgesamt nur noch 16 UV-Filter: acht organische Filter für den UV-B-Bereich (280 bis 315 nm), vier organische Filter, die im UV-B und kurzwelligen UV-A-Bereich (315 bis 340 nm) absorbieren und nur zwei Ultraviolettfilter im gesamten (kurz- und langwelligen) UV-A-Bereich (315 bis 400 nm). Neben den organischen UV-Filtern sind in den USA zudem zwei mineralische Lichtschutzfaktoren zugelassen, die sowohl vor UV-A- wie auch UV-B-Strahlung schützen: Titandioxid (TiO2) und Zinkoxid (ZnO). 

Die Europäische Union genehmigt aktuell 28 UV-Filter: neun UV-B-absorbierende organische Verbindungen, sieben organische Verbindungen, die UV-B und kurzwelliges UV-A absorbieren, vier UV-A-absorbierende organische Verbindungen und vier organische Verbindungen, die ein breites Spektrum an UV-Absorption bieten. Wie auch in den Vereinigten Staaten dürfen TiO2 und ZnO zum UV-Schutz eingesetzt werden, auch als nanopartikuläre Formulierung – wenn auch mit Konzentrationsbeschränkungen und Deklarationspflichten. Ohnehin stellen die Wissenschaftler infrage, wie lange die EU Titandioxid noch in Sonnenschutzmitteln erlauben wird, denn: Eine neue EU-Verordnung (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2020/217) stuft TiO2 bei Inhalation seit September 2021 als mutmaßliches Karzinogen der Kategorie 2 ein – wie passen also Sonnenschutzmittel zum Aufsprühen mit TiO2 in diese Verordnung? Bisoctrizol und Tris-Biphenyltriazin ergänzen die EU-Liste zu UV-Filtern, sie wirken als „physikalisch-chemische Hybride“ und schützen sowohl durch UV-Absorption als auch Streuung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Bedenkliche Wechselwirkungen zwischen mineralischen und chemischen UV-Filtern

Mehr Schaden als Schutz?

Nach UV-B und UV-A geraten auch die sichtbaren und infraroten Wellenlängen ins Zwielicht

Viel Licht, viel Schatten

DAZ.online Spezial: Sonnenschutz

Schaden UV-Filter in Sonnencremes der Gesundheit?

Ökotest checkt Sonnenschutzprodukte

Sonnencremes besser ohne Octocrylen?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.