Erheblich verringerter Lichtschutzfaktor

Sonnenschutz: chemische UV-Filter besser nicht mit Zinkoxid kombinieren

Stuttgart - 28.04.2022, 07:00 Uhr

ZnO baut chemische Filter teils ab und reduziert den UV-A-Schutz dramatisch. Sollten chemische und mineralische UV-Filter-Substanzen besser nicht gemischt werden? (Foto: yanadjan / AdobeStock)

ZnO baut chemische Filter teils ab und reduziert den UV-A-Schutz dramatisch. Sollten chemische und mineralische UV-Filter-Substanzen besser nicht gemischt werden? (Foto: yanadjan / AdobeStock)


ZnO induziert toxische Abbauprodukte

Nun ist ein verringerter UV-Schutz eine Sache, eine andere ist es, ob die entstehenden Abbauprodukte toxisch sind. Auch in diesem Punkt scheint es klug, eine Kombination organischer UV-Filter mit Zinkoxid zu vermeiden. Warum? Darüber gab ein Experiment mit Zebrafischen Aufschluss.

An Zebrafischen testeten die Wissenschaftler:innen ihre UV-Filter-Mischungen in vivo – mit und ohne Zinkoxid, UV-exponiert und nicht UV-exponiert: Die Fische wurden dafür jeder Mischung fünf Tage lang ausgesetzt und ihre Entwicklung (anhand von 22 Entwicklungsendpunkten) bewertet. Diese fassten die Forscher:innen jedoch zu einem einzigen Endpunkt „Toxizität“ zusammen, der dann alle einzelnen morphologischen und Mortalitätsendpunkte bei den Fischen berücksichtigte.

Die Wissenschaftler:innen stellten in diesem Versuch „definitiv“ fest, dass ZnO in Kombination mit organischen UV-Filtern und Sonnenlicht zu toxischen Photoabbauprodukten führt. Rein organische UV-Filter-Mischungen oder ZnO allein ließen unter UV-Licht hingegen nur „geringe“ Mengen an toxischen Photodegradationsprodukten entstehen. Doch könnten nicht auch reaktive Sauerstoffspezies, die unter UV-Licht entstanden, die Entwicklung der Zebrafische beeinträchtigt haben (und keine toxischen Abbauprodukte)? Auch diese Erklärung schließen die Forscher:innen aus, denn jegliche reaktive Sauerstoffspezies, die während der Bestrahlung entstünde, wären bis zur Exposition der Zebrafische – die erst einige Tage nach Bestrahlung stattfand! – verschwunden, argumentieren sie. Daher müssten toxische Abbauprodukte entstanden sein, die auch Tage nach UV-Exposition noch in den Gemischen vorhanden sind.

Zwei schädigende Wirkungen

Ihr Fazit: „Die Ergebnisse zeigen, dass Formulierungen, die sowohl ZnO als auch niedermolekulare UV-Filter enthalten, photochemisch zwei verschiedene Arten von schädlichen Wirkungen zur Folge haben: Sie können aufgrund des Abbaus der organischen UV-Filter einen deutlich verringerten UV-A-Schutz aufweisen, und sie können Toxizität verursachende Photodegradationsprodukte erzeugen“. Dabei ist es wohl egal, ob ZnO mikropartikulär oder nanopartikulär vorliegt: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Metalloxidpartikel jeder Größe reaktive Oberflächenstellen aufweisen können“. Wichtiger als die Größe der Metallpartikel sei die „Identität des Metalls, die Kristallstruktur und etwaige Oberflächenbeschichtungen“. 

Silikonisieren von ZnO?

Vor allem für die Vereinigten Staaten seien ihre Forschungen problematisch, da dort als langwelliger UV-A-Filter nur Avobenzon und Zinkoxid breit in Sonnenschutzprodukten eingesetzt würden. Hingegen zeigten einige der in der EU erlaubten Inhaltsstoffe wie Bisoctrizol und DHHB eine „vielversprechende 
Photostabilität“ und wiesen auch derzeit keine toxischen Photodegradationsprodukte auf. Frühere Arbeiten („Photostability of sunscreens“, veröffentlicht 2012 in „Journal of Photochemistry and Photobiology C: Photochemistry Reviews“) haben den Wissenschaftler:innen zufolge zudem Hinweise geliefert, dass das Überziehen von Titandioxid-Partikeln mit Silikon oder Aluminiunhydroxid die photokatalytische Aktitvität des Metalloxids verringert. Möglicherweise könnte dies auch eine „hilfreiche Strategie“ bei Zinkoxid sein, überlegen sie.

Sie fürchten zudem, dass durch die neue EU-Verordnung Hersteller künftig von Titandioxid auf Zinkoxid ausweichen könnten, und den Verbraucher:innen dadurch aber eine falsche Sicherheit suggeriert würde.

UV-Filter in den USA und der EU

In den Vereinigten Staaten erlaubt die FDA derzeit insgesamt nur noch 16 UV-Filter: acht organische Filter für den UV-B-Bereich (280 bis 315 nm), vier organische Filter, die im UV-B und kurzwelligen UV-A-Bereich (315 bis 340 nm) absorbieren und nur zwei Ultraviolettfilter im gesamten (kurz- und langwelligen) UV-A-Bereich (315 bis 400 nm). Neben den organischen UV-Filtern sind in den USA zudem zwei mineralische Lichtschutzfaktoren zugelassen, die sowohl vor UV-A- wie auch UV-B-Strahlung schützen: Titandioxid (TiO2) und Zinkoxid (ZnO). 

Die Europäische Union genehmigt aktuell 28 UV-Filter: neun UV-B-absorbierende organische Verbindungen, sieben organische Verbindungen, die UV-B und kurzwelliges UV-A absorbieren, vier UV-A-absorbierende organische Verbindungen und vier organische Verbindungen, die ein breites Spektrum an UV-Absorption bieten. Wie auch in den Vereinigten Staaten dürfen TiO2 und ZnO zum UV-Schutz eingesetzt werden, auch als nanopartikuläre Formulierung – wenn auch mit Konzentrationsbeschränkungen und Deklarationspflichten. Ohnehin stellen die Wissenschaftler infrage, wie lange die EU Titandioxid noch in Sonnenschutzmitteln erlauben wird, denn: Eine neue EU-Verordnung (Delegierte Verordnung (EU) Nr. 2020/217) stuft TiO2 bei Inhalation seit September 2021 als mutmaßliches Karzinogen der Kategorie 2 ein – wie passen also Sonnenschutzmittel zum Aufsprühen mit TiO2 in diese Verordnung? Bisoctrizol und Tris-Biphenyltriazin ergänzen die EU-Liste zu UV-Filtern, sie wirken als „physikalisch-chemische Hybride“ und schützen sowohl durch UV-Absorption als auch Streuung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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