Unterdosierungen

NRW zahlt 5000 Euro an Betroffene des Zyto-Skandals

Berlin - 26.04.2022, 17:00 Uhr

2018 trugen Bottroper Demonstranten Listen mit anonymisierten Namen der Patienten durch die Stadt, die aus der früheren Alten Apotheke mit Krebsmitteln versorgt worden waren. (Foto: hfd)

2018 trugen Bottroper Demonstranten Listen mit anonymisierten Namen der Patienten durch die Stadt, die aus der früheren Alten Apotheke mit Krebsmitteln versorgt worden waren. (Foto: hfd)


Insolvenzverfahren wird noch Jahre dauern

Heike Benedetti erhielt Krebsmittel aus der Apotheke von Peter S. (Foto: hfd)

Die Bottroperin Heike Benedetti hatte selbst länger Krebsmittel aus der früheren Alten Apotheke erhalten – und sich über Jahre für die Rechte Betroffener starkgemacht, so etwa mit zahlreichen Demonstrationen. „Zuallererst bin ich froh, dass Minister Laumann den Fonds auf den Weg gebracht hat“, erklärt sie gegenüber der DAZ. „Es hat viel Mühe, Ärger, Wut und auch Verzweiflung gekostet.“ Wenn sie bedenke, dass sich die Stadt „gänzlich unberührt gezeigt“ und Hilfe gar nicht angeboten habe, seien die 5000 Euro für manche Betroffene zumindest etwas Entschädigung.

„Niemand kommt dadurch zurück, aber wichtig war es für mich als Opfer, anerkannt zu werden und nicht in der Versenkung als ‚Opfer einer Verkettung von unglücklichen Umständen‘ zu verschwinden“, sagt Benedetti. „Vielleicht ein Hoffnungsschimmer für Betroffene von künftigem Behördenversagen, niemals aufzugeben.“

Denn die Aufsichtsbehörden hatten den Fall nicht aufgedeckt, obwohl es schon Jahre vorher eine Strafanzeige gegen S. gegeben hatte und Missstände auch unter den Mitarbeitern lange bekannt waren. „Die Geschichte dieses Kriminalfalls ist auch eine Geschichte des Behördenversagens“, erklärte der Vorsitzende Richter Johannes Hidding bei der Verkündung des Strafurteils am Landgericht Essen im Jahr 2018. Es habe über mehrere Jahre nicht einmal eine einzige wirksame Kontrolle der Apotheke von S. gegeben, nahezu alle Verwaltungsebenen seien am Skandal indirekt beteiligt gewesen. Die Verantwortung sei dabei so gut aufgeteilt, dass sie am Ende niemand mehr trage, erklärte Hidding damals. Auch dies wird für die Landesregierung ein Grund gewesen sein, den staatlichen Entschädigungsfonds einzurichten.

Inwiefern Betroffene zivilrechtlich Ansprüche durchsetzen können, ist weiter unklar. Zwar hatten Angehörige eines verstorbenen Patienten von S. vor kurzem in erster Instanz Schadensersatzansprüche von 20.000 Euro durchgesetzt. Doch S. ist zahlungsunfähig und es läuft ein Insolvenzverfahren, in dem Krankenkassen hohe Millionenbeträge angemeldet haben. Das Verfahren wird wohl noch Jahre dauern – erst dann wird klar sein, wie viel Geld am Ende noch zu verteilen ist.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.