AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung

So will das BMG die Arzneimittelversorgung in Krisenzeiten sichern

Berlin - 22.04.2022, 15:45 Uhr

Das BMG plant eine Anpassung der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung. (c / Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)

Das BMG plant eine Anpassung der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung. (c / Foto: IMAGO / Müller-Stauffenberg)


Im November läuft die Medizinischer-Bedarf-Versorgungssicherstellungsverordnung aus. Ziel der Verordnung ist es unter anderem, in Krisenzeiten bestimmte Vorgaben des Arzneimittelgesetzes zu lockern, um die Versorgung der Menschen mit Medikamenten sicherzustellen. Einige dieser Möglichkeiten will das BMG dauerhaft für Notlagen erhalten. Zu diesem Zweck soll jetzt die AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung angepasst werden. 

Während der Corona-Pandemie hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) mit der Medizinischer-Bedarf-Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV) eine Verordnung erlassen, die im Arzneimittelbereich Abweichungen von den bestehenden Vorschriften zulässt. Dadurch soll die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten erleichtert werden. Die Rechtsgrundlage bildet das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach aktuellem Stand läuft die MedBVSV im November dieses Jahres aus.

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Um sich auch für zukünftige Notlagen zu wappnen, will das BMG einige dieser Ausnahmen erhalten: In einem Referentenentwurf für eine „Zweite Verordnung zur Änderung der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung“ plant das Ministerium, einige Regelungen aus der MedBVSV in die AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung zu überführen und damit zu verstetigen.

„Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass für Krisensituationen durch drohende oder bestehende übertragbare Krankheiten zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln Abweichungen von den arzneimittelrechtlichen Vorschriften und von den auf dem Arzneimittelgesetz beruhenden Rechtsverordnungen notwendig werden können“, schreibt das Ministerium einleitend. „Die Versorgung mit vom Bundesministerium für Gesundheit beschafften Arzneimitteln, insbesondere mit Impfstoffen, wird auch nach dem Auslaufen der auf das Infektionsschutzgesetz gestützten Krisenverordnungen für einen gewissen Zeitraum weiterhin notwendig sein. Zudem sollen auch für zukünftige Krisensituationen die entsprechenden Regelungen zur Verfügung stehen, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zeitnah sicherzustellen.“

Daher soll die AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung nun ein Upgrade erhalten. So wird in Krisensituationen zum Beispiel die Abgabe eines noch nicht für den deutschen Markt zugelassenen Arzneimittels von einer Bewertung der zuständigen Bundesoberbehörde abhängig gemacht, ob die Qualität des Arzneimittels gewährleistet ist und zu erwarten ist, dass der bis dahin bekannte und mögliche Nutzen die zum Zeitpunkt der Bewertung bekannten und möglichen Risiken überwiegt. Um Engpässe zu vermeiden, sollen auch Arzneimittel, deren Verfalldatum abgelaufen ist, in den Verkehr gebracht werden dürfen, wenn Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit dieser Arzneimittel nicht wesentlich beeinträchtigt sind.

Ausnahmen auch bei Kennzeichnung und Apothekenpflicht

Darüber hinaus sollen die Ausnahmeregeln bezüglich Kennzeichnung erweitert werden, um „ein zeitnahes und flexibles Inverkehrbringen von Arzneimitteln in Krisensituationen zu ermöglichen“. Geplant ist, nicht nur das Inverkehrbringen von Arzneimitteln in einer fremdsprachlichen Kennzeichnung zuzulassen, sondern auch das Inverkehrbringen von Arzneimitteln ohne Sicherheitsmerkmale. „Die derzeitige Pandemie hat gezeigt, dass umfangreiche Abweichungsmöglichkeiten von den Kennzeichnungsvorschriften angezeigt sind, um Arzneimittel schnell verfügbar zu machen“, begründet das BMG dieses Vorhaben. „Um die sichere Anwendung dieser Arzneimittel zu gewährleisten, stellen die zuständigen obersten Bundes- oder Landesbehörden sicher, dass der Endverbraucher in geeigneter Weise die erforderlichen Produktinformationen erhält.“

Zudem weitet das Ministerium die Möglichkeiten aus, die das Abweichen von § 43 AMG (Apothekenpflicht) in Notzeiten betreffen. Konkret soll demnach künftig auch ein Abweichen von § 43 Absatz 3 AMG („Auf Verschreibung dürfen Arzneimittel nur von Apotheken abgegeben werden“) erlaubt sein. „Es kann in Krisensituationen angezeigt sein, korrespondierend zu den Abweichungen vom Vertriebsweg, die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch andere Stellen als Apotheken zuzulassen“, erläutert das BMG in der Begründung zum Entwurf. „So kann beispielsweise eine Abgabe durch eine beauftragte Stelle erfolgen.“

Die Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrats. Sie tritt am Tag nach ihrer Verkündung im Bundesanzeiger in Kraft. Zuvor erhalten noch die Verbände die Chance, Stellung zu nehmen. Änderungen sind also durchaus noch möglich.



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung

von Dorf-Apothekerin am 23.04.2022 um 13:10 Uhr

Herr Müller, ich stimme ihnen voll und ganz zu. Es ist erschreckend, wie resistent die Politik über den sichtbaren Anbieterschwund hinweg geht. Aber es gibt ja in Zukunft DOC-Morris und Co., Telemedizin , die Feuerwehr und sicher auch ukrainische (Pflege)-Fachkräfte oder Aldi und Lidl, die insbesondere bei flächendeckendem Stromausfall über patientenbezogene Besonderheiten informiert sind.
Die FDP ist der Meinung, es regelt sich von selber. Herr Friedemann Schmid als ehemaliger ABDA- Chef kommt immerhin jetzt zu dem Schluss, dass nicht mehr von allen Apotheken das Gleiche gefordert werden kann. Warum nicht schon vor 10 Jahren! Auch der bayerische Gesundheitsminister Herr Holetschek sieht keinen Handlungsbedarf angesichts eines Hilferufes von Herrn Sauter auf Initiative von Landrat Dr. Reichhart (Günzburg) und Bürgermeister Dopfer (Neuburg) den Schwund bei der ländlichen Arzneimittelversorgung betreffend. Ebenfalls der HInweis Land-Apotheken dem Katastrophenschutz zu unterstellen, um die Apotheke-light nicht salonfähig zu machen, verlief im Sand.
Die Presse hat dieses Theme bereits entdeckt. Die Tatsache, dass es einige wenige erfolgreiche Eigeninitiativen gibt, reicht doch nicht für eine Flächendeckung von medizinischer und Arzneimitelversorgung.
Eine Glosse, frei wiedergegeben besagt, dass Deutschland darin Meister ist, den Karren so richtig in den Dreck zu fahren, aber noch meisterlicher fähig ist ihn mit fast übernatürlicher Energie und Anstrengung dort wieder herauszuholen.
Warum erspart man sich nicht einfach diesen Umweg?

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warum

von Karl Friedrich Müller am 22.04.2022 um 17:48 Uhr

warum denkt man nicht mal zuerst an den Erhalt der Strukturen? Warum fördert man die Schließungen von Apotheken? Warum den 2. Schritt vor dem ersten? Wenn es kaum noch "Versorgende" gibt, was soll das dann?
Das betrifft bei Weitem nicht nur die Apotheken. Auch andere Bereiche im Gesundheitswesen sind von Frust,, Überlastung und Jobwechsel geprägt. Ein Krankenhaus ohne Ärzte und Pflegende? Arztpraxen (wie Apotheken), die keinen Nachfolger finden und/oder der Inhaber/Arzt lieber in die Rente flüchtet?
Da kommen eine Menge Probleme, dir geflissentlich ignoriert werden.

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