Parlamentarischer Abend der baden-württembergischen Apotheker:innen

Viel Leistung für ein kleines Stück vom Kuchen

Berlin - 06.04.2022, 12:45 Uhr

Tatjana Zambo zu den Leistungen der Apotheken in der Pandemie: „Wir waren gefordert, wir haben geliefert!“ (Foto: LAV)

Tatjana Zambo zu den Leistungen der Apotheken in der Pandemie: „Wir waren gefordert, wir haben geliefert!“ (Foto: LAV)


Wenn man im Gesundheitswesen sparen will, dann nicht an einem so „kostengünstigen und wertvollen System“ wie der Apotheke – schließlich lag der Wertschöpfungsanteil der Apotheken 2021 gerade einmal bei 2,1 Prozent der gesamten GKV-Ausgaben. Unter anderem diese Botschaft gab die Präsidentin des baden-württembergischen Landesapothekerverbands Tatjana Zambo den Bundestagsabgeordneten mit, die gestern der Einladung der baden-württembergischen Apotheker:innen zu einem parlamentarischen Abend in Berlin gefolgt waren.

Die baden-württembergischen Apotheker:innen suchen traditionell das Gespräch mit der Bundespolitik. Regelmäßig im Frühjahr laden Verband und Kammer Bundestagsabgeordnete zum parlamentarischen Abend in die Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs. Das letzte Mal fand ein solches Zusammentreffen allerdings im Frühjahr 2019 statt – dann machte die Corona-Pandemie den vom persönlichen Gespräch lebenden Zusammentreffen einen Strich durch die Rechnung.

Am gestrigen Dienstagabend war es endlich wieder so weit – und diesmal wurden die Abgeordneten von einer neuen Verbandspräsidentin und einem neuen Kammerpräsidenten begrüßt. Tatjana Zambo und Martin Braun hatten im vergangenen Jahr ihre langjährigen Vorgänger Fritz Becker und Günther Hanke abgelöst und präsentierten nun frische Einblicke in die Apothekenwelt Baden-Württembergs.

Tatjana Zambo verwies zunächst auf die abnehmende Apothekendichte in Deutschland: EU-weit liegt die Bundesrepublik mit 23 Apotheken pro 100.000 Einwohner:innen mittlerweile im unteren Drittel. Zudem nimmt die Apothekenzahl seit Jahren ab. Allein in Baden-Württemberg seien seit 2014 rund 10 Prozent der Betriebsstätten verloren gegangen. Dabei beschäftigten die Apotheken im Land 160.454 Mitarbeitende – davon fast 53.000 Apotheker:innen.

Was wäre, wenn es keine Apotheken gäbe?

Vor allem aber wies Zambo darauf hin, dass Apotheken für das deutsche Gesundheitswesen kein entscheidender Ausgabenposten sind. Von den GKV-Gesamtausgaben 2021 in Höhe von 284,33 Milliarden Euro seien zwar 17 Prozent auf Arzneimittel gefallen. Doch der Wertschöpfungsanteil der Apotheken liege bei gerade einmal 2,1 Prozent des gesamten Kuchens. Zambo animierte die Anwesenden, sich dies bildhaft vorzustellen: Würden von einem Tag auf den anderen alle Apotheken der Republik geschlossen und fielen alle ihre Leistungen für die Menschen weg, so würde die Ersparnis für die GKV mit diesen 2,1 Prozent äußerst gering ausfallen. Die Verbandspräsidentin machte deutlich: Wenn man sparen will, dann nicht an einem so kostengünstigen und wertvollen System wie der Apotheke.

Dass die Arzneimittelausgaben steigen, so Zambo, sei vor allem auf hochpreisige Arzneimittel zurückzuführen, die oft für Einsparungen in anderen Bereichen sorgen: Während deren Absatzmenge zwar stagniert, geht es mit den Preisen bergauf. Ein Umstand, der sich aber nicht im Ertrag der Apotheken bemerkbar mache, wie Zambo unterstrich.

Apotheken wollen Anschub beim Impfen geben

Die Präsidentin verwies zudem auf die zahlreichen Aufgaben, die Apotheken zu meistern haben oder/und in der Pandemie neu dazu bekommen haben. Gerne würden sie etwa ihre Modellprojekte zur Grippeimpfung, die derzeit noch auf drei Regionen begrenzt sind, ausbauen. Damit wollen sie nicht zuletzt die Impfbereitschaft, die in Baden-Württemberg vergleichsweise gering ist, ankurbeln. Bei den GKV-Ausgaben für Vakzinen hänge das Land „historisch hinterher“, wie Zambo einräumte.

Apothekentypisches Organisationstalent 

Als beständiges Ärgernis nannte die Verbandspräsidentin zudem die Lieferengpässe. Mehr als 10 Prozent seiner Arbeitszeit stecke das Apothekenpersonal in die Lösungssuche, so Zambo. Pro Apotheke würden bis zu 300 Arzneimittel als defekt gemeldet. Idealerweise müsse es hier künftig mehr Transparenz durch ein zentrales Informationssystem zu den Engpässen geben.  Zudem sei es dringend nötig, dass Krankenkassen Rabattverträge mit mehreren Herstellern schließen, die mindestens zwei unterschiedliche Wirkstoffhersteller nutzen. 

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Auch der Export versorgungsrelevanter Arzneien müsse eingeschränkt werden, wenn sie knapp zu werden drohen. Nicht zuletzt sollten die Rahmenbedingungen stimmen, damit sich wieder mehr Wirkstoffhersteller in Europa ansiedeln.

Apotheke vor Ort – ein effizientes Gesundheitszentrum

Kammerpräsident Martin Braun lenkte sodann den Blick nochmals besonders auf die Leistungen der Apotheken in der Pandemie. Tatsächlich habe das Coronavirus ihre Stärken besonders hervorgebracht. Die Apotheken waren Tag und Nacht für die Menschen da – auch wenn Inhaber:innen und Personal dabei oft an ihre Grenzen gekommen seien. Sie gehörten zu den ersten, die sich um Schutzmaßnahmen kümmerten. Sie stellten zu Beginn der Pandemie Desinfektionsmittel her und fanden Lösungen für alle Probleme, die sich auf diesem Weg stellten – etwa den Mangel an Ausgangsstoffen. Ein gewisses Organisationstalent sei wohl typisch für die Apotheken, bemerkte Braun. Überdies testeten sie zuverlässig, sie meisterten die Impfstofflogistik, als die Hausärzte in die Impfkampagne einstiegen – und sie machten sich bereit, selbst gegen COVID-19 zu impfen. Bei der Ausstellung der Impfzertifikate seien Apotheken nicht selten ein Korrektiv gewesen – viele Impfpassfälschungen seien in den Offizinen aufgedeckt worden. Insgesamt hätten sich die Apotheken vor Ort einmal mehr als unverzichtbar erwiesen – und als effizientes, dezentrales Gesundheitszentrum.

Sorge bereitet Braun allerdings der Nachwuchsmangel – auch dieser ist ein Grund, warum viele Apotheken schließen. In Baden-Württemberg hat man eine groß angelegte Nachwuchsoffensive gestartet, die nun stufenweise und zielgruppenorientiert für die Berufe in der Apotheke werbe (www.karriere-auf-rezept.de). Braun machte aber auch deutlich: Um attraktiv als Arbeitgeber zu sein, müsse auch das Gehalt stimmen.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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