Neuer Kompromiss

Lauterbach glaubt an Bundestagsmehrheit für Impfpflicht ab 60 Jahren

Berlin - 06.04.2022, 15:15 Uhr

Bis 1. Oktober sollen alle Über-60-Jährigen nachweisen, dass sie vollständig gegen COVID-19 geimpft sind. (x / Foto: Rido / StockAdobe)

Bis 1. Oktober sollen alle Über-60-Jährigen nachweisen, dass sie vollständig gegen COVID-19 geimpft sind. (x / Foto: Rido / StockAdobe)


Beim Thema COVID-19-Impfpflicht kommen die Ampel-Fraktionen nur schwerlich auf einen gemeinsamen Nenner. Doch morgen soll der Bundestag entscheiden, ob – und wenn ja, für wen – der Piks zur Pflicht wird. Der neueste Kompromiss zwischen den Befürwortern der Impfpflicht ab 18 Jahren und jenen der Aufklärungspflicht mit optionaler Impfpflicht ab 50 Jahren sieht nun erstaunlicherweise eine Impfpflicht ab 60 Jahren vor – allerdings mit der Möglichkeit, diese ab Herbst auch auf Jüngere zu erstrecken.

Morgen wird der Bundestag abstimmen, für wen und unter welchen Umständen es in Deutschland eine COVID-19-Impfpflicht geben wird. Am vergangenen Montag hatten die Befürworter der Impfpflicht ab 18 Jahren – zu denen unter anderem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Kanzler Olaf Scholz (beide SPD) gehören – einen Schritt auf jene beiden Gruppen zu gemacht, die eine Impfpflicht nicht kategorisch ausschließen. Mit einer Aufklärungspflicht und einer folgenden Impfpflicht erst ab 50 Jahren bewegten sie sich auf die Abgeordnetengruppe um Andrew Ullmann (FDP) und Kordula Schulz-Asche (Grüne) zu. Aus dem Antrag der Unionsfraktion griffen sie den Vorschlag auf, ein Impfregister zu etablieren. Doch überzeugen konnten sie beide Gruppen nicht. Während die Union weiterhin alle Vorstöße abseits ihres eigenen Antrags vehement abwehrt, zeigte sich die Gruppe um Ullmann zumindest gesprächsbereit. Und so wurde am gestrigen Dienstagabend ein neuer Kompromiss bekannt.

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Wie die Initiatorinnen und Initiatoren der Gesetzesentwürfe für eine Impfpflicht ab 18 beziehungsweise einer Aufklärungsverpflichtung mit optionaler Impfpflicht ab 50 Jahren mitteilten, sieht ihre Lösung folgendermaßen aus: 

  • An erster Stelle steht, bislang ungeimpfte Menschen zu beraten und von der Impfung als wichtigsten Schritt in der Pandemiebekämpfung zu überzeugen. Damit soll es unmittelbar losgehen.
  • Zudem soll es für alle ab 60 Jahren ab kommendem Oktober eine Impfnachweispflicht geben – denn dies sei die besonders gefährdete Bevölkerungsgruppe. Diese Impfpflicht könne aber mit einem Bundestagsbeschluss im Juni ausgesetzt werden, falls die Beratungsgespräche die Impfrate ausreichend steigern können.
  • Im Herbst soll der Bundestag vor dem Hintergrund der dann vorherrschenden Erkenntnisse und potenzieller Virusvarianten zudem entscheiden, ob zusätzlich eine Impfnachweispflicht für Altersgruppen ab 18 Jahren greifen soll.

„Wir setzen auf die Verantwortung der Union, sich diesem Vorschlag anzuschließen“, heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung. Immerhin sehe der Vorschlag dieselbe Altersgrenze vor, wie der Antrag der Union. Zudem schließe er weiterhin deren Vorschlag für ein Impfregister ein.

CDU-Chef Merz: Verkorkste Kompromisse

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, beklagte sich allerdings umgehend, dass die Union nicht informiert und nicht in die Gespräche einbezogen worden sei. „Dieses politische Gefeilsche in sprichwörtlich letzter Minute wird der Komplexität des Themas nicht ansatzweise gerecht.“ Der Vorschlag sei überdies eine Mogelpackung, so der CDU-Politiker. „Es geht der Gruppe darum, bereits jetzt eine Impfpflicht ab 60 auf Vorrat, also Monate im Voraus, zu beschließen und im Herbst womöglich auf alle Erwachsenen auszuweiten“, so Sorge. Dem könne die Union nicht zustimmen.

CDU-Chef Friedrich Merz zeigte sich ebenfalls ablehnend: „Diese Art der Politik – rein und raus, vor und zurück, über Talkshows anzukündigen, was man macht und was man zwei Tage später wieder nicht macht – den Weg gehen wir nicht mit“, sagte er. „Hier geht es um verkorkste Kompromisse, die die Koalition machen muss, weil sie sich untereinander nicht einig ist.“

Lauterbach bleibt zuversichtlich

Gesundheitsminister Lauterbach ist jedoch zuversichtlich, dass der Kompromissvorschlag im Bundestag eine Mehrheit findet. „Mit großer Wahrscheinlichkeit kriegen wir das durch“, sagte der SPD-Politiker gestern in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“. Er betonte, dass 90 Prozent der Corona-Sterbefälle auf Menschen ab einem Alter von 60 Jahren entfielen. Es sei daher schon viel erreicht, wenn diese Gruppe geimpft sei – überdies bestehe ja die Option, die Impfpflicht im Herbst doch auf alle Volljährigen auszuweiten.

SPD-Chef Lars Klingbeil verteidigte den neuen Vorstoß ebenfalls. „Diese Impfpflicht ab 60 wird uns helfen, in Freiheit auch durch den Herbst zu kommen“, sagte Klingbeil bei, „RTL Direkt“. In Richtung Union erklärte er: „Und deswegen nochmal der Appell an die Vernunft und die Verantwortung auch der Union, sich nicht bockig zu stellen, sondern zu sagen: Wir gehen diesen Weg mit.“

Der FDP-Gesundheitsexperte Ullmann erklärte, er könne mit dem Kompromiss „sehr gut leben“. Das Ergebnis habe aber nicht alle Unterstützer seiner Gruppe überzeugt, sagte er dem „Handelsblatt“ am Dienstagabend. Er äußerte die Hoffnung, „dass wir im Sommer eine so hohe Impfquote erreicht haben, dass die Impfpflicht nicht mehr nötig ist und sie im Bundestag wieder ausgesetzt wird, wie es der Kompromiss ermöglicht“.



Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Impfpflicht mit 60

von Conny am 07.04.2022 um 12:59 Uhr

Glauben kann Lauterbach in der Kirche. Was für eine Klatsche. Super vorbereitet.

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