TK-DiGA-Report 2022

Nur wenige Ärzte verordnen DiGA

Berlin - 31.03.2022, 07:00 Uhr

Apps auf Rezept werden noch nicht allzu häufig verordnet. (Foto: chinnarach / AdobeStock)

Apps auf Rezept werden noch nicht allzu häufig verordnet. (Foto: chinnarach / AdobeStock)


Noch sind die ärztlichen Verordnungen für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) überschaubar. Doch die Zahl der Apps wächst ebenso wie die der Nutzer:innen. Die Techniker Krankenkasse zieht nun ein erstes Resümee. Sie steht der noch jungen und innovativen Versorgungsart durchaus offen gegenüber – doch TK-Chef Jens Baas sieht mit Blick auf Preise und Nutzen auch Nachsteuerungsbedarf.   

Seit Oktober 2020 können Ärztinnen und Ärzte Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Kassenkosten verordnen – Deutschland ist das erste Land weltweit, das dies ermöglicht hat. Mittlerweile listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 31 verordnungsfähige DiGA. Doch welche Bedeutung haben die Apps auf Rezept seit ihrer Einführung gewinnen können? Und welche Probleme machen sie möglicherweise? Dem sind die Techniker Krankenkasse (TK) und die Universität Bielefeld im „TK-DiGA-Report 2022“ nachgegangen. Für die Studie wurden die Abrechnungsdaten von rund 16.000 TK-Versicherten ausgewertet, denen bis 31. Dezember 2021 eine DiGA verordnet oder genehmigt wurde.

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Demnach hat die TK innerhalb des Beobachtungszeitraums insgesamt 19.025 Freischaltcodes zur DiGA-Nutzung ausgegeben – 92 Prozent davon wurden auch eingelöst. 85 Prozent der Rezepte wurden von Ärztinnen oder Ärzten ausgestellt, die übrigen 15 Prozent auf Antrag der Versicherten von der Krankenkasse genehmigt. Wirklich angekommen sind die Apps in den Arztpraxen noch nicht: Lediglich 4 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte haben bislang Rezepte für DiGA ausgestellt.

Die drei am häufigsten verschrieben Apps sind gegen Rückenschmerzen (3.947), Tinnitus (3.450) und Migräne (2.524). Die meisten Apps (zum Zeitpunkt der TK-Auswertung waren es elf) gibt es im Bereich der psychischen Erkrankungen. Mit 32 Prozent Anteil an der Gesamtnutzerzahl sind dies auch die Apps mit den meisten Nutzerinnen und Nutzern. Rund drei Viertel aller Verordnungen konzentrieren sich auf fünf Apps.

Zwei Drittel der DiGA-Nutzer:innen sind weiblich. Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt, dass es auffallend weniger Verschreibungen bei den Unter-30-Jährigen und den Über-60-Jährigen gibt. Das Durchschnittsalter der DiGA-Nutzer:innen liegt bei 45,5 Jahren.

Die TK hat zudem 244 Versicherte, die eine App verschrieben bekommen haben, zu Nutzung und Zufriedenheit befragt. 84 Prozent gaben an, ihre DiGA mindestens einmal pro Woche zu nutzen, davon 37 Prozent täglich. 10 Prozent loggen sich nur wenige Male im Monat ein, 6 Prozent sagten, sie nutzten die App gar nicht. Was die Zufriedenheit betrifft, ist das Bild gemischt: 19 Prozent der Befragten gaben an, dass die App ihre Beschwerden gelindert hat. 43 Prozent stimmten eher zu, dass die App ihnen geholfen hat. 34 Prozent erklärten jedoch, dass die DiGA ihnen nicht oder eher nicht geholfen hat. 

Wie realistisch sind die Preise?

Und wie sieht es mit dem Preis aus? Im ersten Zulassungsjahr können App-Anbieter die Preise frei bestimmen. Anschließend müssen sie einen Nutzennachweis erbringen – dann wird auch ein Preis zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller vereinbart oder die Schiedsstelle legt diesen fest. Der Durchschnittspreis der DiGA lag im Oktober 2020 bei 329 Euro pro Quartal. Inzwischen haben vier App-Hersteller die Preise im ersten Jahr noch einmal erhöht, sodass der Preis im März 2022 im Schnitt bereits bei 456 Euro lag.

Und genau hier sieht TK-Vorstandschef einen Knackpunkt – auch wenn er die Apps grundsätzlich als innovative Versorgungsform befürwortet und die Preise angesichts des derzeit noch geringen Verordnungsvolumens noch nicht ganz so relevant für die Kassen sind. Aber es gebe Apps, die vor der Kostenerstattung durch die Kassen zu einem weit geringeren Selbstzahlerpreis angeboten wurden. Daher müsse man sich fragen, wie realistisch die nun verlangten Preise sind – zumal eine erst einmal fertige App den Herstellern im Grunde nicht mehr viele Kosten beschert.

Zwar gibt es eine „Höchstpreisbremse“, doch deren Wirksamkeit sei fraglich: Eine Modellrechnung zeige, dass sie die Preise durchschnittlich um 6,6 Prozent absenken kann. „Damit DiGA sich erfolgreich dauerhaft im Gesundheitssystem etablieren können, brauchen wir faire Preise“, fordert daher Baas. „Es muss eine Verhältnismäßigkeit geben zwischen den Kosten für DiGA und den Kosten für analoge Arztbehandlungen.“ Im Moment kosteten DiGA teilweise mehr als analoge Therapien – und das, obwohl der Nutzennachweis für das erste Jahr noch ausstehe. 

Dass der Nutzen erst verzögert nachgewiesen werden muss, ist aus TK-Sicht das zweite Problemfeld. Baas zieht einen Vergleich zu Arzneimitteln: Müssten diese erst ein Jahr nach ihrer Markteinführung ihren Nutzen beweisen, wäre der Aufschrei groß. Er fordert, dass es bereits für die Listung beim BfArM eine aussagekräftige Datengrundlage geben müsse. „Die bisherigen Anforderungen reichen nicht, um den Nutzen einer App abzuschätzen.“ 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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