Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

27.03.2022, 07:30 Uhr

Liegen die besten Zeiten hinter uns? (Foto: Alex Schelbert)

Liegen die besten Zeiten hinter uns? (Foto: Alex Schelbert)


Draußen droht die Welt unterzugehen. Ein russischer Diktator verweist auf seine Atomwaffen, die Energiekosten gehen durch die Decke, die Klimakrise läuft aus dem Ruder und eine Virusvariante nach der andern feiert feuchtfröhliche Urständ mit gigantischen Inzidenzen. Und drinnen, in unserer kleinen Apothekerwelt? Da steigert man die Geheimniskrämerei über Dienstleistungen und ihre Honorierung ins Absurde, während sich Douglas und dm schon für Apo-Stores warmlaufen. Der Gesundheitsminister will mit der Kürzung des Apothekenhonorars das Minus der Kassen auffangen und die Pharma-Großhandlungen sehen nur noch einen Ausweg aus dem Kostendruck: schlechtere Konditionen für die Apotheken. Wie lange halten wir das aus? 

21. März 2022

Am 15. Dezember 2020, mit dem Inkrafttreten des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes, hat der Gesetzgeber den Startschuss für die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen gegeben. Rund 15 Monate später weiß die geneigte Apothekerschaft im Lande noch immer nicht, um welche Dienstleistungen es sich handelt und wie es damit weitergeht. Im Hintergrund mag zwar viel gelaufen sein, aber nach außen dringen durfte nichts. Jedwede Diskussionen über die Art der pharmazeutischen Dienstleistungen, über das Was, Wie, Wo und vor allem über das Wie-viel sind sichtlich unerwünscht – solche Diskussionen könnten doch die komplizierten Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband stören. Mittlerweile liegt die Entscheidung über Dienstleistungen und ihr Honorar bei der Schiedsstelle. Rund 150 Millionen Euro jährlich stehen für die fachlich hochqualifizierten Dienste der Apotheken am Patienten zur Verfügung. 150 Millionen Euro jährlich für Leistungen, die vermutlich irgendwo im Bereich von Medikationsmanagement und ähnlich anspruchsvollen Diensten angesiedelt sein dürften, sind nicht übermäßig viel. Und wer weiß, ob sich die Schiedsstelle nicht auch von den jüngst bekannt gewordenen Sparbemühungen des Bundesgesundheitsministers Lauterbach beeindrucken lässt und die 150 Millionen Euro nur mit zitternder Hand freigeben wird. Mein liebes Tagebuch, wie geht’s nun weiter? Auf dem ApothekenRechtTag der Interpharm war zu erfahren, dass die nächste Sitzung der Schiedsstelle Anfang April stattfinden wird. Dr. Elmar Mand, Jurist und Apothekenrechtsexperte, ist Mitglied dieser Schiedsstelle. Er dürfe sich zwar  inhaltlich nicht zu dem Verfahren äußern, aber man sei „ganz guter Dinge, dass wir eventuell vor dem Sommer zu einer Lösung kommen“. Eventuell vor dem Sommer – mein liebes Tagebuch, wir können es kaum erwarten, zu erfahren, welche anspruchsvollen Aufgaben die Apotheken dann für kleines Geld zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung für die Versicherten erbringen dürfen. Ebenfalls Mitte des Jahres werden wir dann ja auch wissen, wie viel Honorar uns das Bundesgesundheitsministerium wegnehmen wird, um die Kassen zu sanieren.

 

16 Apothekerverbände möchten, dass die standeseigene digitale Gesellschaft Gedisa ein Verbändeportal ausbauen und betreiben soll. Dafür müssen die Apothekerverbände in den kommenden drei Jahren vermutlich mehr als 35 Millionen Euro aufbringen. Der 17. Apothekerverband im Lande, der Apothekerverband Westfalen-Lippe, zeigt sich vor diesem Hintergrund skeptisch und hat sich noch nicht durchringen können, dem Aufbau des Verbändeportals zuzustimmen. Es gebe noch Bedenken, heißt es. Andererseits kann sich im westfälisch-lippischen Bezirk  etwa die Hälfte der Apothekenleiter durchaus für ein Verbändeportal erwärmen. Allerdings hielten sich nach der letzten Abstimmung in der Mitgliederversammlung des Verbands Zustimmung und Skepsis die Waage, der Verband befindet sich hier in einer Patt-Situation. Mein liebes Tagebuch, was tun? Eigentlich ist Eile geboten, die großen digitalen Plattformen, an denen IT-Häuser, Automaten-Hersteller, Großhandlungen und andere Unternehmen beteiligt sind,  basteln bereits fleißig daran, Fakten zu schaffen, ihre Portale auszubauen und zu stärken. Aber klar, diese Portale verfolgen auch ihre eigenen Interessen. Und sie kosten den beigetretenen Apotheken Geld. Die Idee, dass eine standeseigene Digitalgesellschaft eine unabhängige Plattform für die Apothekerschaft aufbaut und betreibt, ist daher nicht die schlechteste. Diese Ansicht vertritt auch Apotheker Dr. Christian Fehske von der Rathaus-Apotheke in Hagen. Im DAZ.online-Interview lässt er uns an seinen Überlegungen dazu teilhaben. Und er gesteht uns, dass er hin und hergerissen ist: Jede Plattform hat ihre Stärken, aber …

22. März 2022

Mein liebes Tagebuch, die Zukunft für unsere Vor-Ort-Apotheken wird nicht einfacher. Da lauern bereits die großen EU-Versandhäuser darauf, dass das E-Rezept endlich kommt, und sie hoffen, dass die Kundinnen und Kunden ihre E-Rezepte massenweise an sie übermitteln. Währenddessen versucht unser Bundesgesundheitsminister die gesetzlichen Krankenkassen mithilfe der Vor-Ort-Apotheken zu sanieren, indem er ihnen das Honorar kürzt und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken will. Und als ob das nicht schon genug wäre: Jetzt wittern auch noch Parfümerie- und Drogerieketten Morgenluft: Douglas und dm  glauben, im Arzneimittelgeschäft mitmischen zu können. Die Beautykette Douglas hat mal eben den niederländischen Versender Disapo gekauft, um an die begehrten E-Rezepte zu kommen und in den Rx-Markt einzusteigen. Und nun kündigt auch die Dromarktkette dm an, Gesundheitsdienstleister werden zu wollen. Diese Kette hat bereits im Zuge der Corona-Pandemie Teststationen betrieben und Impfungen in ihren  Räumlichkeiten angeboten. Doch damit alleine gibt sich dm noch nicht zufrieden. Dm-Chef Christoph Werner möchte auch künftig in seinen Märkten Impfungen und verschreibungspflichtige Arzneimittel anbieten, sein Vorbild sind die Drogerieketten in den USA. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung ließ er wissen, dass Impfungen und Rx-Arzneimittel in Drogeriemärkten generell sinnvoll seien wegen Kosteneinsparungen. Das haut er jedenfalls so raus, ohne irgendwelche Belege dafür zu bringen. Mein liebes Tagebuch, vielleicht sollte sich Werner mal eine richtige Apotheke von innen ansehen, vielleicht wird er  dann verstehen, dass Apotheke nicht nur die Abgabe einer Arzneimittelpackung ist, sondern viel viel mehr  dazu gehört, vom Nacht- und Notdienst und der Herstellung von Rezepturen ganz zu schweigen. Mein liebes Tagebuch, klingt immer wahnsinnig populistisch, wenn Drogeriebosse glauben, sie könnten Apotheke und das auch noch billiger. Und ja, es wird natürlich Politiker geben, die solchen Vorschlägen vorschnell auf dem Leim gehen.


Die steigenden Energiekosten drücken auch bei den pharmazeutischen Großhandlungen gewaltig auf die Marge. Die apothekereigene Großhandlung Noweda schreibt jetzt ihre Kunden an und informiert über Kürzungen bei den Konditionen. Es wundert nicht, mein liebes Tagebuch. Das Vergütungsmodell des pharmazeutischen Großhandels wurde ebenso wie das der Apotheken seit dem Jahr 2012 nicht mehr angepasst. Gestiegen sind allerdings die Auflagen zur Arzneimittelsicherheit, zum Fälschungsschutz, zur Versorgung mit temperaturempfindlichen Arzneimitteln, außerdem die Personal- und die Energiekosten. Außerdem steht eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro ab Oktober 2022 vor der Tür. Hinzu kommen Kostenmonster wie die Digitalisierung und der Aufbau von Plattformen. Die Luft wird also auch für den Großhandel extrem dünn. Einen Ausweg sieht die Noweda nun darin, ihre Konditionen zum 1. Juni 2022 anzupassen, sprich ihre Kunden, die Apotheken zu belasten. Will heißen: Es wird weniger Rabatte geben. Und schon meldet sich nach der Noweda die nächste apothekereigene Pharmagroßhandlung zu Wort, die Sanacorp. Auch für die Kunden dieses Großhändlers wird es in der kommenden Zeit aus den oben genannten Gründen ungemütlicher werden. Auch dieses Unternehmen will die Konditionen mit seinen Kunden neu besprechen. Ja, und auch an der Anzahl der Belieferungstouren soll geschraubt werden. Neben einer Kostenbeteiligung soll eine geographisch-wirtschaftlich sinnvolle Tourenoptimierung stehen, heißt es bei der Sanacorp. Vom Großhandelsunternehmen Kehr war zu erfahren, dass bei seinen Kunden eine Extragebühr von zwei Euro je Tour ab dem 1. April dieses Jahres fällig wird. Mein liebes Tagebuch, die Kosten von oben nach unten einfach durchzureichen, kann’s letztlich nicht sein. Da muss Druck auf die Politik entstehen, endlich die Honorare im Apotheken- und Großhandelssektor anzupassen, wenn unser gut funktionierendes Gesundheitssystem erhalten bleiben soll. Mit seinen Sparmaßnahmen bei Apotheken wird der Bundesgesundheitsminister eh nicht weiterkommen: Gebt ihm ein „Sondervermögen Gesundheitswesen“, vielleicht so etwa 50 bis 100 Milliarden Euro wären hier angemessen.

23. März 2022

Die Sache mit der Beratung und der Beratungspflicht bei EU-Arzneiversandhäusern ist so eine Sache, wie ein Test der Verbraucherorganisation Stiftung Warentest feststellen musste. Sie unterzog elf Versandhäuser einem Beratung-und Service-Check. Mein liebes Tagebuch, das Fazit überrascht nicht wirklich: Bei der fachlichen Qualität enttäuschten viele Versender. Sie wiesen zum Beispiel nicht ausreichend auf Wechselwirkungen zwischen den bestellten Arzneimitteln hin. Nur drei der Versender erreichten ein „befriedigend“. Mein liebes Tagebuch, wir können nicht laut genug hervorheben, dass diese „Beratung“ der Versender nicht vergleichbar ist mit einer persönlichen Beratung in der Apotheke. Versandhäuser können eine Vor-Ort-Apotheken nicht ersetzen, das sollte auch in der Politik ankommen.

24. März 2022

Ein neuer Entwurf zur Anpassung der Coronavirus-Testverordnung sieht vor, dass noch bis zum 31. Mai getestet und vergütet wird wie gehabt. Aber, mein liebes Tagebuch, die Pandemie wird am 1. Juni nicht vorüber sein. Wie geht es dann weiter mit dem Testen und Vergüten? Unsere Berufsvertretung ABDA hat sich bereits dazu geäußert: Sie plädiert für eine Verlängerung des Testangebots. Dies sei, so die ABDA in ihrer Stellungnahme, „angesichts des nach wie vor andauernden Infektionsgeschehens inhaltlich dringend erforderlich“, außerdem trage dies zur Planungssicherheit der testenden Leistungserbringer bei. Mein liebes Tagebuch, dem kann man nur zustimmen. In ihre Stellungnahme packt die ABDA auch einen dringenden Wunsch mit hinein: Der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber sollte „ein sachgerechtes und schlüssiges Gesamtkonzept für Tests, Impfungen und Zertifikate“ entwickeln. Und, klar, die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ab Juni 2022 sollten zwischen allen Beteiligten abgestimmt werden. Die ABDA geht also weiter davon aus, dass nach wie vor Bedarf an Schutzimpfungen, Tests und digitalen Covid-19-Zertifikaten bestehen wird. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass diese Botschaft und dieser Wunsch im Bundesgesundheitsministerium ankommen.

 

Wie sieht es eigentlich mit den Apotheken-Plattformen aus? Stehen Sie auf einem rechtlich sicheren Fundament? Die Juristin Dr. Svenja Buckstegge hat sich auf dem ApothekenRechtTag der Interpharm mit Fragen rund um Apotheken-Plattformen befasst. So sieht sie beispielsweise, die Vergütung von Online-Plattformen als konfliktträchtig an. Bekanntlich gibt es hier unterschiedliche Modelle, zum Beispiel eine prozentuale Vergütung, es gibt aber auch feste Beträge bis hin zu einem pauschalen monatlichen Entgelt. Der Knackpunkt dabei ist, dass das Apothekengesetz festlegt, dass „Vereinbarungen, die sich am Umsatz oder Gewinn der Apotheke orientieren, unzulässig sind“. Infrage gestellt wird grundsätzlich auch das Geschäftsmodell der Plattform durch das Makelverbot, wonach es „für Dritte unzulässig ist, Verschreibungen zu sammeln, an Apotheken zu vermitteln oder weiterzuleiten und für sich oder andere einen Vorteil anzunehmen oder zu gewähren“. Außerdem dürfen Plattformen gegenüber Kunden nicht den Eindruck vermitteln, selbst Arzneimittel abzugeben oder zu beraten. Und natürlich dürfen sie schon gar nicht damit werben, eine Apotheke zu sein. Die Juristin befasste sich auch mit dem Botendienst der Apotheken. Strittig sei die Frage, Fremdpersonal bei Bodendiensten einzusetzen. Mein liebes Tagebuch, gut möglich, dass Plattformen und Apotheken in manchen Punkten noch nachbessern müssen.

25. März 2022

Darauf haben unsere lieben Krankenkassen und ihre Retax-Vampir-Organisationen schon sehnsüchtig gewartet: Fehlende Dosierungsangaben auf den Kassenrezepten bei Rx-Präparaten! Endlich! Seit November 2020 gilt die Verordnung, dass die Dosierung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln vom Arzt auf der Verordnung stehen muss, ersatzweise kann das supertolle Kürzel „Dj“ für „Dosierungsangabe vorhanden, ja“ aufs Rezept, sofern ein Medikationsplan vorhanden ist, aus dem die Dosierung zu entnehmen ist. Bisher hielten sich die Kassen zurück, falls eine fehlende Dosierungsangabe durchgerutscht ist. Aber die Friedenszeit scheint zu Ende zu gehen, jetzt wird in die Hände gespuckt und retaxiert. Mit anderen Worten: Wir Apothekers werden zur Kasse gebeten, weil die lieben Doctores oder die Sprechstundenhilfe die Dosierungsangabe oder das Kürzel vergessen haben. Klar, und in der Apotheke ist es halt mal durchgerutscht. Also, mein liebes Tagebuch, eine Dosierungsangabe auf dem Rezept ist natürlich so verkehrt nicht. In Zeiten der Digitalisierung sollte man erwarten, dass eine Arztsoftware eine Dosierung automatisch bei jedem verordneten Rx-Arzneimittel aufs Rezept druckt bzw. in Kürze ins E-Rezept standardmäßig mit aufnimmt. Und solange das nicht so ist? Dann muss die Apotheke die penible Kontrolle übernehmen. Fehlt die Dosierungsangabe, muss sogar mit dem Verordner, sofern erreichbar, Kontakt aufgenommen werden! Welch ein Aufwand! Es gibt dann noch die Möglichkeit, dass die Apotheke Einspruch einlegt und die Klausel in Anspruch nimmt, dass die fehlende Dosierangabe ein unbedeutender Fehler sei, da dieser formale Fehler weder die Arzneimittelsicherheit noch die Wirtschaftlichkeit tangiert. Und ja, wir können uns noch darüber aufregen, dass wir uns überhaupt auf solche Rahmenverträge eingelassen haben, nützt nur nichts. Der Retax-Vampir beißt zu. Mein liebes Tagebuch, wie wär’s denn mit diesem Vorschlag: Bei fehlender Dosierungsangabe des Arztes und falls dies in der Apotheke übersehen wurde, teilen sich Apotheke und Arztpraxis die Retaxkosten. 



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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3 Kommentare

Kürzung

von Dr. Radman am 27.03.2022 um 11:52 Uhr

Wenn der Großhändler (Noweda) nicht mehr kostendeckend arbeiten kann, dann muss er auf die Marge drücken. Wir sitzen alle im selben Boot. Ich erwarte aber die Rücknahme der Kürzung sobald sich die Lage im Energiesektor entspannt hat.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kürzung

von Gert Müller am 27.03.2022 um 12:17 Uhr

Sie erwarten immer sehr viel und wenig tritt ein.

Test

von Ulrich Ströh am 27.03.2022 um 11:05 Uhr

Xxxx

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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