Berichte über Rekordumsatz

destatis meldet 7,8 Prozent mehr Apothekenumsatz, Absatz bleibt unerwähnt

Süsel - 15.03.2022, 16:45 Uhr

Die destatis-Meldung vom Rekordumsatz der Apotheken geht um die Welt. Nimmt man den Absatz dazu, sieht es weit weniger rosig aus. (c / Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)

Die destatis-Meldung vom Rekordumsatz der Apotheken geht um die Welt. Nimmt man den Absatz dazu, sieht es weit weniger rosig aus. (c / Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie)


Im Jahr 2021 haben Apotheken 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr umgesetzt, hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Die Meldung legt nahe, dass die Apotheken von der Pandemie profitiert hätten. Doch sie enthält keine Absatzdaten. Der Vergleich mit Marktforschungsdaten zeigt, dass der Umsatz überwiegend durch die Verlagerung zu hochpreisigen Packungen gestiegen ist. Im OTC-Bereich hat offenbar der Versand wesentlich zum Umsatzanstieg beigetragen.

Das Statistische Bundesamt (destatis) meldet Rekordumsätze für Apotheken im Jahr 2021. Gemäß einer Pressemitteilung von destatis haben die Apotheken im Jahr 2021 preisbereinigt ein Umsatzplus von 7,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt. Dies sei das umsatzstärkste Jahr seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 sei der Apothekenumsatz im Jahr 2021 um 15,4 Prozent gestiegen. Der Dezember 2021 sei in den Apotheken der umsatzstärkste Monat seit Beginn der Betrachtungen gewesen. Die Umsätze im Einzelhandel insgesamt seien im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 0,9 Prozent und gegenüber 2019 um 5,7 Prozent gestiegen. Dabei betont destatis, dass Apotheken im Gegensatz zu vielen anderen Einzelhandelsunternehmen in der Pandemie nie geschlossen waren.

Geringere Zuwächse in Marktforschungsdaten

Um diese Daten einzuordnen, drängt sich ein Vergleich mit Marktforschungsdaten auf, wie sie beispielsweise Insight Health ermittelt (siehe AZ 2022, Nr. 3). Nach Angaben von Insight Health stieg der Rx-Umsatz der Vor-Ort-Apotheken im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 7,0 Prozent, während der Rx-Absatz nur um 1,3 Prozent zunahm. Gegenüber 2019 stieg der Rx-Umsatz gemäß Insight Health um 10,6 Prozent und der Rx-Absatz sank um 0,4 Prozent. Demnach stieg der Rx-Umsatz hauptsächlich durch teurere Packungen, also durch die Umsatzverlagerung zu Hochpreisern. Für die Apotheken ist das aufgrund ihrer Honorierung kein Vorteil, sondern eher ein Problem. Doch destatis nennt keine Absatzdaten und erwähnt auch nicht die packungsabhängige Honorierung der Apotheken.

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Plus beim Umsatz und Minus beim Absatz

Für den OTC-Bereich weist Insight Health sogar eine ungünstige Entwicklung aus. Demnach war der OTC-Umsatz der Apotheken im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr unverändert, der Absatz sank um 2,5 Prozent. Gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 sank der OTC-Umsatz gemäß Insight Health um 10,2 Prozent, der OTC-Absatz sogar um 14,5 Prozent. Damit ergibt sich eine Diskrepanz zu den Angaben von destatis. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass Insight Health Daten für das Vor-Ort-Geschäft ermittelt. Dagegen umfassen die destatis-Daten auch den inländischen Versand, weil die inländischen Versender immer auch Vor-Ort-Apotheken sind. Die höheren Umsätze gemäß destatis könnten also aus dem Versand zu erklären sein. Dafür spricht auch der von Insight Health ermittelte gesamte Apothekeneinkauf für das komplette Apothekensortiment, der im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um 7,4 Prozent gestiegen ist. Möglicherweise erklärt der Versand auch eine andere Abweichung. Denn bei den absoluten Vor-Ort-Umsätzen, die Insight Health aus Rechenzentrumsdaten hochrechnet, war der Dezember 2021 kein Rekordmonat, sondern er brachte sogar weniger Umsatz als der November 2021.

Irritierende Apothekenzählung bei destatis

Wenn diese Differenzen auf dem Versand beruhen sollten, spricht dies für eine beachtliche Bedeutung des Versandes im OTC-Bereich. Andere irritierende Angaben von destatis lassen sich weniger leicht erklären. Gemäß der Pressemitteilung von destatis hätten 16.200 Unternehmen („rechtliche Einheiten“) zum Apothekenumsatz mit insgesamt 202.000 „abhängig Beschäftigten“ beigetragen. Dies passt nicht zu den Daten der ABDA. Denn es gab Ende 2020 nach Angaben der Apothekerkammern 18.753 Apotheken in Deutschland, davon 14.110 Haupt- oder Einzelapotheken, also rechtlich selbstständige Einheiten. Außerdem hat die ABDA nur 160.454 Arbeitsplätze in Apotheken ausgewiesen, wobei die selbstständigen Inhaber mitgezählt werden. Das wirft die Frage auf, was destatis alles bei den Apotheken mitzählt. Die Zahl der „rechtlichen Einheiten“ könnte teilweise dadurch erklärt werden, dass OHG-Apotheken auf die Inhaber aufgeteilt werden. Vermutlich werden auch Verpächter von Apotheken als eigenständige Einheiten gezählt. Denn sowohl Verpächter als auch alle OHG-Gesellschafter erzielen Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit mit einer Apotheke. Weitere Verzerrungen können sich aus Schließungen und Neueröffnungen im Berichtsjahr ergeben.

Umsatzanstieg durch Hochpreiser

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Apotheken offenbar im Jahr 2021 einen erheblichen Umsatzzuwachs erzielt haben. Dieser beruht wohl überwiegend auf einer Verlagerung zu hochpreisigen Packungen, die für die Apotheken problematisch ist. Doch destatis lässt die Absatzdaten unbeachtet.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Wird passend gemacht

von ratatosk am 16.03.2022 um 9:34 Uhr

Ist relativ einfach zu erklären.
Da wird mit Rekordumsatz Stimmung gemacht, natürlich erwähnt man nicht, daß gerade bei Apotheken Umsatz nicht so bedeutend ist, aber der normale Bürger geht natürlich dann auch automatisch von höheren Gewinnen aus, da dies bei anderen Branchen auch meist so ist. Und Tratra - schon kann Karl die Erhöhung des Abschlags anstoßen.
Denke strategisch wird dann auf diese Erhöhung dann großmütig verzichtet, natürlich ist dann auch wieder mal ein Jahr ohne Anpassung der Vergütung obligatorisch.
So sieht eben deutsche Politik gegenüber den Apotheken aus.

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