So funktioniert die „Notapotheke der Welt“

Weshalb private Arzneimittelspenden kontraproduktiv sind

Stuttgart - 03.03.2022, 17:50 Uhr


Action Medeor ist vor allem auf Geldspenden angewiesen

(Foto: Action Medeor e.V.)

Spenden Sie die gelieferten Arzneimittel oder werden diese auch mit den Kostenträgern oder den Staaten vor Ort abgerechnet?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir spenden Arzneimittel oder geben sie zum Selbstkostenpreis ab. Bei langfristiger Entwicklungshilfe gehören die von uns ausgegeben Arzneimittelmittel und Medizinprodukte auch zur Regelversorgung des jeweiligen Landes und können abgerechnet werden. Aktuell in der Ukraine findet die Medikamentenversorgung spendenfinanziert statt.

Das heißt im Klartext: Action Medeor ist vor allem auf Geldspenden angewiesen?

Das ist richtig. Wir setzen diese Spenden unmittelbar für die betroffenen Menschen ein. 

Und was ist mit Medikamentenspenden?

Arzneimittelspenden aus der Industrie sind natürlich wichtig, die nehmen wir in großen Mengen ab, da sprechen wir über Paletten. Kleinstmengen oder Präparate, die bereits hier in Deutschland im Umlauf waren oder sind, können wir leider nicht verwerten.

Diese Auffassung scheint sich aber noch nicht allgemein durchgesetzt zu haben. Apotheken werden immer wieder mit privaten Arzneimittelspenden ihrer Kunden konfrontiert, und aktuell überlegen auch Apotheken zu spenden. Was spricht dagegen?

Im Vergleich zu dem, was uns pharmazeutische Hersteller zur Verfügung stellen können, würden Spenden von Privatpersonen oder Apotheken eher Kleinstmengen sein. Das wäre für uns organisatorisch ein sehr großer Aufwand. Aber daneben spielen vor allem zulassungs- und zollrechtliche Aspekte eine Rolle. Jede Lieferung muss mit dem Empfänger und den Behörden abgestimmt werden. Außerdem müssen wir nicht zuletzt aus Gründen der AMTS dafür Sorge tragen, dass Packungen und Beipackzettel möglichst in der jeweiligen Landessprache verfügbar sind oder in englischer Aufmachung. Sie sehen also, so groß und akut die Not auch ist: Nur eine professionelle und sorgfältige Organisation führt zu einer Medikamentenlieferung, die auch tatsächlich die notleidenden Menschen erreicht und ihnen hilft.

(Foto: Action Medeor e.V.)

Welche Unterstützung können Ihnen denn Apotheken leisten?

Die Unterstützung öffentlicher Apotheken ist uns sehr wichtig. Viele Apotheken stellen zum Beispiel eine Action-Medeor-Spendenbox auf, in die die Apotheken-Kunden ihr Wechselgeld einwerfen und spenden können. Unsere Zusammenarbeit mit dem Berufsstand endet aber nicht am HV-Tisch. Wir kooperieren auch mit Apothekerkammern und Apothekerverbänden sowie deren aufgestellten Hilfswerken.

Sind bei Ihnen auch Apothekerinnen und Apotheker aktiv?

Bei uns sind Apotheker beschäftigt, im Vorstand, im Bereich der Medikamentenhilfe und in der Qualitätssicherung. Wir beteiligen uns auch aktiv an der Ausbildung von Pharmazeuten, nicht nur in Deutschland, sondern über unsere Niederlassungen auch in Tansania und Malawi. Neben der Akuthilfe und Ausbildung bilden die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe die dritte Säule von Action Medeor.

Herr Dr. Bremers, vielen Dank für das Gespräch.

Das Deutsche Medikamenten-Hilfswerk Action Medeor

Action Medeor setzt sich nach eigenen Angaben als größtes Medikamentenhilfswerk Europas seit fast 60 Jahren für eine nachhaltige und bessere Gesundheitsversorgung der Menschen insbesondere in ärmeren Regionen ein. Hauptsitz des gemeinnützigen Vereins ist das niederrheinische Tönisvorst. Von hier aus werden jedes Jahr Gesundheitsstationen in circa 100 Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien mit medizinischer Hilfe versorgt. Im Not- und Katastrophenfall ist Action Medeor in der Lage, Arzneimittel, medizinisches Material und Instrumente in wenigen Stunden in das Katastrophengebiet zu schicken. Außerdem führt Action Medeor gemeinsam mit lokalen Partnern Gesundheitsprojekte in den Bereichen Prävention, Diagnostik und Therapie durch. Im Rahmen seiner pharmazeutischen Fachberatung bildet Action Medeor Gesundheitspersonal aus, richtet Forschungslabore ein und unterstützt den Aufbau von lokalen Produktionsstätten für Medikamente. Action Medeor ist Mitglied bei Aktion Deutschland Hilft, dem Bündnis renommierter deutscher Hilfsorganisationen.


Spendenkonten

Sparkasse Krefeld
BIC: SPKRDE33
IBAN: DE78 3205 0000 0000 0099 93

Volksbank Krefeld
BIC: GENODED1HTK
IBAN: DE12 3206 0362 0555 5555 55



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Arzneimittelspenden

von Roland Mückschel am 04.03.2022 um 9:39 Uhr

Kontraproduktiv?

Das müsst ihr den hilfsbereiten Leuten erzählen die gerade
Hilfslieferungen mit privaten Spenden für die Ukraine packen.

Ansonsten ist klar: Nur Bares ist Wahres.

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