BfR aktualisiert Beratungsleitfaden

Folsäure – schon bei Kinderwunsch einnehmen

Stuttgart - 24.02.2022, 09:15 Uhr

Schwangere und auch Frauen mit Kinderwunsch sollten auf eine ausreichende Folat- und Jodzufuhr achten. (s / Foto: ChristArt / AdobeStock)

Schwangere und auch Frauen mit Kinderwunsch sollten auf eine ausreichende Folat- und Jodzufuhr achten. (s / Foto: ChristArt / AdobeStock)


Nur die Hälfte der schwangeren Frauen hat mit der Folsäure-Supplementation schon bei Kinderwunsch, also vor der Schwangerschaft, begonnen – wie empfohlen. Warum ist das so? Mangelt es an Beratung? Und warum ist Jod eigentlich so wichtig in der Schwangerschaft? Das BfR hat seinen Beratungsleitfaden aktualisiert.

Es gibt nur wenige Menschen, die Nahrungsergänzungsmittel brauchen – Schwangere und Stillende gehören dazu. So sollen diese zwar kalorientechnisch nicht „für zwei“ essen, doch bestimmte Nährstoffe fördern die gesunde Entwicklung des Kindes. Essenziell sind dabei vor allem Folsäure und Jod. Professor Martin Smollich (Institut für Ernährungsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein) nennt die beiden Mikronährstoffe in einem Beitrag seines „Ernährungsmedizinblog“ deswegen als „Top 1“ und „Top 2“ der wichtigsten Mikronährstoffe in Schwangerschaft und Stillzeit. 

Das ist zwar ein alter Hut, dennoch hapert es wohl in der Praxis, insbesondere bei der Supplementierung von Folat bereits bei Frauen mit Kinderwunsch – also vor der Empfängnis. Denn: „Eine optimale Folsäureversorgung ist sogar schon ab dem ersten Tag der Schwangerschaft wichtig. Da viele Frauen aber in den ersten Wochen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind, heißt das: Jede Frau, die schwanger werden möchte und könnte, sorgt am besten schon vor Eintritt der Schwangerschaft für eine gute Folsäurezufuhr“, erklärt Smollich. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät zur Supplementierung von Folsäure, am besten bereits bei Kinderwunsch und sodann während der Schwangerschaft, ebenso hält sie Jod für essenziell.

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Der „Studie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II“ zufolge nahmen zwar 81,7 Prozent der befragten Frauen (n = 966) Folsäure in der Schwangerschaft ein, allerdings hatte weniger als die Hälfte der Frauen (45,4 Prozent) damit wie empfohlen bereits vor der Schwangerschaft damit begonnen. Bei der zusätzlichen Versorgung mit Jod sieht es der Studie zufolge nicht besser aus: Nur die Hälfte der schwangeren Frauen supplementierte Jod.

Fehlt es an Beratung und Aufklärung?

Das potenzielle Folsäuredefizit in der Frühschwangerschaft sieht auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Viele Frauen begännen mit der Einnahme zu spät oder gar nicht. „Wenn es darum geht, Wissen über die Bedeutung von Jod und Folat/Folsäure zu vermitteln und sowohl Mangelerscheinungen als auch Überdosierungen zu vermeiden, spielt die ärztliche Beratung rund um die Schwangerschaft eine maßgebliche Rolle“, sagt BfR-Vizepräsidentin Professor Tanja Schwerdtle. Aus diesem Grund hat das BfR das Merkblatt „Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft – Ratschläge für die ärztliche Praxis“ aktualisiert. Denn: Die Verbesserung und nachhaltige Sicherung der perikonzeptionellen Versorgung mit Jod und Folat/Folsäure von Frauen mit Kinderwunsch und in der Schwangerschaft sei ein wichtiger Bestandteil der ärztlichen Beratung – dabei geht es dem BfR nicht nur um eine Mangelversorgung, auch die „Überschreitung der als gesundheitlich unbedenklich erachteten Gesamttageszufuhrmengen an diesen lebensnotwendigen Nährstoffen“ will es vermieden wissen.

Folsäure verhindert Neuralrohrdefekte

Folsäure benötigt der Körper für die Zellteilung und für Wachstumsprozesse, ein Folatmangel in der Schwangerschaft kann die Kindesentwicklung negativ beeinflussen – das Risiko für Frühgeburten, ein geringes Geburtsgewicht und fetale Wachstumsverzögerung können die Folge sein. Darüber hinaus reduziert eine perikonzeptionelle Supplementierung von Folsäure das Risiko für die Entstehung von Neuralrohrdefekten beim Kind. Die DGE rät zu 300 µg Folatäquivalenten täglich, Schwangere und Stillenden sollten jeden Tag 550 µg beziehungsweise 450 µg Folatäquivalente zuführen. Darüber hinaus kann eine um 400 µg synthetische Folsäure pro Tag ergänzte folatreiche Ernährung bei Kinderwunsch das Risiko für Neuralrohrdefekte beim Kind verringern. Zudem gibt es Hinweise, dass eine zusätzliche Folatzufuhr das Risiko für andere kindliche Fehlbildungen, insbesondere Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten, reduzieren könnte (1 µg Folatäquivalent = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg synthetische Folsäure, Aufnahme auf nüchternen Magen).

Welche Nahrungsmittel sind folatreich?

Folate finden sich in tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln, wobei grünes Gemüse wie Spinat und Brokkoli, aber auch Hülsenfrüchte, Weizenkeime, Hefe, Eigelb, Vollkorngetreideprodukte, Zitrusfrüchte und -säfte sowie Leber besonders reich an Folaten sind. Auch reichern manche Hersteller von Frühstückszerealien, Milchprodukten und Fruchtsaftgetränken ihre Produkte mit Folsäure an.

Ist Folsäure ungefährlich?

Das BfR weist darauf hin, dass „bei Supplementierung der empfohlenen Tagesdosis von 400 µg Folsäure vor und im ersten Drittel einer Schwangerschaft … bislang keine negativen Effekte auf die Gesundheit der werdenden Mutter oder des ungeborenen Kindes beobachtet“ worden seien, weswegen diese Folsäuresupplementierung als „gesundheitlich unbedenklich anzusehen“ sei. Das gelte „normalerweise“ auch, wenn Schwangere parallel dazu Lebensmittel verzehrten, die mit Folsäure angereichert sind. Anders verhält es sich bei hoher Folatsubstitution, die nicht im Rahmen der Schwangerschaft erfolgt: Während eine erhöhte Zufuhr an Nahrungsfolaten sich protektiv auf Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs auswirkt, erhöhen synthetische Folsäuresupplemente das Risiko für Darmkrebs, vor allem wenn man eine familiäre Vorbelastung für Kolorektalkarzinom bereits mitbringt. Das machte Professor Martin Smollich bei der PAN-Vorlesungsreihe „Iss Das! – Ernährung in der Medizin“ deutlich.

Allerdings: Es kann sein, dass die Wirksamkeit von Antiepileptika (zum Beispiel Phenobarbital, Phenytoin, Primidon) durch Folsäuresupplemente sich vermindert, sodass gegebenenfalls die Dosis angepasst werden muss.

Warum brauchen Schwangere mehr Jod?

Jod benötigt die Schilddrüse für die Synthese von Schilddrüsenhormonen, die im Organismus wichtige Stoffwechselfunktionen regulieren und für die gesunde Entwicklung von inneren Organen, Nervensystem, Kreislauforganen und Muskulatur des Kindes notwendig sind – und das auch bereits vor Geburt. Für Schwangere empfiehlt die DGE eine tägliche Gesamtzufuhr von 230 µg Jod, Stillende sollten mit 260 µg sogar noch etwas mehr zu sich nehmen. Dabei können Meeresfisch mit hohem Jodgehalt „bedeutend zur Jodversorgung beitragen“, erklärt das BfR, ebenso Milch und Milchprodukte. Neben der Versorgung über Nahrungsmittel sollten Schwangere und Stillende jedoch zur Jodmangelprophylaxe „nach vorheriger Jodanamnese“ 100 µg bis 150 µg Jod zusätzlich über Supplemente zu sich nehmen.

Der erhöhte Jodbedarf von Schwangeren lässt sich zum einen durch den gesteigerten Grundumsatz der werdenden Mutter, einen vergrößerten Jodverteilungsraum sowie eine verstärkte Ausscheidung über die Nieren erklären. Estrogenbedingt steigt außerdem die Konzentration von TBG (Thyroxinbindendem Globulin) und damit die Bindungskapazität für Schilddrüsenhormone – das stimuliert letztlich die TSH-Ausschüttung aus der Hypophyse und erhöht damit die Synthese von Schilddrüsenhormonen. Ein Jodmangel kann folglich unter Umständen zu einem Struma (Kropf) führen und zu einer isolierten Hypothyroxinämie, bei der TSH zwar normal ist, freies Tetraiodthyronin (fT4) jedoch erniedrigt, da die Schilddrüse vor allem Triiodthyronin – das nur drei Jodatome benötigt – bildet.

Die Schilddrüse des Babys beginnt erst in der zweiten Schwangerschaftshälfte selbst Schilddrüsenhormone zu bilden, denn erst ab der 18. bis 20. Schwangerschaftswoche ist die fetale Schilddrüse funktionsfähig. Das bedeutet: Zuvor ist das Baby auf die Schilddrüsenhormonzufuhr der Mutter angewiesen – was ebenfalls deren erhöhten Jodbedarf erklärt.

Wer ist besonders für einen Jodmangel in der Schwangerschaft gefährdet?

Ein Jodmangel kann vor allem bei Frauen mit speziellen Ernährungsgewohnheiten treffen – wenn sie als Veganerinnen auf Seefisch und Milchprodukte verzichten. Auch die Anwendung hormonaler Kontrazeptiva kann einen Jodmangel verstärken (erhöhte Bindungskapazität von Schilddrüsenhormonen durch erhöhte TBG-Spiegel), und bei Raucherinnen kann das im Rauch enthaltene Thiocyanat den Jodidtransport in die Schilddrüse hemmen, was ebenfalls eine ausreichende Versorgung mit Schilddrüsenhormonen gefährdet.

„Schwerer Jodmangel in der Schwangerschaft ist mit einer erhöhten Rate an Fehl- und Totgeburten sowie Fehlbildungen assoziiert“, erklärt das BfR. Und: „Die fetale Schilddrüsenfunktion, aber auch die frühkindliche Entwicklung des zentralen Nervensystems sowie Körperwachstum und -reifung sind von einer ausreichenden Jodversorgung der Mutter abhängig.“

500 µg pro Tag nicht überschreiten

Doch ein Zuviel an Jod gilt es zu vermeiden. Als gesundheitlich unbedenklich gilt eine Gesamtzufuhr von 500 µg pro Tag. Das BfR weist darauf hin, dass vor allem getrocknete Algen- und Tangpräparate hohe Jodmengen enthalten können. Auch kann durch Einnahme mehrerer jodhaltiger Supplemente die Gesamttageszufuhr überschritten werden.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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