Coronavirus-Einreiseverordnung

Vollständiger Impfschutz künftig erst nach drei Impfungen

Berlin - 21.02.2022, 16:45 Uhr

Die Voraussetzungen für den Nachweis eines vollständigen Impfschutzes gegen COVID-19 oder des Genesenenstatus will das BMG wieder selbst regeln. (Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber)

Die Voraussetzungen für den Nachweis eines vollständigen Impfschutzes gegen COVID-19 oder des Genesenenstatus will das BMG wieder selbst regeln. (Foto: IMAGO / Wolfgang Maria Weber)


Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte es bereits angekündigt: Sein Haus bestimmt künftig wieder selbst das Nähere zum Genesenen- und Impfnachweis. In einem Entwurf zur Änderung der Einreiseverordnung hält das BMG an den 90 Tagen für den Genesenenstatus fest. Zudem will es zum Boostern motivieren: Vollständiger Impfschutz soll künftig nur noch jenen Personen bescheinigt werden, die dreimal geimpft sind. Ausnahmen sind für geimpfte Genesene vorgesehen – zudem soll es eine Übergangsfrist bis Ende September geben.

Als Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Mitte Januar seine Änderungen in der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung durch Bundestag und Bundesrat brachte, ahnte noch keiner, welche Wellen dies schlagen würde. Im Bundesrat pries der Minister noch, dass Veränderungen – etwa im Hinblick auf die Quarantänedauer, die seinerzeit mehr im medialen Interesses stand als der Genesesen- oder Impfstatus – künftig „ohne politischen Einfluss ausschließlich auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse“ stattfinden werden. Damit meinte er die in den Verordnungen frisch verankerten Verweise auf die Webseiten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) und des Robert-Koch-Instituts (RKI). Doch kurz darauf zeigte sich, dass das PEI seine Meinung zum vollständigen Impfschutz im Hinblick auf den Johnson & Johnson geändert hatte und das RKI den Genesenenstatus auf drei Monate halbiert hatte – zweifelsohne Entscheidungen, die sich wissenschaftlich gut begründen lassen. Doch dass sie quasi über Nacht und ohne Vorwarnung wirksam wurden, überrumpelte Betroffene erheblich.

Das Bundesgesundheitsministerium verteidigte in der Folge zwar den auf 90 Tage gestutzten Genesenenstatus. Doch spätestens, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 10. Februar über einen Eilantrag zu der ab dem 15. März greifenden einrichtungsbezogenen Impf- bzw. Nachweispflicht entschieden hatte, musste allen klar, sein, dass das Regelungsgeflecht auf rechtlich unsicheren Füßen steht. Auch wenn es den Eilantrag im Ergebnis ablehnte, machte das Bundesverfassungsgericht deutlich, dass es die Rechtsgrundlage der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht mit seiner „doppelten dynamischen Verweisung“ für zweifelhaft hält: Denn auch § 20a Infektionsschutzgesetz verweist auf die Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung mit ihren Verweisen auf die Webseiten des PEI und RKI.

Vergangene Woche hielten dann auch die Regierungschefs und -chefinnen der Länder nach ihrer Videoschalte mit Bundeskanzler Olaf Scholz in ihrem Beschluss fest, dass „bei der vom Bundesminister der Gesundheit angestoßenen Überarbeitung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) […] in Hinblick auf die Festlegungen zum Geimpften- und Genesenenstatus die Delegation auf das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Robert-Koch-Institut (RKI)“ entfällt.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zeigte sich also einsichtig und will nun nachbessern. In einem Verordnungsentwurf zur Änderung der Einreiseverordnung (Stand 18. Februar 2022), der der DAZ vorliegt, heißt es: „Aus Gründen der Rechtssicherheit werden die Kriterien sowohl hinsichtlich eines Genesenen- als auch eines Impfnachweises nicht mehr mittels eines dynamischen Verweises, sondern nunmehr im Verordnungstext selbst geregelt“.

Ab Oktober: Drei Antigenkontakte für vollständigen Impfschutz notwendig

Und was heißt das konkret? Die Unionsfraktion im Bundestag hatte vergangene Woche noch in einem Antrag gefordert, die Dauer des Genesenen-Status wieder auf 180 Tage anzuheben. Doch das BMG steht weiterhin zur wissenschaftlichen Expertise des RKI. Laut Verordnungsentwurf soll der Genesenennachweis künftig folgendermaßen definiert sein: 


Genesenennachweis:
ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn
a) die vorherige Infektion durch einen direkten Erregernachweis nachgewiesen wurde und
b) die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt.“

§ 2 Nr. 8 CoronaEinreiseV – Entwurfsfassung vom 18. Februar 2022


Von den 90 Tagen rückt das BMG also nicht ab. Allerdings ist keine Unterscheidung zwischen ungeimpften und geimpften Genesenen vorgesehen.

Und wer gilt als vollständig geimpft?

Was den Impfnachweis betrifft, plant das BMG sogar eine strengere Regelung als das PEI bislang vorsieht. Derzeit gilt als vollständig geimpft, wer zwei Impfdosen einer der geläufigen Vakzine erhalten hat – auch bei einer Impfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen. Die dritte Impfung ist der Booster. Künftig soll ein vollständiger Impfschutz erst nach drei Einzelimpfungen vorliegen. Die letzte Einzelimpfung muss dabei mindestens drei Monate nach der zweiten erfolgt sein. Diese Regelung soll der Begründung zufolge unter anderem die Auffrischimpfung fördern.

Von Bedeutung ist dabei nicht zuletzt eine Übergangsregelung für die Drei-Dosen-Regel: So soll bis zum 30. September 2022 auch bei zwei Einzelimpfungen ein vollständiger Impfschutz vorliegen. Geht es nach Minister Lauterbach, könnte im Oktober die allgemeine Impfpflicht in Deutschland starten – die Verordnung scheint dies schon zu antizipieren. Überdies reichen zwei Impfdosen unbefristet, wenn es um Einreisen in die Bundesrepublik geht – dann darf die letzte Dosis aber nicht länger als 270 Tage zurückliegen. Hier orientiert sich das BMG an den europäischen Vorgaben.

Wann zwei Einzelimpfungen reichen

Der Verordnungsentwurf beschreibt zudem mehrere Ausnahmen, wann auch zwei Einzelimpfungen ausreichend sind – notwendig ist stets noch eine nachgewiesene Infektion mit SARS-CoV-2, also letztlich doch ein dritter Antigenkontakt. So kann ein vollständiger Impfschutz auch mit nur zwei Impfungen bestehen, wenn ein positiver Antikörpertest vorgelegt werden kann, der vor der ersten  Impfung durchgeführt wurde. Das gleiche, wenn durch einen positiven PCR-Test eine durchgemachte Infektion zwischen erster und zweiter Einzelimpfung beziehungsweise nach der zweiten Impfung (28 Tage nach dem PCR-Test) nachgewiesen werden kann. In diesen mit einer Infektion kombinierten Fällen gilt ebenfalls eine Übergangsfrist bis 30. September 2022: Bis dahin kann der vollständige Impfschutz auch mit nur einer Einzelimpfung plus nachgewiesener Genesung erreicht werden.

Weiterhin sieht der Verordnungsentwurf eine neue Definition von Hochrisikogebieten vor. Zudem sollen künftig Kinder bis zu ihrem 12. Geburtstag, die aus einem Hochrisikogebiet oder einem Virusvariantengebiet eingereist sind, von einer verkürzten Absonderungspflicht ohne Freitestung von fünf statt bislang zehn Tagen profitieren. Mit Freitestung und nach Übermittlung eines Testnachweises sind auch diese fünf Tage der Absonderung nicht mehr nötig.

Geht es nach dem BMG, sollen die neuen Regelungen zum 4. März wirksam werden. Derzeit ist vorgesehen, dass die Einreiseverordnung mit Ablauf des 3. März 2022 außer Kraft tritt – neues Ablaufdatum soll laut Verordnungsentwurf der 7. April 2022 sein.

Parallel zur Änderung der Einreiseverordnung dürfte auch eine Änderung der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung erfolgen, die ebenfalls die kritischen Verweise auf die RKI- und PEI-Webseiten enthält. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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