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Gefälschte Impfpässe
Amtsgericht: Verletzung der apothekerlichen Schweigepflicht ist gerechtfertigt
Apotheker:innen, die der Polizei den Verdacht auf eine Impfpassfälschung melden, handeln aus einer Notstandslage. Zu diesem Schluss kommt das Amtsgericht Landstuhl in einem aktuellen Urteil, mit dem es einen Mann, der in der Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt hatte, zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt hat. Es hat dabei explizit berücksichtigt, dass die Strafe auch eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Nachahmer:innen haben soll.
Seit dem 25. November 2021 können Menschen, die Impfpässe fälschen, unrichtig ausstellen oder solche Dokumente nutzen, sehr viel einfacher strafrechtlich belangt werden als zuvor. Denn kurz nachdem im vergangenen Jahr der Impfpass beziehungsweise das auf dessen Basis ausgestellte digitale Impfzertifikat in der Pandemie eine zentrale Bedeutung für das freie Reisen und die Teilnahme am öffentlichen Leben bekommen hatte, zeigte sich: Wer beispielsweise selbst seinen Impfpass fälschte und in eine Apotheke zur Digitalisierung vorlegte, machte sich gar nicht strafbar. Jedenfalls dann, wenn man die damals geltenden Regelungen mit der wohl herrschenden Meinung so verstand, dass die (weniger strengen) Strafvorschriften rund um gefälschte oder unrichtige Gesundheitszeugnisse einen Rückgriff auf den Straftatbestand der klassischen (und härter bestraften) Urkundenfälschung ausschlossen.
Da der Gebrauch dieser falschen Gesundheitszeugnisse nur gegenüber Behörden und Versicherungen strafbar war, war die Vorlage in der Apotheke nicht erfasst. Mittlerweile hat der Gesetzgeber die angestaubten Urkundendelikte aufgefrischt. Dabei hat er auch klargestellt, dass die speziellen Normen zu Gesundheitszeugnissen keine Sperrwirkung entfalten, wenn der Täter nicht nur sie, sondern auch den Straftatbestand der Urkundenfälschung erfüllt hat.
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Mittlerweile gibt es erste Urteile auf Grundlage der neuen Strafvorschriften. So hat das Amtsgericht im rheinland-pfälzischen Landstuhl in der vergangenen Woche einen Mann wegen Urkundenfälschung zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe – ausgesetzt zur Bewährung – verurteilt. Der Familienvater war bereits im Jahr 2014 wegen Urkundenfälschung und 2018 wegen Betrugs zu geringen Geldstrafen verurteilt worden. Nun war er in einer Apotheke aufgefallen, in der er am 14. Dezember 2021 einen auf seinen Namen und sein Geburtsdatum lautenden Impfpass vorgelegt hatte. Das Dokument hatte er zuvor zum Preis von 200 Euro von einer Vermittlerin gekauft.
In der Rubrik „Schutzimpfungen gegen COVID-19“ befanden sich zwei Einträge für Comirnaty-Impfungen am 28. Mai 2021 und am 29. November 2021. Dazu gab es Arztstempel und Unterschriften. In der Apotheke fiel allerdings auf, dass die aus den eingeklebten Aufklebern ersichtlichen Chargennummern bereits am 31. August 2021 abgelaufen waren und somit zumindest die Impfung am 29. November 2021 nicht plausibel war. Die Apotheke schaltete daraufhin die Polizei ein.
Der Mann zeigte sich von Anfang an geständig, sodass das Verfahren schnell vonstattengehen konnte. Das Amtsgericht hatte kein Problem, die Handlung des Mannes unter § 267 Abs. 1 StGB (Urkundenfälschung) zu subsumieren: Er hat eine unechte Urkunde gebraucht, um im Rechtsverkehr zu täuschen.
Doch das Urteil setzt sich auch mit zwei weiteren interessanten Fragen auseinander. Eine davon ist insbesondere für Apotheker:innen relevant: Durfte das Gericht überhaupt die Erkenntnisse der Apothekenangestellten verwenden – oder haben sich diese womöglich selbst strafbar gemacht? Schließlich unterfallen Apotheker:innen, ebenso wie andere Heilberufler:innen und verschiedene weitere Berufe, einer Schweigepflicht, wenn ihnen ein „fremdes Geheimnis“ anvertraut wird. Dieses unbefugt zu offenbaren, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden (§ 203 Abs. 1 StGB).
Verweigerung des Zertifikats ändert nichts an der Gefahrenlage
Hier stellt das Amtsgericht klar, was sich allgemein bereits bei zahlreichen Ermittlungsbehörden – und offenbar weiten Kreisen der Politik – als Auffassung durchgesetzt haben dürfte: Selbst wenn die Schweigepflicht verletzt (bzw. § 203 StGB verwirklicht) wurde, so war dies doch gerechtfertigt: Es sei davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um ein COVID-19-Zertifikat zu erhalten und damit am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, heißt es im Urteil. Denn es gibt bekanntlich diverse Regeln, die an den Impfstatus anknüpfen – ihr Ziel ist der Schutz des Gesundheitssystems und der Schutz der einzelnen Menschen vor Gesundheitsgefahren. Wer diese Regeln mit einem gefälschten Impfnachweis umgehen will, stelle „eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar“, so das Gericht.
Wer eine solche Gefahr abwenden will und dabei eine andere Straftat begeht (und diese nach einer Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter nicht schwerer wiegt!), befindet sich in einem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB). Das Gericht meint auch nicht, dass es ausgereicht hätte, die Ausstellung des Zertifikats zu verweigern. Denn es sei „naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt“ – und damit hätten wir erneut eine konkrete Gefahr gehabt.
Ausnahmsweise: Strafe soll andere abschrecken
Der zweite bemerkenswerte Punkt des Urteils sind die Ausführungen zur Strafzumessung. Ob am Ende eines Strafverfahrens eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe verhängt wird und wie hoch diese liegt, ist das Ergebnis einer Abwägung: Was kann zugunsten des Täters berücksichtigt werden, was spricht für eine schärfere Strafe? Im Blick hat man dabei in der Regel vor allem die individuelle Schuld. So war es im vorliegenden Fall für den Täter günstig, dass er geständig war und auch den Namen der Impfpass-Vermittlerin nannte. Nachteilig für ihn war, dass er bereits zweimal zuvor von einem Gericht verurteilt wurde.
Ausnahmsweise hat das Gericht in diesem Fall aber auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt. Das ist keine Selbstverständlichkeit im Strafrecht – aber durchaus möglich. Dahinter steckt das Ziel, „durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun“. Kurz gesagt: Es geht um Abschreckung.
Das Gericht konstatiert, dass in der gegenwärtigen Pandemie Straftaten wie etwa Impfpassfälschungen ein besonderes mediales Interesse hervorrufen. Schon über frisch eingeleitete Ermittlungsverfahren wird breit berichtet – bei Verurteilungen wird dies kaum anders sein. „Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Berichterstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat ebenfalls eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken kann“, so das Gericht.
Ob drei Monate zur Bewährung wirklich Kriminelle abschrecken, sei dahingestellt. Aber dass schnelle Prozesse möglich sind und Gerichte vor Freiheitsstrafen nicht zurückschrecken, könnte auf bislang unauffällige Bürger:innen, die sich nun nicht impfen lassen wollen, durchaus eine Wirkung haben. Klar ist: Jede Straftat ist ein Einzelfall und Richter:innen sind unabhängig. Der Fall aus Landstuhl hat daher lediglich einen exemplarischen, dafür aber deutlichen Charakter.
Amtsgericht Landstuhl, Urteil vom 25. Januar 2022, Az.: 2 Cs 4106 Js 15848/21
3 Kommentare
Abschreckung für Freiheitsliebende
von Pharmi am 03.02.2022 um 10:58 Uhr
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Abschreckung - echt jetzt
von ratatosk am 03.02.2022 um 9:00 Uhr
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AW: Abschreckung - echt jetzt
von Holger am 03.02.2022 um 10:21 Uhr
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