IQWiG kritisiert Sonderstatus

Orphan Drugs: Keine Ausnahmen mehr beim Zusatznutzen?

Marseille - 26.01.2022, 09:15 Uhr

Orphan Drugs genießen derzeit einen Sonderstatus bei der frühen Nutzenbewertung. (Foto: IMAGO / YAY Images)

Orphan Drugs genießen derzeit einen Sonderstatus bei der frühen Nutzenbewertung. (Foto: IMAGO / YAY Images)


IQWiG überprüft fiktiven Zusatznutzen bei 41 Arzneimitteln

Wurde einem neuen Orphan Drug die EU-Zulassung erteilt, kann der G-BA oft nur anhand der Zulassungsdaten der Hersteller abschätzen, wie hoch deren Zusatznutzen sein könnte. Wenn er keine Belege für einen Zusatznutzen findet, muss er dem Wirkstoff trotzdem einen vorhandenen, aber „nicht quantifizierbaren“ Zusatznutzen bescheinigen und die Hersteller können entsprechende Preise verlangen. Das IQWiG spricht hierbei auch von einem „fiktiven“ Zusatznutzen, oder dem „Privileg des Zusatznutzen“, der den Orphan-Drugs pauschal zugeschrieben wird. Erst wenn der Jahresumsatz eines solchen Arzneimittels 50 Millionen Euro übersteigt, müssen Orphan Drugs dennoch das reguläre Nutzenbewertungsverfahren des G-BA durchlaufen.

Das IQWiG hatte nun die Bewertungen all jener 41 Arzneimittel überprüft, die seit 2011 als Orphan Drugs auf den Markt kamen, später aber doch noch das reguläre Bewertungsverfahren zum Zusatznutzen durchliefen, weil die Schwelle beim Jahresumsatz überschritten wurde.

Zusatznutzen in der Hälfte der Fälle nicht nachweisbar

Im regulären Verfahren, in welchem den Orphan Drugs eine zweckmäßige Vergleichstherapie gegenübergestellt wurde, stellte sich ein Zusatznutzen in mehr als der Hälfte der Fälle (54 Prozent) als nicht belegbar heraus. In weniger als einem Viertel der Fälle wurde ein erheblicher oder beträchtlicher Nutzen festgestellt, in der restlichen Zahl der Fälle ein geringer oder nicht quantifizierbarer Zusatznutzen.

Die Tatsache, dass in den meisten Fällen kein Zusatznutzen gefunden wurde, ist für das IQWiG ein klarer Missstand. Dies habe „Folgen für die Qualität der Patientenversorgung“, wird Thomas Kaiser, Leiter des IQWiG-Ressorts Arzneimittelbewertung, in der Mitteilung des Instituts zitiert. Neue Arzneimittel würden in solchen Fällen „ohne Datengrundlage bevorzugt eingesetzt“. Patientinnen und Patienten hätten dann viel Hoffnung in ein neues Arzneimittel gesetzt, für das erst Jahre später klar werde, dass es gar keinen Nachweis einer Überlegenheit gegenüber den vorhandenen Therapieoptionen gebe. „Ein wesentliches Ziel des AMNOG, nämlich die Spreu vom Weizen zu trennen, wird so bei den Orphan Drugs nicht erreicht“, so Kaiser. Das IQWiG fordert nun, dass  Orphan Drugs künftig schon bei Markteintritt das Verfahren der regulären frühen Nutzenbewertung durchlaufen sollen, wie andere Arzneimittel auch.



Irene Habich, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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