Infektionsschutz in impfenden Apotheken

SARS-CoV-2- und Masernimpfpflicht für das gesamte Team – ist das rechtens?

25.01.2022, 07:00 Uhr

Müssen impfende Apotheker:innen selbst bestimmte Impfungen aufweisen? (Foto: Ralf Geithe / AdobeStock)

Müssen impfende Apotheker:innen selbst bestimmte Impfungen aufweisen? (Foto: Ralf Geithe / AdobeStock)


Einige Kammern fordern von Apotheken, die Corona-Impfungen durchführen möchten, einen Nachweis über eine ausreichende Immunität aller in der Apotheke tätigen Personen gegen Masern und SARS-CoV-2. Was medizinisch durchaus Sinn ergibt, hat derzeit keinen nachvollziehbaren rechtlichen Hintergrund. Die Fakten.

Wenn angestellte Approbierte in der Apotheke impfen oder pharmazeutisches Personal für vor- bzw. nachbereitende Tätigkeiten eingesetzt wird, kann es zu einer Mitarbeitergefährdung kommen. Dies betrifft insbesondere Gefahren für die Gesundheit der Mitarbeitenden (Personenschäden). So wären beispielsweise Stichverletzungen mit oder ohne Infektionsfolge bei der Impfung selbst sowie bei der Entsorgung der verwendeten Kanülen denkbar.

Wer haftet bei Personenschäden bei Arbeitnehmern?

Während Arbeitgeber für Sach- und Vermögensschäden im Allgemeinen unter den bekannten Voraussetzungen haften, so ist eine Haftung für nicht vorsätzlich herbeigeführte Personenschäden gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. In diesem Fall ist die gesetzliche Unfallversicherung zuständig, für deren Beiträge der Arbeitgeber aufkommt.

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Dennoch geht eine Dienstleistung wie die Impfung aufgrund der erhöhten gesundheitlichen Gefährdung mit einer Ausweitung der arbeitsrechtlichen Sorgfaltspflichten der Apothekeninhaber und -inhaberinnen für die Mitarbeitenden einher. In diesem Zusammenhang sind berufsbedingte Impfungen und Schulungen auf Basis der individuellen Gefährdungsbeurteilung anzubieten.

Infektionsprävention durch Impfungen

Die STIKO definiert Berufsimpfungen mithin als Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos, zum Beispiel nach Gefährdungsbeurteilung gemäß Arbeitsschutzgesetz, Biostoffverordnung oder Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie zum Schutze Dritter im Rahmen der beruflichen Tätigkeit. Dies ist in Bezug auf die Kostenerstattung der Schutzimpfungen für Mitarbeitende relevant. Denn grundsätzlich hat der Arbeitgeber die Kosten zu übernehmen. Sofern die STIKO allerdings eine Impfung als Berufsindikation kennzeichnet, wird sie in diesem Anwendungsfall zur GKV-Leistung.

Angestellte Approbierte, die künftig impfen wollen, müssen insbesondere über das Angebot informiert werden von Impfungen gegen:

  • Hepatitis B,
  • Influenza,
  • ggf. Mumps, Tetanus, Diphtherie, Polio, Pertussis (bei unklarem Impfstatus).

Alle diese Schutzimpfungen sind entweder Standardimpfungen oder im Rahmen der beruflichen Impftätigkeit eine GKV-Leistung. Dies sollte dem durchführenden (Betriebs-)Arzt mitgeteilt werden. Die BAK-Leitlinie zur Grippeschutzimpfung empfiehlt in diesem Zusammenhang lediglich einen positiven Impfstatus Hepatitis B.1 Im Falle der Durchführung von Corona-Schutzimpfungen ist eine abweichende Empfehlung kaum begründbar. Umgekehrt dürfen Mitarbeitende Impfungen allerdings verweigern, da grundsätzlich keine Impfpflicht besteht.


1 Vgl. BAK, Kommentar zur Leitlinie Durchführung von Grippeschutzimpfungen in öffentlichen Apotheken, S. 7.

Keine rechtliche Grundlage für Nachweispflicht durch Apotheken

Weder die mit dem Masernschutzgesetz eingeführte Nachweispflicht gemäß § 20 Abs. 8 IfSG gegen Masern erstreckt sich bisweilen auf öffentliche Apotheken, 2 noch gilt dies für Corona-Schutzimpfungen. Entgegen teilweise anders vernehmbarer Stimmen in den Medien und entgegen der Forderungen einiger Kammern existiert keine Pflicht, einen entsprechenden Schutz nachzuweisen, womit die medizinische Sinnhaftigkeit keinesfalls bestritten werden soll.

An einer Masernnachweisflicht fehlt es, da § 20 Abs. 8 IfSG (Masernschutz) abschließend auf in bestimmten Einrichtungen  tätige Personen verweist. Hierunter fallen:

  • Krankenhäuser und Einrichtungen für ambulantes Operieren,
  • Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt,
  • Dialyse-/Entbindungseinrichtungen und Tageskliniken,
  • Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen, die mit den vorbenannten Einrichtungen vergleichbar sind,
  • Arztpraxen, Zahnarztpraxen sowie Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe,
  • Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden,
  • ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen, und
  • Rettungsdienste,
  • Kindertageseinrichtungen und Kinderhorte, Einrichtungen der Kindertagespflege, Kinderheime,
  • Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen,
  • nicht unter § 23 Absatz 5 Satz 1 fallende voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen oder vergleichbare Einrichtungen,
  • Obdachlosenunterkünfte,
  • Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbar Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern.

Der oft bemühte Verweis auf § 36 Abs. 2 IfSG scheitert daran, dass das Vorliegen der dort benannten Tatsachen – insbesondere ein Übertragungsrisiko via Blut – lediglich zur infektionshygienischen Überwachung durch das zuständige Gesundheitsamt führen kann. Nicht jedoch steht Absatz 2 in systematischen Zusammenhang mit der Nachweispflicht gemäß § 20 Abs. 8 IfSG. Unter die dort über die Verweistechnik entstehende „Positivliste“ wiederum könnten Apotheken allenfalls unter dem Begriff der „Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens“ subsumiert werden. Der bisherigen Rechtsauffassung der Behörden ist allerdings zuzustimmen, dass dies nicht der Fall ist. Denn an eine analoge Anwendung der Verpflichtung auf Apothekenpersonal wären aufgrund des damit verbundenen Grundrechtseingriffs in die körperliche Unversehrtheit sowie weitere Grundrechte 3 hohe Anforderungen zu stellen. Diese scheinen jedoch kaum erfüllt. Bereits die präzise Auflistung derjenigen Einrichtungen, in welchen die Masernimpfpflicht gelten soll, sowie die Ablehnung eines Änderungsantrages der FDP 4 zu deren Erweiterung um die öffentlichen Apotheken spricht gegen eine planwidrige Regelungslücke als mögliche Voraussetzung für eine Analogie. Hieran vermag auch die „neue“ Tätigkeit des Impfens in der Apotheke nichts zu ändern. Denn es mangelte zu diesem Zeitpunkt keineswegs an einer Antizipierbarkeit durch den Gesetzgeber, da zugleich zur Nachweispflicht der Masernimpfung die Modellvorhaben zu den Grippeschutzimpfungen mit eben jenem Masernschutzgesetz auf den Weg gebracht wurden. Insofern muss von einem bewussten Schweigen des Gesetzgebers ausgegangen werden.


2 So bereits das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege
3 Hierzu ausführlich Makoski/Netzer-Nawrocki, GesR 2020, S. 432 ff.
4 BT-Drucksache 19/15164 S. 46 ff.

Restliches Apothekenpersonal hat keinen engen Kontakt zum Patienten

Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass selbst bei abweichender Rechtsauffassung die Angemessenheit der Analogie ernsthaft infrage stehen muss, das gesamte Apothekenpersonal der indirekten Masernimpfpflicht (Nachweispflicht) zu unterwerfen. Denn der Gesetzesbegründung ist in Bezug auf die Normierung der Positivliste ein ausdrücklicher Blick auf den „engen Kontakt“ zum Patienten zu entnehmen. 5 Ein solche kommt auch beim Impfen in der Apotheke allenfalls mit dem impfenden Apotheker zustande, da alle „körpernahen“ Tätigkeiten hier nicht delegierbar sind.

Eine ähnliche Argumentation gilt gegen die einrichtungsbezogene Immunitätsnachweispflicht gegen COVID-19 gemäß § 20a IfSG. Auch hier normiert der Gesetzgeber eine abschließende Positivliste (vgl. § 20a Abs. 1 IfSG), welche Apotheken nicht erwähnt. Abermals könnte man diese allenfalls unter „öffentliche Gesundheitseinrichtungen“ einordnen. Hiergegen sprechen dieselben zuvor aufgeführten Gründe. Denn auch hier erfolgte die gesetzgeberische Umsetzung im Gleichschritt mit der Einbindung der Apothekerschaft in die Impfkampagne – mit dem Ziel möglichst flächendeckender Corona-Impfungen.

Wer nun gegen die zumindest geforderte Verhältnismäßigkeitsabwägung in Bezug auf das komplette Apothekenpersonal die höhere Ansteckungsgefahr eines respiratorischen Virus anführt, der sei auf die dafür vorliegenden, ohnehin bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese einrichtungsbezogene Impfpflicht hingewiesen. 6 Allerdings verändert sich diese Bewertung mit Einführung einer immer wieder diskutierten allgemeinen Impfpflicht gegen COVID-19.

Haftungsrisiko bei Einsatz von ungeimpftem Apothekenpersonal

Was aber tun, wenn die zuständige Kammer/Behörde entsprechende Nachweise fordert? Trotz aller rechtlichen Argumente, haben Sie in der Regel nur zwei Optionen: Entweder Sie schaffen die geforderten Voraussetzungen oder aber Sie suchen die Konfrontation über die üblichen Verwaltungsverfahren. Was Sie allerdings bei der ganzen Diskussion um eine Nachweispflicht bitte nicht aus den Augen verlieren sollten, ist, dass die Verweigerung der Mitarbeitenden gegenüber den Schutzimpfungen (oder deren Nachweis) jedenfalls zur Folge haben kann, dass diese nicht für die Durchführung der Schutzimpfungen eingesetzt werden dürfen, sofern die Impflinge hierdurch gefährdet würden. 7 Das Haftungsrisiko würde anderenfalls auf den Arbeitgeber übergehen (Stichwort: Organisationsverschulden). Eine Gefährdungsbeurteilung ist insofern ebenso erforderlich wie die Erfüllung der betriebsinternen Schulungspflicht gemäß § 14 BioStoffV (z. B. mithilfe der Pflichtschulung „Blutuntersuchungen nach § 14 BiostoffV“).


5 BT-Drucksache 358/19, S. 2.
6 Vgl. Eufinger, GesR 2021, S. 76.
7 Vgl. Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, Impfen im beruflichen Umfeld, 2014, S. 4.



Dr. Dennis A. Effertz, LL.M., Apotheker und Jurist
redaktion@daz.online


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