Urtica dioica

Heilpflanze des Jahres 2022: Brennnessel

Stuttgart - 18.01.2022, 09:15 Uhr

Für die Wirksamkeit von Urticae folium/herba wird ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen verantwortlich gemacht. (Foto: nblxer / AdobeStock) 

Für die Wirksamkeit von Urticae folium/herba wird ein breites Spektrum an Inhaltsstoffen verantwortlich gemacht. (Foto: nblxer / AdobeStock) 


Wurzeldroge bei vergrößerter Prostata

Eine wichtige therapeutische Rolle spielt auch die Wurzeldroge der Brennnessel (Urticae radix). Sie ist bei Miktionsbeschwerden bei benigner Prostatahyperplasie indiziert und eignet sich vor allem für die Anfangsstadien. Prostatabedingte Beschwerden beim Wasserlassen können sich dadurch bessern. Wie auch bei anderen pflanzlichen Prostatamitteln beruht die symptomlindernde Wirkung der Wurzeldroge vor allem auf einer entstauenden Wirkung auf die Prostata. Als wichtige Wirkmechanismen gelten hemmende Einflüsse auf Dihydrotestosteron in seiner wachstumsfördernden Wirkung auf die Prostata. Dazu gehören die verminderte Bindung von Dihydrotestosteron an sein Transportprotein SHBG (Sexualhormon-bindendes Globulin) und an die Prostata sowie eine reduzierte Hormonsynthese durch Hemmung des Enzyms 5-α-Reduktase. Für diese Effekte scheinen mehrere Inhaltsstoffe verantwortlich zu sein: spezifische Lektine (UDA = Urtica-dioica-Agglutinine), außerdem Phytosterole, die zu den Phytoöstrogenen zählenden Lignane sowie Polysaccharide. Brennnesselwurzel wird vor allem in Form von Extraktpräparaten eingesetzt (z. B. Natu-prosta®, Prostamed® Urtica, Utk uno®).

Noch mehr Brennnessel-Effekte?

Vielleicht gewinnt die Brennnessel zukünftig noch weitere Einsatzgebiete hinzu. So linderte ein Urtica-dioica-Extrakt zum Beispiel in einer iranischen Studie klimakterisch bedingte Hitzewallungen ähnlich gut wie Akupunktur. Eine Metaanalyse von 13 klinischen Studien ergab antidiabetische Effekte: Der Konsum von Urtica dioica verbesserte bei Typ-2-Diabetikern unter anderem Nüchternblutzucker und HbA1c-Wert. Im Labor sowie in Tierexperimenten entfaltete Urtica dioica auch antitumorale Effekte.

Frühjahrskur und Wildgemüse

Neben ihrer phytotherapeutischen Verwendung wird die Brennnessel traditionell noch in vielfältiger Weise genutzt. Beliebt ist insbesondere die Frühjahrskur, vor allem mit Tee oder Frischpflanzenpresssaft. Immer mehr Liebhaber findet die Brennnessel in Form von spinatähnlichem Wildgemüse, Smoothies oder Suppe. Äußerlich wird die Brennnessel bei seborrhoischen Hauterkrankungen verwendet. Zur Pflege von Kopfhaut und Haaren findet sich Brennnesselextrakt in zahlreichen Shampoos und Haarwässern, vor allem um der Schuppenbildung entgegenzuwirken.

Auch Brennnesselfrüchte („-samen“) sind nutzbar. Aufgrund ihres Reichtums an Linolsäure und Betacarotin sind sie zur Nahrungsergänzung geschätzt. Volksmedizinisch werden die zerstoßenen Früchte als Auflage bei Hauterkrankungen und Rheuma verwendet.

Ungeliebt – aber ökologisch wertvoll

Während die Brennnessel als Therapeutikum und Nahrungsmittel einen hohen Stellenwert hat, stößt das Gewächs in der Natur oder im Garten häufig auf Ablehnung. Schon bei leichter Berührung brechen die Köpfchen der feinen Brennhaare ab, die überall an Blättern und Stängeln sitzen. Es entsteht eine scharfkantige Abbruchstelle, mit der sich das Brennhaar in die Haut bohrt. Der injizierte Zellsaft enthält Ameisensäure, Acetylcholin und Histamin und verursacht brennenden Schmerz und Quaddeln. Hat sich die stickstoffliebende Brennnessel im Garten erst mal angesiedelt, ist sie wegen ihres weitverzweigten Rhizoms nur schwer wieder loszuwerden. Aus ökologischer Sicht bereichern Brennnesseln jedoch den Garten. Immerhin stellen sie für die Raupen einiger unserer bekanntesten heimischen Schmetterlinge wie Tagpfauenauge, Admiral und Distelfalter eine wichtige Futterpflanze dar.

 

Quellen

NHV Theophrastus; W. Blaschek: Wichtl – Teedrogen und Phytopharmaka, WVG 2016; 
Van Wyk et al.: Handbuch der Arzneipflanzen, WVG 2015; 
H. Schilcher et al.: Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fische 2010



Ulrike Weber-Fina, Diplom-Biologin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


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